Korea, die Schiffskatastrophe der „Sewol“, die prekären Arbeitsverhältnisse und der Verfall der Arbeitsmoral

Zu der Schiffskatastrophe der „Sewol“ vor der Küste Südkoreas hat der koreanische Professor Byung-Chul Han in der Faz-Net einen lesenswerten Gastbeitrag geleistet. Er nennt die Beschäftigungsverhältnisse der Crew, sämtlich miese Zeitarbeitsverträge einschließlich des Kapitänsvertrages, und die von daher fehlende Arbeitsmoral als direkte Ursache der Katastrophe. Außerdem zeichnet er die Verhältnisse auf der „Sewol“ als typisch für die rohe Umgestaltung der ganzen Gesellschaft durch das, was er „Neoliberalismus“ nennt, aber wohl genauer als die typischste Entwicklung des heutigen Kapitalismus insgesamt gesehen werden sollte.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/unglueck-vor-suedkorea-das-schiff-sind-wir-alle-12911567.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2

 

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Was will uns das Buch „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf sagen?

 

Auf der Suche nach Futter für meine lesehungrige Tochter bin ich vor kurzem aufgrund einer Empfehlung auf das Buch „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf gestoßen. Im Gegensatz zur üblichen, sicher nicht problemlosen Praxis – sie holt sich Bücher etc. aus der Bibliothek und ich bekomme kaum mit, worum es sich handelt – habe ich in diesem Fall, wohl auch aufgrund der ausdrücklichen Empfehlung, das Buch angelesen, dann ganz gelesen, und es nicht weitergegeben. Warum?

 

Ich hatte mich in meinem letzten Beitrag auf diesem Blog mit den problematischen Wegen und Zielen staatlicher alternativer Sexualpädagogik befaßt, aufgrund einer Veröffentlichung von Birgit Kelle. Das Buch von Herrndorf scheint mir zu zeigen, daß solche eigenartigen, an der sog. Gender-Theorie orientierten Verhaltensempfehlungen auch in Gestalt von nett aufgemachter Jugendliteratur unter die Leute gebracht werden. Einige kritische Bemerkungen zu dieser Form der Propaganda müssen wohl sein.

Es handelt sich bei Herrndorfs Roman „Tschick“ um ein Produkt der alternativen homozentrierten Sexualpädagogik in Form eines „Jugendromans“.

Ich werde mich auf den sexualpädagogischen Kern der story konzentrieren und andere Aspekte vorerst weniger beachten, die vielleicht eher in das Genre Literaturkritik fallen, wie z.B. die nach Meinung mancher sog. Kenner  „authentische“ Jugendsprache in Dialogen und den erzählenden Passagen. Ob die Herrndorfsche „Jugendsprache“ den Kern dessen trifft, wie Jugendliche heute denken und reden, möchte ich allerdings bezweifeln

 

Doch nun zur Hauptsache.

 

Im Zentrum steht die Entwicklung der Freundschaft eines 14-jährigen Jungen mit Namen Maik Klingenberg, des Ich-Erzählers, zu einem etwa gleichaltrigen homosexuellen Migranten aus Russland mit dem Spitznamen Tschick.

Diese Beziehung ist in dem Geschehen des Buches die einzige mit sozusagen belastbarer menschlicher Substanz.

Alle anderen Beziehungen Maiks – es werden drei weibliche Hauptfiguren in die Erzählung eingeführt –  haben deutlich minderen Rang. Zwar verliebt er sich in zwei, die gleichaltrige Tatjana und später in ein Mädchen namens Isa, und zeichnet ein mitleidsvolles Porträt seiner alkoholabhängigen Mutter, doch sind diese Frauengestalten in sich nicht wenig problematisch und es kommt bei weitem nicht zur Entwicklung einer ähnlich verständnisvollen, der menschlichen Entwicklung des Erzählers förderlichen Beziehung wie im Falle Tschick.

