Buchrezension – welches Beispiel der Autor Sean McFate für militärisches und gesellschaftliches Denken in den USA liefert

Es geht hier um ein neues Buch (2019) eines US-Militärs über –  angeblich – neue Regeln des Krieges, die den USA zum Sieg  in einer Welt der durable disorder verhelfen sollen, einer Welt „nachhaltiger Unordnung“.

(Sean McFate , The New Rules of War. Victory in the Age of Durable Disorder. William Morrow, NY, 2019)

Der Autor hat lt. Klappentext als Fallschirmsoldat in der US-Army  und später als privater Söldner Erfahrungen gesammelt und ist nun Professor für Strategie an der National Defense University und der School of Foreign Service der Georgetown University.

Seine militärischen Ratschläge erwachsen aus höchst zweifelhaften, brutalen und ausbeuterischen Grundansichten über die Weltgesellschaft.

Seine durable disorder hat in etwa folgende Grundstruktur: einige starke Staaten, v.a. die USA und andere des Westens (deren Namen werden nicht genannt), sind in dem weitaus größeren übrigen Teil der Welt mit ihren schwachen oder überhaupt nicht existierenden Staaten, vor allem in Afrika, aber keineswegs nur dort,  auf permanentem Beutezug und im Konflikt mit „revisionistischen“ (die Oberhoheit der USA herausfordernden) Mächten wie China.

Der Autor  unternimmt keinerlei Versuch, den Kampf der USA um Beute und weltweite Vorherrschaft in irgendeiner Weise mit höheren Prinzipien zu rechtfertigen. Für ihn ist Krieg natürliche überhistorische Grundeigenschaft des Menschen („War is one of humanity’s constants.“, S. 6)  und in dem Kampf aller gegen alle geht es nur darum, für sich selbst die maximale Bereicherung und die Vorherrschaft zu erkämpfen.

Er wendet sich ausdrücklich gegen Auffassungen wie die, die USA seien demokratisch – in Wirklichkeit würden sie von einem deep state gelenkt, einer Allianz zwischen Plutokraten und verdeckten Akteuren des politischen und militärischen Apparats. „But the double helix of corporations and politicos forms the DNA of America’s power structure.“ (168)

Damit entfällt selbstredend – ­ohne dass der Autor darauf eigens einginge – jegliche der üblichen moralisch oder zivilisatorisch getönten Selbstrechtfertigungen des US-Imperialismus, bspw. die des Demokratiebringers, oder auch nur die des technologischen Beglückers. Die USA kämpfen eben gegen andere deep states, gegen sich neu entwickelnde „regionale Supermächte“, gegen verdeckte Gegner, gegen Aufstände oder zetteln solche selber an.

Die Geschichte steht still in der ständigen Unruhe des egoistischen Kampfes aller gegen alle – so etwa die „Vision“ des Herrn McFate .

Im weltweiten Beuteraum der durable disorder gibt es auf unterer oder mittlerer Ebene durchaus viele weitere Gruppen, die sich ihrerseits bereichern wollen und dazu eigene militärische Apparate aufbauen. So spricht McFate  immer wieder davon, wie sich heute irgendwelche Milliardäre, große Firmen, Öl-Potentaten, Narco-Kartelle, ein Putin, afrikanische warlords usf. ihre Söldnerarmeen zusammenkaufen und sich Macht und Reichtum erkämpfen können. Das wichtigste und größte Territorium für diese Kämpfe ist in seinen Augen „Afrika“, aber auch Lateinamerika, wo v.a. Mexiko und andere „Narcostaaten“ schon längst derart konstituiert seien, oder bestimmte asiatische Regionen.

„Viele Menschen denken, dass failed states in den internationalen Beziehungen die Ausnahme seien; sie sind jedoch die Regel.“ (149)

„Die Erosion des Staates ermuntert neue Varianten globaler Mächte. Das Autoritätsvakuum, das übrigbleibt, wenn Staaten sich zurückziehen, wird von Aufständischen, Kalifaten, Firmenimperien, Narkostaaten, den Königreichen von warlords, Söldnerherren und Wüsteneien gefüllt werden.“ (149)

„Wir treten in eine Wirklichkeit ein, in der jeder mit genug Geld sich ein Militär mieten kann um zu tun, was immer er oder sie wünscht: Kriege beginnen, sie beenden, anderer Leute Eigentum an sich reißen, ganze Gruppen von Menschen ermorden oder retten….Wenn jedermann zum Kriegführen Söldner mieten kann, können die Ultrareichen eine neue Art von Macht in der Weltpolitik bilden.“

„Wer wird sich in dieser neuen Klasse von Weltmächten finden? Die globalen ein Prozent, so viel sei für Anfänger gesagt. Im Jahre 2015 besaßen gerade einmal 62 Personen mehr Reichtum als die ärmste Hälfte des Planeten. Anders ausgedrückt, ein Bus voller Tycoons besitzt mehr als 3,6 Milliarden Menschen zusammen, was diese Magnaten zu den 0,000002 Prozent macht. Die Konsolidierung von Spitzenreichtum ist ein wachsender Trend.“ (151)

In der Folge würden die Megafirmen und die globalen 1 Prozent in die eigene Sicherheit investieren, unter der Voraussetzung, dass Söldner verfügbar und legitimiert sein werden (wofür McFate  durchgängig plädiert) (152) Der Krieg wird zur Ware (185, 193), die Söldnerkontingente werden an der Börse gehandelt und das Objekt von Investoren.

Zudem haben die USA auf globaler Ebene noch lebensgefährliche große Konkurrenten und Herausforderer, „revisionistische Staaten“: China und wohl auch Russland.

Die Frage, ob es einen großen historischen Kampf um die globale Hegemonie gibt, bspw. zwischen den USA und China, und ob hieraus in Zukunft ähnlich gigantische Zusammenstöße wie im 20. Jh. entstehen können bzw. sogar müssen, unter Einsatz massivster militärischer Vernichtungspotentiale, interessiert den Autor allerdings merkwürdigerweise kaum. Er verspottet bemerkenswerterweise mehrfach diejenigen US-Strategen, deren Denken und deren extrem technisierte, extrem massenvernichtende und extrem teure Rüstungen sich auf solche Möglichkeiten konzentrieren. Jedenfalls aber empfiehlt er auch solchen Strategen der – ihrer Meinung nach – kommenden großen historischen Konfrontationen solche angeblich neuen Methoden der vielfältigen, flexiblen und großenteils verdeckten Kriegführung, wie er sie generell für den Weltzustand der durable disorder für angemessen hält.

 

Ausgangspunkt ist für McFate  die Frage, warum die USA in den letzten 70 Jahren ihre Kriege  – mit wenigen unbedeutenden Ausnahmen – alle verloren haben. Diese Frage versucht McFate  militärtheoretisch zu beleuchten. Seiner Meinung nach haben die heutigen militärischen Chefs der USA leider Ansichten über das Wesen des Krieges, die in der Vergangenheit gebildet wurden und vielleicht auf frühere Kriege zutrafen, aber nicht mehr auf die heute sich herausbildenden Formen und Facetten von Krieg. Seiner Meinung nach öffnet er ihnen  die Augen für die heutige Realität.

Dabei rekurriert er auf historische, gesellschaftliche und politische Gegebenheiten. Deren Verständnis sei erforderlich, um militärische Strategien von heute entwickeln zu können.

Dieser Gedanke ist prinzipiell richtig, doch der Autor vermag ihn nicht mit Leben zu füllen; er ist historisch zu unwissend, er kennt nur ein paar Anekdoten, ein paar Einzelheiten. Seine politischen Analysen sind das reine Debakel. Zur kritischen Reflexion über gesellschaftlich-politische Zusammenhänge ist er nicht in der Lage. Bei seinen Äußerungen über strategische Niederlagen der USA, bspw. den Vietnam-Krieg, die Interventionen in Irak und Afghanistan, bleibt er an einer Oberfläche hängen. Diese Kriege wurden verloren, in der Ansicht von McFate, weil die USA in den Medien ungeschickt agiert haben, und/oder weil sie nicht mit genügender Rigorosität und Massivität ihre Gegner niedergewalzt haben. Bewundernd erzählt McFate  vom Beispiel der Radikalität der antiken Römer bei der Niederschlagung jüdischer Aufstände unter Vespasian und Titus,  d.h. von rücksichtlosem Massenmord, bis nicht nur kein Aufständischer mehr am Leben war, sondern auch die Masse der Bevölkerung so dezimiert und erschöpft, dass für Auflehnung nicht mehr die mindeste Energie vorhanden war.

Die politischen Fundamentalia solcher Kriege der USA wie in Vietnam (bis 1975) und später im Irak und in Afghanistan hingegen sind für McFate  jedoch keiner Erwähnung wert. Ihn interessiert offensichtlich nicht bspw. die Motivationsgrundlage der USA für die Kriege in Korea und Vietnam, die man im Kampf um kapitalistisch-imperialistische geopolitische Schlüsselpositionen gegenüber der sich konsolidierenden, damals noch in mancher Hinsicht sozialistischen Sowjetunion der Zeit nach 1945 und gegenüber dem revolutionären China sehen kann. Er macht auch keinen Ansatz, die für die USA schließlich negative Entwicklung dieser ihrer Kriegsunternehmungen mit weltpolitischen Verschiebungen der betreffenden Zeitabschnitte zu verknüpfen.

Was ist das für eine Herleitung von Militärischem aus Politischem, die McFate  doch – im höchst Allgemeinen – so konsequent zu fordern scheint, wenn solche politischen Grundkonstellationen und –ziele bei ihm nicht einmal erwähnt werden?