In der Beziehung des Erzählers zu Tschick kommt es zwar nicht zu sexuellen Kontakten – die bahnen sich nur zwischen dem Erzähler und Isa an -, jedoch wird von Herrndorf deutlich herausgestellt, daß man sich sehr dicht an deren Rand bewegt und ein Wechsel der sexuellen Identität des Maik durchaus vorstellbar ist.

Charakteristisch sind nicht nur die ersten Avancen der Figur Tschick gegenüber dem Erzähler Maik, die sich recht drastisch des Themas eines bestimmten,  für Schwule wohl  besonders interessanten Körperteils annehmen (S. 83/84), sondern vor allem auch die Passagen, in denen Maik tiefe Sympathie für Tschick zu empfinden lernt und sich fragt, ob er nicht selbst schwul werden sollte. Zwar entscheidet er sich dagegen und fühlt sich in  Tatjana und, im weiteren, zunehmend in Isa verliebt – doch diese Mädchen bleiben trotz ihrer Anziehungskraft in mehrfacher Hinsicht in Distanz zum Ich des Erzählers und werden von Herrndorf zudem auch mit einigen deutlich negativen Zügen ausgestattet. Tatjana, die Klassenkameradin, wird von Maik zwar als schönste Frau im Universum angehimmelt, doch interessiert sie sich zunächst überhaupt nicht für ihn, und erst am Ende der Geschichte, als er nach den Eskapaden des Sommers mit Tschick sozusagen als Sensationsfigur in die Klasse zurückkehrt, beginnt sie Interesse zu zeigen; da ist es aber auch schon zu spät. Ansonsten erfährt man nichts über sie.

Isa betrachtet den Erzähler und seinen Freund Tschick vor allem unter eigensüchtigen Aspekten. Es handelt sich bei der Figur der Isa um eine abseitige Konstruktion des W. Herrndorf, montiert aus mehreren literarischen Motiven Anderer. Sie lebt zunächst auf einer Müllhalde, wo sie von den beiden Jungens entdeckt wird (die Olchis lassen grüßen?)  hat immer ein Holzkästchen bei sich („Chocolat“?) , macht sich den Jungens dann beim Benzinklauen nützlich und nutzt ihrerseits dann die Jungens mit dem Auto und Geld, um von der Müllhalde wegzukommen. Da sie stinkt und Läuse hat, muß sie sich einer Reinigung und einem Haarschnitt unterziehen. Bei dieser Gelegenheit entblößt, fordert sie den Erzähler unvermittelt zum Geschlechtsverkehr auf, was diesen trotz seiner beginnenden ersten sexuellen Erregung völlig überfordert und keinen Erfolg hat.

Wenn man diese Schilderungen auf eine Formel bringen will, könnte die lauten: empfindsame Jungens-Seele vs. weiblicher Egoismus und Triebhaftigkeit. Ob aus diesem Ansatz überhaupt noch etwas werden kann, läßt das Ende des Romans offen, auch wenn er andeutet, daß diese Isa mit dem Erzähler im weiteren noch etwas haben könnte. Muß  ja wohl – sonst wäre das Ganze eine direkte und keine maskierte Schwulen-Story.

Außer den beiden Mädchenfiguren spielt, wie bereits erwähnt, auch die Mutter von Maik eine größere weibliche Rolle in Herrndorfs Konstrukt. Sie ist alkoholabhängig, von ihrem Mann verlassen und befindet sich dabei eine Verlorene zu werden. Schließlich taucht noch eine weitere weibliche Ambivalenz-Figur auf, eine Frau, die die Jungens bei ihrem finalen Unfall mit dem geklauten Auto zwar rettet, aber  aufgrund ihrer äußeren Erscheinung („Flusspferd“) und ihrer Ungeschicklichkeit – sie läßt Tschick einen Feuerlöscher aufs  Bein fallen, sodaß der ins Krankenhaus muß – auch nicht gerade darauf angelegt ist, Leser-Sympathien zu erwecken.

Unterschwellig frauenfeindlich, in einer verallgemeinernden Art, läßt Herrndorf den Maik über das Problem des Alterns reflektieren (S. 117/118). Das Altern verwandele auch die schönsten Frauen, so die Reflexion, unausweichlich in „beige [gemeint ist die Farbe] Renterinnen“, „Alle hatten sie die gleiche graue Haut und fette Nasen und Ohren, und das deprimierte mich so, daß mir fast schlecht wurde.“ Hier wird das weibliche Geschlecht lediglich unter dem Aspekt jugendlicher Schönheit betrachtet, die zwangsläufig irgendwann sich in abstoßende Häßlichkeit verwandele. Ausdrücklich bezieht sich diese völlig einseitige und willkürliche Reflexion lediglich auf Frauen, etwaige entsprechende Gedanken bezüglich alternder Männer finden bezeichnenderweise sich nicht.

Einen gewissen Höhepunkt konstruiert Herrndorf im Sinne seines  Postulats der homosexualisierenden Verwirrung der personellen Identitäten (s. meinen o.a. Beitrag) in der – oberflächlich betrachtet als skurril aufgezogenen – Begegnung mit dem vereinsamten Rentner Horst Fricke. Gehalt und Absicht dieser Passage erschließen sich voll nur unter Heranziehung von historischem Hintergrund, den Herrndorf in der Nennung des Namens Ernst Röhm kryptisch anklingen läßt.

In dieser Szene, in der Fricke über seine Jugend spricht, verwirrt Herrndorf absichtlich alles, nicht nur personelle sexuelle Identitäten, sondern auch politische. Fricke zusammen mit seiner Jugendliebe Else waren demnach „Ultrakommunisten“ – und Mitglieder der „Widerstandsgruppe Ernst Röhm“. Wie sollte das zusammengehen? Röhm war unter Hitler der Chef der sog. SA, einer Nazi-Massenorganisation, die vor allem für den Terror der Nazis gegen die Kommunisten, aber auch andere politische Unliebsame eingesetzt wurde. Wie soll sich ein heutiger Leser, der normalerweise diese Informationen nicht hat, auf diese abseitige Herrndorfsche Gleichsetzung einen Reim machen? Ist das die staatsoffizielle Doktrin der Bundesrepublik Deutschland, derzufolge Nazitum und „Linksradikalismus“ wesensverwandt seien? Bei Herrndorf sind sie sogar ein und dasselbe, oder wie soll man das verstehen? Herrndorf läßt den Fricke im weiteren sich damit brüsten, als Mitglied eines deutschen Strafbataillons im 2. Weltkrieg massenhaft „Iwans“, russische Soldaten, abgeschossen zu haben. Die Frage Maiks, wie das zusammen habe gehen können mit Frickes Kommunistentum, wenn doch „die Russen nicht auch so ´ne Art Kommunisten“ gewesen seien, bleibt unbeantwortet.

 

Was ist der Zweck dieses fortgesetzten Gefasels? Soll suggeriert werden, daß man in solchen immer noch ziemlich heißen Fragen der jüngeren deutschen Geschichte sowieso niemals durchblicken könne, weil es keine politische Identitäten gebe?

 