Nicht einmal die offiziellen politischen Begründungen der USA für die erwähnten Kriege werden von McFate  einer Erwähnung gewürdigt – warum? Könnten die, wenn auch einseitig, vielleicht  zu politisch ausfallen und von daher auf die Notwendigkeit einer genaueren kritischen Analyse der Politik hinführen?  Politik ist für McFate  nur die Berücksichtigung der aktuellen Strukturen der jeweiligen Räubergegner und Raubkonkurrenten, auf die man flexibel, bspw. auch mit verdeckten Aktionen und geschickter Propaganda, sich einschießen müsse. Sun Tzu wird ausführlich zitiert und empfohlen, ein Autor, der anscheinend zwar einige militärische Tricks kannte, aber ebenfalls des Historischen und Politischen auf höherer Ebene sich enthielt.

Das zweifelhafte wissenschaftliche Niveau wird z.B. auch in den wiederholten Abwertungen des Militärtheoretikers Clausewitz durch den Autor deutlich. Lt. McFate  kannte dieser nur das Prinzip der großen Entscheidungsschlacht zwischen kriegführenden Staaten. Dass Clausewitz durchaus auch ganz andere Formen im Auge hatte und bspw. ausdrücklich eine Theorie des Guerillakrieges entwickelt hat, ist McFate  anscheinend entgangen.

Der Zwiespalt zwischen einem Ansatz, der die zu führenden Kriege prinzipiell als politische Ereignisse kategorisiert und dementsprechend fordert, Strategie und Taktik politisch abzuleiten – bspw. daraus, welche gesellschaftlichen Zustand man als Ergebnis der Kriegsbemühungen anstrebt, welche Art von „Frieden“ oder von Dauerkonflikt man realistischerweise anstrebt -,  der Widerspruch zwischen diesem Anspruch und dem geradezu schwachköpfigen eigenen politischen Horizont prägt dieses merkwürdige Buch.

Wie es zum heutigen globalen Zustand gekommen ist, in dem die USA nach McFates Ansicht nun so viele und so neuartige Kriege werden führen müssen, und wie die Welt aus den auch in McFates Augen so blutigen und brutalen Verhältnissen herauskommen oder sie wenigstens mildern könnte, das interessiert ihn überhaupt nicht. Sein Bild der Gegenwart und der Zukunft ist eigentlich stationär, ahistorisch, in den Einzelheiten jedoch von verwirrender Machtdynamik und allgemeinem, oft verdeckt geführtem Kampf  aller gegen alle geprägt – alle Akteure, die USA eingeschlossen, handeln aus primitivstem privategoistischem Beute- und Selbstbereicherungsstreben, und da konsolidiert sich nichts so recht. Kapitalismus eben, im unschönsten seiner Selbstbilder.

Es ist eine Fortschreibung heutiger Zustände, wie sie der US-Kapitalismus zusammen mit bestimmten Teilen seines gigantesken militärischen Apparates wohl selbst sieht. Er hat sie ja in der Tat  zu erheblichen Teilen in der Welt von heute selbst geschaffen. McFate  liefert eine Verewigungspropaganda für diese Zustände. Diese ist die politische Botschaft hinter und über seinem militärtheoretischen Fachgerassel. Man ist versucht zu hoffen, dass „Strategen“ seinesgleichen in den USA die Oberhand bekommen oder bereits haben –  dann ist diese Supermacht noch schneller Geschichte. Aber ob Ansichten wie die von McFate  eher repräsentativ oder vielmehr eher außenseiterisch stehen in der mentalen Welt von US-Strategen und Politikern, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

Aus diesem ebenso brutalen wie dummen, aber in manchen Aspekten durchaus nicht unrealistischen Buch leiten sich eigentlich zwingend solche Fragen ab, wie sie McFate so gar  nicht liebt. Er geht jeder Infragestellung der von ihm geschilderten heutigen Verhältnisse aus dem Weg. Was ihn einzig interessiert, ist, wie die USA in diesen Verhältnissen möglichst zu Siegen kommen könnten, und wie das Söldnerwesen im Dienste der USA, aber auch bei unteren Akteuren ausgeweitet und perfektioniert werden könnte.  „Victory in the Age of Durable Disorder.“

Dass die menschliche Gesellschaft in permanentem Krieg bzw. einer ständigen Durchmischung von Krieg und Frieden leben müsse, ist für ihn ausdrücklich eine Naturtatsache. Das mit der „Westfälischen“ Ordnung (1648) etablierte Monopol regelrechter Staaten auf Kriegführung, nämlich untereinander, ist für ihn eine historische Ausnahme und inzwischen obsolet. Heute führen lt. McFate  nicht nur Staaten, sondern auch Milliardäre, große private Firmen, Verbrecherbanden usf., vielleicht auch NGOs Krieg untereinander, und das ist unvermeidlich, ist der gesellschaftliche Normalzustand.  Jeglicher Reflexion über mögliche Weiterentwicklungen der Gesellschaft über einen solchen „Naturzustand“ hinaus wird von vornherein eine Absage erteilt.

Selbst eine weniger prinzipielle, relativere Fragstellung, wie z.B. ob „Afrika“ vielleicht aus seiner Rolle als permanentes Beutegebiet von Imperialisten und massenschlächterischen warlords herauswachsen könnte, ob solche Zustände eingedämmt und reduziert werden könnten, erscheint bei ihm gar nicht erst. Höchstens könnten irgendwelche Machtcliquen auch einmal Eigeninteresse entwickeln dahingehend, ihnen gehörige Territorien und Bevölkerungen aus dem allgemeinen blutigen Chaos herauszunehmen. Das konzediert McFate  zwar, aber es interessiert ihn offensichtlich nicht.

Eben so wenig wird man bei ihm Interesse finden für die Überlegung, ob es außer seinem angelsächsischen imperialistischen Raubkapitalismus andere Varianten des Kapitalismus geben könnte, oder vielleicht sogar grundsätzlich andere ökonomische und gesellschaftliche Strukturen, die aus sich heraus einem globalen Konzept der durable disorder sich verweigern oder widersetzen könnten. Der in Entstehung begriffene chinesische Imperialismus, oder die europäische Variante eines regulierteren Kapitalismus – werden die vielleicht andere Wege gehen? Werden gesellschaftliche Grundströmungen entstehen, die sich einer Weltherrschaft der durable disorder mit einer USA im Zentrum widersetzen und sich behaupten können?

 

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Unverschämte Kritik in der „FAZ“ an mangelnder Kollaboration mit dem saudischen Regime

Was für Provokationen sich die „FAZ“ erlaubt, wenn Rüstungsgeschäfte mit Saudi-Arabien einmal seitens einer Bundesregierung etwas zurückhaltend behandelt werden!

Man sehe sich diesen Artikel der Autoren Christian Schubert und Ulrich Friese an (Notiz 24.02. 13.55h: mittlerweile wurde er von der allgemein kostenlos zugänglichen Seite FAZ.net. wo er zunächt ganz prominent plaziert war, auf die kostenpflichtige „FAZ+“ verlagert und ziemlich versteckt. Merkwürdig.). In welch einem arrogantem Ton wird hier auf der deutschen Regierung herumgehackt, die angesichts von alarmierenden Entwicklungen wie dem Krieg im Jemen oder vielleicht auch einem Mordfall Kashoggi bestimmte  Auslieferungen von Waffen verzögert!

Ich hatte mir erlaubt, einen kurzen Leserkommentar zu dem Artikel an das Blatt zu schicken, mit folgendem Text:

„Dieser Artikel nervt! Die Problematik von Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien scheint den Autoren nicht bekannt zu sein, sie schreiben wie Lobbyisten dieses von oben bis unten unerfreulichen Regimes (bewusst milder Ausdruck).

Es liegt auf der Hand, dass weder Deutschland noch die EU, egal ob zusammen mit oder ohne Brexit-GB, derzeit militärisch in der Lage sind sich zu verteidigen gegen einen möglichen großen Gegner, wer auch immer das sein könnte in der unübersichtlichen  internationalen künftigen Entwicklung. Darum muss die Diskussion gehen, und nicht darum, ob irgendwelche Rüstungsfirmen um ihre Profite bangen oder Politiker in GB oder Frankreich von der Pflege der Ruinen der kolonialen Vergangenheit nicht lassen können – was der Kern ihrer Beziehungen bspw.  zu Saudi-Arabien ist. Hunt schreibt, mit Waffenlieferungen an Saudi-Arabien die Menschenrechtslage dort beeinflussen zu wollen. Ja, Brexit! Der würde Europa wenigstens von solchen Existenzen entlasten.“

[Hunt ist der gegenwärtige Außenminister von Brexit-GB. Der Wortlaut dieses Selbstzitats kann in Kleinigkeiten von dem an die „FAZ“ gesandten abweichen, weil ich in dem Leserbrief-Fenster noch spontan kleine Änderungen vorgenommen habe, die dann eben verlorengegangen sind.]

Selbst dieses harmlose Stückchen scheint den Zensoren bei der „FAZ“ noch so schlimm zu sein, dass sie es haben durchfallen lassen.

 

Ich möchte den einen oder anderen, oben notgedrungen sehr knapp gefassten Gedanken etwas ausführen.

Es ist keineswegs nur das militärpolitische Versagen bisheriger Bundesregierungen, die anscheinend einen Trump brauchten, damit ein paar Leuten dämmerte, dass sie sich auf die USA nicht verlassen können. Es ist auch bspw. die permanente Opposition Großbritanniens innerhalb der EU gegen alle bisherigen Versuche, die völlige militärische Abhängigkeit Europas von der Supermacht USA infrage zu stellen; es sind, so darf man vermuten, auch viele weitere Interessen und Instanzen in  Europa, die für die permanente militärische Impotenz der EU als Ganzer mit verantwortlich sind.