Die Frage der Homosexualität spielt zu allem Überfluß, in Wirklichkeit auch ganz gezielt noch massiv in diese Abstrusitäten herein. Nicht nur, daß Fricke ein altes Foto seiner Jugendliebe Else präsentiert, „ein scharfgeschnittenes Gesicht, von dem ich auf den ersten Blick nicht hätte sagen können, ob es Junge oder Mädchen war“, meint Maik. Der – von Herrndorf nicht ausgesprochene – eigentliche Clou der Nennung des Namens Ernst Röhm liegt darin, daß dieser, einer der wichtigsten Naziführer, ein öffentlich als solcher bekannter Homosexueller war, als solcher übrigens Mitglied der sog. „Liga für Menschenrechte“ des Magnus Hirschfeld  (Hirschfeld war ein Berliner Propagandist der Homosexualiät in der Zeit vor und nach dem Ersten Weltkrieg, wird heute von der sog. Schwulenbewegung wie eine Art Johannes der Täufer verehrt und insbesondere bei ihren linksgetönten Aktivisten als einer der Ihren hochgehalten). Röhms Neigungen waren, so lange er Hitler politisch dienlich war, für diesen und die  Nazipartei kein Thema; als Röhm jedoch sich nach der Machtergreifung der Nazis 1933 zum gefährlichen politischen Störfaktor der Hitlerschen Linie entwickelte, wurden er und eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern seiner Richtung im Sommer 1934 in einer „Nacht der langen Messer“, einer innerparteilichen Strafaktion, von anderen Nazis auf Befehl Hitlers physisch erledigt, und zwar unter dem nunmehrigen Vorwurf, Röhm sei Homo. Andere Typen seiner Richtung blieben ungeschoren in der Partei. Die Wirrnis der Herrndorfschen Ideenwelt – und der historischen Verhältnisse, auf die er anspielt – geht also noch tiefer als er selbst ausdrücklich ausführt.

Ergänzung – 29.06.2014: eine politische Analyse der für die weitere Entwicklung des Nazi-Regimes wichtigen Liquidierung von Röhm und anderen SA-Führern, sowie weiteren politischen Persönlichkeiten, findet sich hier.

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Ohne noch weiter in Details des Buches gehen zu wollen, möchte ich hier zusammenfassend sagen, daß es ein billiges Machwerk ist, das unter Nutzung literarisch-filmischer Modelle aus den Genres Jugend-Entwicklungsroman und road-movie eine ganz bestimmte sexualpädagogische Botschaft rüberbringen soll. Sie entspricht nicht nur dem persönlichen Verhalten des – inzwischen aus dem Leben geschiedenen – Autors, sondern vor allem auch der staatsoffiziellen Gender-Pädagogik, die sich die Verwirrung der personell-sexuellen Identitäten und die Heranziehung verunsicherter Individuen zum Ziel gesetzt hat, die sich den modernen Herrschaftsverhältnissen besser einpassen sollen.

 

Daß ein solches Produkt hymnische Kritiken von Alternativblättchen wie der „Süddeutschen“ oder der „Zeit“ sowie alle möglichen offiziösen Literaturpreise wie  bestellt sich abholen können mußte, braucht ja wohl nicht weiter erklärt zu werden.

 

 

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

 

 

 

 

 

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Riesige Massendemonstration in Madrid

Ralf Streck berichtet aus Madrid über eine der größten Massendemonstrationen gegen die Verarmung durch die sog. Krisen-Bewältigungs-Politik

http://www.heise.de/tp/news/Spanien-Eine-Million-Demonstranten-wollen-Schulden-nicht-zurueckzahlen-2152652.html

In deutschen Medien wurde die Demonstration kaum erwähnt bzw. nur von geringen Zahlen bzw. von irgendwelchen – marginalen – Scharmützeln mit der Polizei gesprochen.

 

 

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Problematische Wege und Ziele staatlicher alternativer Sexualpädagogik

In einem ausführlichen Artikel von Birgit Kelle „ ‚Puff für alle’ als pädagogisches Stilmittel“ werden verschiedene Vorstöße aus Ministerien und Verlagen aufs Korn genommen, die schulische Sexualaufklärung in höchst problematische Gewässer zu lenken.

http://www.freiewelt.net/puff-fur-alle-als-padagogisches-stilmittel-10027903/

Kelles Beitrag ist durchaus lesenswert zur Kenntnisnahme, was mittlerweile im Zeichen der staatlichen Gender-Politik so alles abgeht.