Was diese Versagenszusammenhänge merkwürdigerweise aber anscheinend recht gut hinbekommen, sind Waffenproduktionen und massenhafte Waffenexporte auch an die problematischsten Regimes der Welt, wie z.B. an das saudische. Da scheint die Zusammenarbeit deutscher, französischer, britischer Firmen und Dienststellen bisher ganz gut zu klappen, da geht bisher fast alles – aber die Waffensysteme der Bundeswehr selbst sind, wenn man zahlreichen Berichten glauben darf, zum großen Teil unbrauchbar, und strategische Zusammenarbeit innerhalb Europas steckt offenbar noch im Kleinkindstadium.

Ich fand es regelrecht zum K—, einen derartigen Artikel lesen zu müssen, der Alarm schlägt, nicht etwa weil Europa bis auf weiteres eine militärische Null ist und daher vor den USA und vielleicht auch anderen politisch zu kriechen hat, sondern weil das blutige, islamistisch-fundamentalistische Saudi-Arabien jetzt vielleicht ein paar Schiffe, Flugzeuge oder was auch immer nicht gleich bekommt und nun vielleicht nicht ganz so schnell vorankommt mit Eroberungszügen wie im Jemen. Gerade eben noch war Saudi-Arabien ein Hauptbeteiligter an der Verwüstung Syriens durch islamisch-fundamentalistische Mörderbanden, und die inneren Zustände sind unter Aspekten der Demokratie, des Zugangs zu Bildung und politischer Beteiligung mit die erbärmlichsten in der heutigen Welt.

Ich glaube es gerne, dass bestimmte Rüstungskapitalisten in Europa jetzt jammern, weil ihre Blutgelder vielleicht nicht mehr ganz so sicher und rasch und reichlich fließen; und ich glaube es auch gerne, dass gerade in Großbritannien und auch in Frankreich und anderswo bestimmte Politikerkreise befürchten, in ihren Kollaborationen mit dem saudischen und mit weiteren ähnlichen Regimes behindert zu werden.

Wie zahlreiche politische Vorgänge der letzten Jahrzehnte belegen, ist es in diesen Ländern weiterhin gang und gebe, mit den letzten Regimes zu kollaborieren, von Geldströmen und politischen Einflüssen zu träumen. Am Irakkrieg der USA von 1991 2003 haben sich diese Kreise eifrig und in pudelhafter Ergebenheit gegenüber den USA, gegenüber solchen Scheichtümern beteiligt, und beim zweiten Irakkrieg 2003 war GB wie gewohnt mit dabei. Allerdings zog es damals die französische Regierung zusammen mit der deutschen vernünftigerweise vor, abseits zu bleiben, und zusammen mit Russland, gegen das die Strategie der USA sich eigentlich ja richtete, diesem Krieg zu opponieren. Aber Rückfälle in koloniale Anwandlungen kommen auch unter französischen Politikern leider immer wieder vor, wenn es um den Vorderen Orient geht, in dem Frankreich noch nach dem 1. Weltkrieg zusammen mit Großbritannien die bestimmende imperiale Macht zu sein versuchte.

 

Es entspräche den europäischen Sicherheitsinteressen, dem europäischen Interesse an progressiven Entwicklungen im Vorderen Orient und nicht zuletzt den Interessen der Massen dort weit besser, wenn die EU ihre Bindungen zu Regimes wie dem saudischen lockerte. Statt solche Komplizenschaften weiter zu pflegen, sollte die EU auf Abbau der Spannungen zwischen den verschiedenen Machtcliquen dieses Raumes hinwirken. Verschiedene reaktionäre Regime dort halten sich gerade mit ständigen bewaffneten Aktionen gegeneinander und der entsprechenden intensiven Kollaboration mit den größten Feinden der arabischen Emanzipation, den USA und Israel,  noch aufrecht. Desinformierende Medien der westlichen Welt verschleiern diese Verhältnisse gerne als Konflikte, die angeblich vor allem religiös motiviert seien, wie „ zwischen Sunniten und Schiiten“.

 

Wenn den Regimes derartige militärische Spielräume eingeschränkt würden, wenn die EU viel deutlicher als bisher ihr Missfallen bekundete, könnte das bspw. auch inneren Demokratisierungstendenzen Auftrieb verschaffen. Nicht zuletzt dürfte der europäische Kapitalismus von einer Verfriedlichung des Vorderen Orients ganz andere ökonomische Chancen erwarten als  sie ihm jetzt vielleicht durch die Lappen gehen, wenn das eine oder andere Waffengeschäft baden geht.

 

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

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Northstream, der europäische Zusammenhalt und das Verhältnis zu Russland

Jetzt muss ich doch auf die Schnelle ein paar Bemerkungen zu dem Streit innerhalb der EU über die von Deutschland vorangetriebene neue Gasleitung Northstream 2  machen.

Seit langem opponieren vor allem osteuropäische Staaten, Polen und die baltischen, gegen das Projekt, und Frankreich unter Macron plädiert dafür, diese Opposition nicht abzuwerten oder links liegen zu lassen, was bei manchen deutschen politischen Arroganzlern leider der Stil ist.

Bei der osteuropäischen Opposition sind anscheinend unterschiedliche Motive im Spiel. Es gibt kommerzielle Interessen: wenn Northstream 2  z. B. an Polen vorbeigeführt wird, verliert dieses Land Transitgebühren, auf die es bisher aufgrund existierender Leitungen Anspruch hatte.

Während man auf diesem Gebiet mit Kompromisswillen wohl weiterkäme, existieren auf dem geopolitischen Kampfplatz jedoch viel ernstere Konflikte. Es geht um die Frage des gesamten künftigen Verhältnisses der EU zu Russland, und diese Frage ist wiederum eingebettet in die Überlegungen, wie die EU sich künftig gegenüber den USA und China und deren fundamentaler Auseinandersetzung um die Rolle des globalen Hegemons definiert.

Ich denke, dass die EU gut daran täte, sich mehr und mehr aus der langjährigen und hartnäckig weiter verfolgten US-Strategie auszukoppeln, die darin besteht, Russland militärisch einzukreisen und auf diesem Wege möglichst weitgehend Russlands eigene außenpolitische  Beweglichkeit zu beschränken.

Die Ukraine-Frage bspw. ist vom Bestreben der USA stark mitgeprägt, in diesem Land mehr Einfluss und vor allem militärische Stützpunkte gegen Russland zu bekommen. Die USA, das darf man wohl unterstellen, haben sich in diesem Bestreben mit den fragwürdigsten politischen Elementen der Ukraine verbündet, die schon Schaum vor den Mund bekommen, wenn jemand bloß „Russland“ sagt, und solange die Bosse in der Ukraine die gespannte Lage mit Russland als unverzichtbaren Teil ihrer eigenen  Existenzgrundlagen betrachten, um innenpolitisch sich zu behaupten, um Geld, Waffen und gute Medien im Westen zu bekommen, wird  in der Ukraine sich nichts zum Besseren wenden können.

Man muss die Annexionspolitik Russlands im Osten der Ukraine in diesem Rahmen sehen. Russland kann es sich aus Gründen der militärischen Konfrontation mit den USA nicht erlauben, dass sein südwestliches Einflussgebiet, sein militärisches Vorfeld stärker unter die Kontrolle von Kräften kommt, die mit der aggressiven Strategie der USA unter einer Decke stecken. Formalrechtlich ist die Okkupation der Krim und die Schaffung von Pufferzonen nach Westen hin durch Separatistenzonen zu verurteilen, und die Regimes, die dort etabliert wurden, unterscheiden sich wohl nicht wesentlich von Gangsterstaaten (wie es sie, nebenbei bemerkt,  weltweit unter dem Schirm der USA schon lange gegeben hat und da oder dort noch immer gibt, so z.B. Saudi-Arabien). Aber wenn in der EU, die in der Ukraine aus eigenen Interessen heraus eigentlich keine militärische Expansion betreiben will und dies auch gar nicht kann, aber gegenüber dem Expansionismus der USA die Klappe halten muss und ihn sogar teilweise unterstützt, gegen die russische Politik krakehlt wird, ohne den Balken im eigenen Auge sehen zu wollen, dann ist das bestenfalls ein widersprüchliches Gestammel ohne klare geopolitische Substanz; es schadet den europäischen Interessen statt sie zu artikulieren. Eine Verbesserung der Lage in der Ukraine ist unter diesen Umständen auch nicht am Horizont.

Polen und die baltischen Staaten haben seitens Russlands, in den Jahrhunderten des Zarismus und leider auch in den Jahrzehnten nach der russischen sozialistischen Revolution, wenig Gutes erfahren. Aus der Geschichte heraus kann man verstehen, dass dort breiteste Kreise noch immer befürchten, einmal mehr unter russischen expansionistischen Vorstößen leiden zu müssen.

Und man kann in der Tat diese Ängste auch nicht einfach abtun; zwar reicht die Kraft des heutigen Russland für dauerhafte Rückeroberungen in baltischen oder polnischen Regionen nicht aus, vor allem auch weil die ökonomische Lebenskraft und die gesellschaftliche Attraktivität des heutigen Russland nicht weit von der Null-Linie sich bewegen. Aber gelegentliche durch militärische Übermacht ermöglichte Vorstöße Russlands, z.B. aus Gründen chauvinistischer Propaganda nach innen oder geopolitischer Taktik, kann man auch heute nicht ausschließen. Derartigem muss politisch und militärisch vorgebaut werden.