Beispielhaft führt Kelle aus einem Werk „Sexualpädagogik der Vielfalt“ des „renommierten“ Juventa-Beltz-Verlages einige Stichworte an:

„Vervielfältigung von Sexualitäten, Identitäten und Körpern (!)“, aber auch die „Verwirrung“ und „Veruneindeutigung“ der Jugendlichen. Ziel könne auch im „Verstören, im Aufzeigen verschiedener Identitätsmöglichkeiten und im Schaffen neuer Erlebnisräume“ liegen.

Solche Kategorien eines pädagogischen Buches, das offenbar von bestimmten Kreisen als „Standardwerk“ der künftigen deutschen Schule empfohlen wird, geben dem kritischen Kommentator reichlich Ansatzpunkte – danke an Kelle für diese Zitate.

Die Grundthese der sog. Gender-Lehre besagt in etwa, daß die biologischen sexuellen Gegebenheiten nicht mehr als eine Art von Spielmaterial der konkreten Praxis der Menschen bildeten bzw. bilden dürften. Der sexuelle Umgang mit anderen Menschen, die sexuelle Identität der Individuen würden von anderen Faktoren geleitet als von der biologischen Mann-Frau-Gegebenheit und müßten grundsätzlich beliebig wähl- und austauschbar werden.

Aus einer solchen Grundthese leitet sich u.a. das Postulat ab, daß Beziehungen zwischen Personen gleichen Geschlechts die gleiche gesellschaftliche Wertschätzung erfahren müßten wie die zwischen den Geschlechtern; mehr noch: da die „traditionelle“, dem unkritisch übernommenen Brauch der Altvorderen folgende „Heterosexualität“ etwas Muffiges, im Grunde schon fast etwas Widernatürliches darstelle, müsse von der staatlichen Erziehung umso mehr die Einübung der Individuen in die Homosexualität gefordert und gefördert werden. (Anm. unten zur „Transsexualität“)

Genau genommen ist es derzeit vor allem die rot-grüne Staatlichkeit auf solchen Pfaden aktiv, aber CDU und CSU befinden sich offenbar ihrerseits auf dem Weg der Transformation in die –  wie soll man es sagen ? – Anbetung der Gender-Ideologie, der Homo- und der sog. Transsexualität.

Kelle macht es sich etwas leicht, wenn sie diesen Komplex als „Unsinn“ qualifiziert. Natürlich sind es derartige Ausdrücke, die sich aufdrängen, wenn man sich das Treiben näher ansehen muß, aber man verstellt sich damit leider auch die tiefergehende politische Analyse. Es ist nämlich kein Unsinn, sondern Methode, und diese Methode wurzelt in den Grundwidersprüchen dieser Gesellschaft, in bestimmten Interessen der Herrschenden.

Um an einem Beispiel zu verdeutlichen, was ich damit meine, möchte ich auf eine Diskussion zurückkommen, die die „Gruppe Neue Einheit“ in den Jahren 1998 ff. zur Frage der Homosexualität im Internet (vor allem in einigen der damals üblichen „newsgroups“) geführt hat. (Ich habe der Gruppe Neue Einheit angehört und in dieser Diskussion, die der damalige Leiter der Gruppe, Hartmut Dicke – Pseudonym Klaus Sender –  eröffnet und inhaltlich auch weitgehend gefüllt hat, auch einige Beiträge verfaßt.) Wir haben uns damals an den Plänen der enstehenden Regierungskoalition SPD-Grüne (Schröder-Fischer) zur Aufwertung und rechtlichen Gleichstellung der Homosexualität gestoßen und mit ein paar kritischen Bemerkungen zu diesem Punkt (den wir zunächst bloß als einen Nebenpunkt der Programmatik dieser Koalition sahen) eine umfangreiche internationale Debatte ausgelöst. Vor allem wurden wir von Organisationen und Personen, die sich ihrerseits als „links“ verstanden, und nicht wenige davon aus dem englischsprachigen Raum, erbittert attackiert. Die Diskussion ging dann durchaus ins Grundsätzliche und hat eine Menge Einsichten geliefert.