Das grundsätzliche Dilemma der EU jedoch, militärisch keine genügenden eigenen Kräfte für diese eigentlich defensive Aufgabe stellen zu können und auf die USA angewiesen zu sein, kommt hier so klar wie an wenigen anderen geopolitischen Bruchlinien zutage.

Will man die eigenen östlichen Mitgliedsländer schützen, was derzeit ohne die USA nicht möglich ist,  kauft man sich unweigerlich die Fortsetzung kriminell-aggressiver US-Strategien gegenüber Russland mit ein und stärkt zumindest indirekt solche politischen Kräfte wie in der Ukraine, die sich mit der aggressiven Geopolitik der USA sogar selbst identifizieren und vom Kleinmachen Russlands unter dem Raketenschirm der USA  träumen. Solche Blödköppe gibt es übrigens auch im restlichen Europa noch einige, aber sie haben hier derzeit nichts zu sagen.

Die Lage wird noch komplizierter durch die geopolitische Variante Trumps. Dieser versucht, in der Konfrontation mit der hegemonialen Herausforderung durch China, Russland von einer engeren Verbindung mit China abzubringen, denn sollten sich diese beiden Mächte, China mit seinem ökonomischen und mit seinem wachsenden militärischen Potential, und Russland mit seinem noch immer gewaltigen militärischen Apparat und seinem riesigen Territorium, gegen die USA verbünden, dann könnten diese einpacken.

Kompliziert ist die Lage zusätzlich auch dadurch, dass mit dem partiellen Werben Trumps um Russland die Einkreisungsstrategie der USA gegenüber Russland keineswegs beendet ist, sondern natürlicherweise als Druckmittel aufrechterhalten wird. Auch besteht zumindest theoretisch eine Möglichkeit, dass die USA und Russland zu größeren Kompromissen auf Kosten Europas ihre Zuflucht nehmen. Beide sind absolut keine Freunde des europäischen Zusammenschlusses, weil der die geopolitischen Ambitionen beider erheblich einschränken wird, wenn er denn erfolgreich konsolidiert werden kann. Dass die USA Russland insgeheim schon einmal entgegenkommen könnten, wenn dieses durch offene oder verstecktere Aggressionen auf europäische Kosten vorgehen und der EU ihre Unfähigkeit im Existenzkampf  demonstrieren würde, ist zumindest nicht undenkbar.

Es muss unter diesen verwickelten – und hier nur laienhaft und verkürzt dargestellten – Umständen, in dieser Lage mit vielen Hintertüren und Unsicherheiten ein elementares Interesse der EU als ganzer sein, ihrerseits Russland mit einem hohen Maß an Partnerschaft zu begegnen und jede Chance zu nutzen, den russischen Machthabern klarzumachen, dass es ihnen nur dann selbst besser geht, wenn sie sich gegenüber Europa zurückhalten. Entsprechend muss natürlich die EU Russland in pcto. Zügelung der US-Militärstrategie auf europäischem Boden glaubwürdig entgegenkommen.

Ob nun das Northstream 2 -Projekt ein passendes und unverzichtbares Instrument der Entwicklung besserer Partnerschaft mit Russland ist, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Es sollte dem Einvernehmen mit Frankreich und den meisten anderen EU-Mitgliedern, vor allem den osteuropäischen, unterworfen und nicht deutsch-egoistisch-stur auf deren Kosten durchgezogen werden.

Northstream 2  hat aber leider auf deutscher Seite, und fast nur auf deutscher (Österreich ist mit von der Partie), existentielle Verankerungen, und die liegen in der hochproblematischen deutschen Energiepolitik. Nach der Schleifung der Kernkraftwerke und der bevorstehenden Schleifung der Kohlekraftwerke ist Deutschland mit eigenen Energieressourcen nicht ausreichend ausgestattet. Zudem sind zusätzliche Gaskraftwerke zur Stabilisierung der Stromnetze unabdingbar, wenn Wind- und Solarstrom in erheblichem Umfang verwendet werden. Und statt mit Strom zu heizen wie in Frankreich üblich, wird in Deutschland zunehmend auf Gas gesetzt, die gefährlichere, teurere und umständlichere Variante. Die sog. Erneuerbaren sind noch weit davon entfernt, die Ausfälle durch Atom-und Kohle-Ausstieg wettmachen zu können – wenn man dergleichen denn überhaupt für möglich hielte. Gas aus Russland muss also in noch größerem Umfang als bisher eingeführt werden. Es ist kein Zufall, dass Schröder, der Kanzler, der zusammen mit dem Grünen Fischer (und der Deutschen Bank im Hintergrund) etc. den Atomausstieg im Jahre 2000 fundamental eingestielt hatte, jetzt als der Hauptvertreter des Gasimports aus Russland fungiert.

Welche Lösungen jetzt konkret in der internen EU-Abstimmung und mit Russland gefunden werden könnten, um die europäische Einheit weiter zu stärken und die Partnerschaft mit Russland weiterzuentwickeln, muss sich noch zeigen.

Abgesehen davon: mit Recht dürfen die europäischen Partner von Deutschland deutliche Korrekturen an dessen halsbrecherischer Energiepolitik verlangen, die ohnehin die meisten anderen Staaten mitbetrifft –  sei es, dass ihre eigenen Stromnetze mit dem deutschen mitwackeln, sei es, dass sie aus ihren Atom- und Kohlekraftwerken Strom in deutsche Netze leiten müssen, weil hier die Erneuerbaren nicht ausreichen.

 

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„Totalitärer“ IT-gestützter Daten-Kapitalismus in China und den USA – und was geschieht in Europa?

Scharfe Kritik an der Entmündigung der Bürger, wie sie in China mittels IT-gestützter Überwachung und Gängelung angestrebt und bereits praktiziert wird, und an der wesensgleichen Totalerfassung, wie sie durch die Stars des  Silicon Valley, Google, Facebook etc. angestrebt und bereits praktiziert wird. Zu finden in einem Artikel der „FAZ“ über Forderungen des Bremer IT-Unternehmers Peter Ganten.

Ganten entwirft gegenüber dem FAZ-Redakteur Carsten Knop einen europäischen anderen Weg der Digitalisierung, der den Nutzern der digitalen Dienste die Souveränität über ihre Daten sichern soll. Er deutet an, dass ein derartiges System auf die Dauer sogar zu einer – gesellschaftlich und technisch gesehen – besseren Entwicklung der KI führen könnte.

Ganten spricht von einer „chinesisch-kalifornische(n) Ethik einer automatisierten Steuerung der Menschen“  und führt den  „Lieblings-Philosoph(en)  des Silicon Valleys, Yuval Noah Harari“ an, der das Ende des Zeitalters ankündige, in dem man an so etwas wie einen freien Willen des Menschen geglaubt habe – denn jetzt  könnten die Silos Künstlicher Intelligenz in China und Kalifornien so viele Daten über jeden Menschen, sein Verhalten und seine Bedürfnisse sammeln, dass es ihren Algorithmen bald gelingen werde, die Menschen besser zu verstehen, als sie es selbst könnten.

(Das ist Schwachsinn vom Prinzip her. Einfachster Einwand – aber keineswegs der einzige: die obersten Profiteure eines derartigen Systems, bspw. die Bosse von Google etc oder die entsprechenden chinesischen Multimilliardäre denken nicht daran, sich selbst von Maschinen lenken zu lassen, die ihnen beibringen müssten, wie sie sich selbst zu verstehen und zu verhalten hätten. Sie treiben die Unterdrückung großer Teile der Menschheit doch gerade, um für ihre Personen und ihre Klasse noch mehr Freiheit sich anzueignen.)

Aus meiner Sicht ist es anzuerkennen, dass Ganten kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn er die US-Unternehmen in eine Reihe mit den – in der hierzulande heute üblichen Sprache – „totalitären“ Anstrengungen des heutigen chinesischen Staates stellt. Diese Parallele liegt auf der Hand, und seit einer Reihe von Jahren  kann man aus Büchern und anderen Medien dazu einiges erfahren. Ich habe in meinen Beiträgen zu dieser Thematik diese Parallele auch immer angesprochen.

Vielleicht ist eine weitergehende Frage an Gantens Ansichten zu knüpfen:

Wenn die Vormacht der sog. „Demokratie“, die USA, einen derart radikalen Entmündigungskurs fährt, was sagt das über Grundtendenzen des heutigen Kapitalismus aus? Immerhin sind die großen Silicon-Valley-Unternehmen (und was da noch so alles dranhängt)  die Spitze des heutigen US-Kapitalismus, und sie sind – das sagt Ganten anscheinend nicht – mit dem US-Staatsapparat, mit seinen Spionage- und Militärbürokratien eng verbunden. Die staatliche Verbindung, die im Falle China so ins Auge fällt, ist auch in den USA gegeben, wenn auch nicht in Form einer zentralistischen Alleinpartei wie in China.

Grundsätzlich stimmt es auch, dass eine weniger gängelnde, zensierende und entmündigende Gesellschaft, als sie in China und USA jetzt immer greifbarer wird, auch die lebendigere, kreativere und somit letztlich auch ökonomisch leistungsfähigere ist. Das sollte in der EU sich durchsetzen – woran angesichts der kapitalistischen Hörigkeit und mentalen Degeneration in Politik und Kultur aber auch ernste Zweifel angebracht sind. Es sollte sich auch in den USA und in China durchsetzen. Auch diese Gesellschaften sind nicht unter allen Umständen totalitär durchstrukturierbar, sondern entwickeln demokratische Kritik. Eine europäische Hochnäsigkeit ihnen gegenüber wäre nicht am Platze.

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

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