Eine der – wahrscheinlich ungewollt – tiefgründigsten Äußerungen aus dem Kreis unserer Gegner und Befürworter der sog. Gleichwertigkeit der Homosexualität lautete: die Homosexualität sei doch diejenige Form der Sexualität, die der Existenzweise der „atomisierten Individuen“ unter dem gegenwärtigen Kapitalismus (der Autor schrieb aus London oder New York, wenn ich mich recht erinnere) entspreche, was wollten wir eigentlich mit unserer Opposition gegen ihre Aufwertung.

Ausgehend von einer solchen Zuordnung – verfaßt NB von einem Befürworter der Aufwertung der Homosexualität –  möchte ich heute noch einige weitere Bemerkungen machen.

 

Das heutige Gesellschaftssystem ist ein schon seit mindestens 100 Jahren in tiefsten inneren Widersprüchen verhakter Kapitalismus ( 2014 – 100 Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs, der diese Widersprüche erstmals in einer allumfassenden brutalen Form zum Ausbruch gebracht hat), ein Kapitalismus unter der heutigen Dominanz des Finanzkapitals im Bündnis und Wechselwirkung mit korrupten und undemokratischen politischen Führungsstrukturen der verschiedenen Länder und internationalen Organisationen. Das Bedürfnis der herrschenden Strukturen nach Funktionalisierung und Kontrolle des Bürgers hat längst neue „totalitäre“ Formen angenommen. Die Gestapo der Nazis, die Stasi etc.sind im Vergleich mit heutigen Überwachungspraktiken wie NSA, Verfassungsschutz etc. unbedarfte Vorläufer; was die Medien in einem Land wie Deutschland heute an Meinungs-Manipulation leisten (die Genderisierung ist da nur eines von mehreren Themen….), stellt sich den Geheimdiensten durchaus als geschickte Ergänzung  – vorgespielte Demokratie – und Parallele zur Seite.

Der Bürger, der sich in seiner Rolle als Angestellter irgendwelcher Finanz- oder Regierungs-Institutionen rückgratlos den oft wenig schönen bzw. direkt kriminellen Machenschaften seine Arbeitgeber einfügt und seine Person in viel tiefergehender Weise verkauft als der frühere Proletarier seine Arbeitskraft, ist das Menschenideal dieser Kreise, ist der „neue Mensch“, der offenbar in der Züchtung ist, wenn es nach ihnen geht.

(s.a. meinen Beitrag v. Dez. 2013 „Die Große Koalition und die ‚Sozialdemokratisierung‘  der CDU“)

Ich möchte hier die These aufstellen, daß die Fragen der sexuellen Kultur in der Funktionalisierungpolitik der herrschenden Kreise eine große Rolle spielen. Solche Ausdrücke wie „Verwirrung“, die es in der sexuellen Orientierung von Jugendlichen zu schaffen gelte, sollte man ernst nehmen, und zwar vor allem hinsichtlich der politischen  Absichten dahinter (den Absichten der Herrschenden, nicht bloß irgendwelcher Homo- oder Transsexualitäts-Aktivisten).

Es geht hier nicht um die Ermunterung zu erotischer Fantasie und Freiheit, sondern um die grundlegende Verunsicherung der persönlichen Identität. Diese Verunsicherung greift bei den Fragen der sexuellen Verhaltensweisen vor allem deswegen an, weil die personelle sexuelle Entwicklung mit im Kern der persönlichen Identitätsfindung insgesamt steht. Menschen, die der staatlichen Sexualpädagogik a la Kretschmann und Berlin unterworfen und trainiert würden, Sexualität als unverbindliche Spielwiese, als Genußmittel, als Genderei zu praktizieren, würden nicht nur dem sensiblen Umgang mit den eigenen biologischen Gegebenheiten entfremdet, d.h. im unmittelbarsten Sinne auch denaturiert, sondern vor allem auch den sozialisierenden, kultivierenden Potentialen, die sich um das Verhältnis der Geschlechter in unserer Kultur über Jahrhunderte und Jahrtausende hinweg angesiedelt haben. Ihnen würden ganz wesentliche sozial-emotionale Dimensionen fehlen, und sie werden, so ist wohl die Kalkulation, weniger widerstandsfähig sein gegenüber den Anforderungen ihrer Arbeitgeber, sich selbst und ihr gesellschaftliches Verantwortungsgefühl zu verkaufen. Vereinfachendes Motto: Hauptsache das Gehalt kommt und ich kann mir die sexuelle Ablenkung leisten.

Der Puff als der ideale Ort der modernen Sexualität – so auch in den einschlägigen, bereits in Umlauf befindlichen, Unterrichtsmaterialien, wie Kelle zeigt – ist ein Übungsfeld einer übergreifenden menschlichen Käuflichkeit gegenüber Kapital und Regierung.

Wie Kelle ganz richtig fragt:

„Nutzt es den Kindern, dass Ihnen Sexualität als Genussmittel präsentiert wird, das jederzeit und mit jedermann ausprobiert werden kann oder soll? Zunächst hat man die Sexualität von der Fortpflanzung getrennt, inzwischen auch von der Biologie, der Moral und vor allem von der Liebe. Liebesakt? Dass ich nicht lache. Was für ein weltfremdes Wort ist es doch geworden.“

Oder wie sie an anderer Stelle feststellt:

„Und so geht es im Wesentlichen gar nicht um die Frage, ob über die Existenz von Homosexualität oder LSBTTI-Variationen geredet werden soll, das wird es schon heute und das ist auch völlig in Ordnung. Interessanter ist vielmehr, welche neue Zielrichtung und Tiefe das Thema bekommen soll und ob dies den Schülern mehr nutzt als schadet.“

—–

Ich kritisiere Publizisten wie Birgit Kelle vor allem in dem Punkt, daß sie der Frage ausweichen, was die Alternativ-Sexualpädagogik a la Kretschmann oder Berlin mit dem herrschenden Gesellschaftssystem zu tun hat, oder auch was andere Alternativprogramme wie bspw. die Energiewende mit den Grundproblemen des Überlebens des Kapitalismus zu tun haben. Kelle wie auch andere, die bspw. auf „Die Freie Welt“ gern publizieren und dort manchen interessanten Hinweis geben, sind von ihrem politischen Verständnis und ihrem politischen Ausblick her bloße Konservative. Sie können die von ihnen kritisierten Trends nicht im Kern treffen, weil sie um die Fragen, wer gesellschaftlich letztlich hinter diesen Trends steht und sie höchst eigennützig fördert, einen Bogen machen.

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Anm.  zur „Transsexualität“:

Die Krönung der Menschtums, sozusagen, in dieser Ideologie ist offenbar die sog. Transsexualität, die Existenz beider Geschlechtlichkeiten in einer Person. In grober Mißachtung der Tatsache, daß dieses Phänomen eine absolut verschwindende Minderheit der Bürger konkret betrifft (und von diesen nicht gerade als Beglückung empfunden werden dürfte), daß es 99,9% nicht besonders interessiert, wird der Bürger staatlicherseits inzwischen schon permanent ermahnt, sich diesem Phänomen zu stellen, wohl weil es ihm die eigene „Verklemmtheit“erst so richtig offenbare.

Nachbemerkung (15.05.2014):

Bezeichnend nun auch,  6 Wochen nach obiger Bemerkung, die Preiskrönung der Figur Conchita Wurst, einer Variante des  staatlichen und medialen Leitbildes der Doppelgeschlechtlichkeit beim sog. European Song Contest (ESC).

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

 

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