Harald Welzer optimiert die Idylle – Notizen zu „Alles könnte anders sein“

Bemerkungen zur Harald Welzers Buch „Alles könnte anders sein“ „Eine Gesellschaftsutopie für freie Menschen“. (S. Fischer Ffm., 2019)

Welzer erfreut den Leser mit kritischen Bemerkungen zu vielen Fehlentwicklungen und Absurditäten heutiger kapitalistischer Gesellschaften, an die er praktische Vorschläge anschließt, wie man es mit zumutbaren Portionen von Engagement für die Natur und das menschliche Zusammenleben in unserem heutigen Deutschland oder Europa besser machen könnte. Das ist wortgewandt, witzig und oft sympathisch. Er karikiert immer wieder treffend die zunehmende Unterordnung des individuellen und sozialen Lebens unter die Warenlogik des Kapitalismus, die abnehmende Fähigkeit so mancher Menschen, ihre Lebensaktivität anders als in entfremdeter Arbeit und ebenso entfremdetem Konsum irgendwelcher vom Kapitalismus angebotener individualistischer Glückshäppchen zu entwickeln.

Weniger einleuchtend, befremdlicher, ja von Grund auf durcheinandergeraten wirken Abschnitte über tiefergehende Fragen, denen Welzer nicht völlig auszuweichen sich erlaubt, z.B. zur Geschichte der Menschheit, zur Frage der Weiterentwicklung der Zivilisation, zum heutigen globalen Kapitalismus, zum Gegensatz zwischen arm und reich im Weltmaßstab, zu den internationalen Gegensätze zwischen den führenden Mächten. Welzer ist jedoch solchen Fragestellungen nicht gewachsen. Sein rascher Witz, sein praktischer Sinn reichen nicht in diese Dimensionen.

Wie behandelt Welzer bspw. die Frage arm-reich auf globaler Ebene? Er konstatiert zunächst eine „im Lauf der Menschheitsgeschichte“ verbesserte materielle Basis für „relativ immer mehr Menschen“, die es ihnen ermöglicht, „über die schiere Überlebenssicherung hinaus andere Bedürfnisse.. entstehen“ zu lassen, m.a.W. Zivilisation, Kultur, Freiheit in der aktiven Gestaltung des Zusammenlebens zu entwickeln. „Allerdings ist die schiere Not des Überlebens für viele Menschen immer noch nicht abgeschafft, in absoluter Zahl: Für etwa eine Milliarde Bewohnerinnen und Bewohner der Erde ist Lebenssicherheit  nicht gegeben. Damit wäre man bei einer minimalen Voraussetzung für das Gelingen einer nächsten Moderne: Sie muss danach streben, ein menschenwürdiges Leben für alle zu gewährleisten.“  (99/100) [i]

Man muss Welzer fraglos zustimmen, wenn er schreibt:

„Hier stehen ganz offensichtlich Bedürfnisse der einen gegen Bedürfnisse der anderen, und die Überlebensbedürfnisse der einen scheinen die Komfortbedürfnisse der anderen zu bedrohen. Das reicht schon für die Aktivierung von Gegenmenschlichkeit.“ (105)

Ich unterstelle zu Welzers Gunsten, dass er hier der Tatsache nicht ausweichen will, dass in den armen Ländern große Teile der schweren Arbeit gemacht werden, der große Schichten in den reichen Ländern ihren relativen Komfort verdanken. „Gegenmenschlichkeit“ ist sein Ausdruck für die fundamentale Inhumanität dieser kapitalistischen globalen „Ordnung“.

Im Angesicht und trotz  dieser Feststellung entlässt Welzer den Leser jedoch anschließend in ein Reich vagster Konzepte wie einer „Selbst-Deprivilegierung der reichen Länder“ (100) und einer Schaffung global durchzusetzenden Umwelt-, Eigentums- und Steuerrechts, allgemeiner noch: eines globalen „zwischenstaatlichen Gewaltmonopols“ (131), das Krieg als Mittel internationaler Politik ausschließen würde.

„..ein gutes Leben für alle im Sinne einer universellen Durchsetzung der Menschenrechte kann ohne zwischenstaatliche Gewaltregulierung gar nicht gedacht werden. Das Weiterbauen am zivilisatorischen Projekt der Moderne erfordert also eine Ausweitung der Perspektive auf das internationale Recht und insbesondere auf die Schaffung international handlungsfähiger Institutionen, die solche Recht auch durchsetzen können.“ (132)

Mit anderen Worten: Welzer hat keine Ahnung von den internationalen machtpolitischen Realitäten. Das deutet sich schon an, wenn er bestimmte existierende internationale Institutionen anführt als vermeintliche Vorstufen der in seiner Sicht anzustrebenden, viel stärkeren internationalen politischen Integration, „das Kriegsrecht, das Völkerrecht, den internationalen Strafgerichtshof in Den Haag“ (131). Diese Rechtssysteme sind, wenn man sie  als erste Bausteine internationaler Gleichberechtigung von arm und reich, von stark und schwach anführen wollte, wie Welzer das hier tut, historische Fehlschläge. Sie sind praktisch Null, wenn irgendwelche Interessen von Großmächten wie den USA mit ihnen kollidieren, fungieren aber für naive Leute in reichen Ländern anscheinend als Gewissens-Sedativa.

Wie die Entwicklung der EU zeigt (die von Welzer als Beispiel gern angeführt wird), ist die Entwicklung internationaler Rechtssysteme und ihre Durchsetzung, die Schaffung relativ starker supranationaler Regierungsmacht tatsächlich möglich – in Teilbereichen des Globus, und als Gegenwehr gegen Vergewaltigung durch Größere. Aber wie soll man sich vorstellen können, dass bspw. China und die USA in ihrem konkurrierenden Streben, sich den Reichtum der Welt für ihre Milliardärsschichten und für die Dämpfung ihrer inneren gesellschaftlichen Widersprüche zu erschließen, gegenseitig und auf Dauer der Gewalt entsagen? Dass in den Beziehungen zu armen Ländern, Lieferanten billigster Arbeitskraft und geraubter Rohstoffe, reiche kapitalistische Länder sich Schiedsverfahren (vor wem?) unterziehen, „Selbst-Deprivilegierung“ durchführen und künftig ihren Reichtum auf die armen Regionen, sagen wir z.B. Indonesien oder Afrika, umverteilen, so dass diese nach und nach gleichziehen würden?

Diese billige, abgelutschte, illusionäre Art von Internationalismus oder Weltregierung, wie sie Welzer hier einmal mehr zu offerieren sich nicht schämt, ist nichts weiter als Ausweichen, Drumherumreden. Er erkennt verbal an, dass es letztlich keine humane Gesellschaft geben kann, wenn die globale Ausbeutung der Schwächeren und die Gewalt gegen sie  weiterhin zu den Grundlagen von relativer Zivilisiertheit und Wohlstand in einigen starken Ländern  gehören, verwendet aber keinen einzigen tiefergehenden Gedanken darauf, wie man Schritte aus diesem Grunddilemma von Zivilisiertheit und Moderne heraus konzipieren könnte. (Dass außerdem die Starken untereinander rivalisieren und weiterhin die großen Kriege zwischen ihnen drohen, blendet Welzer sogar komplett aus.)

Anständig wäre die Anerkenntnis, diese Schritte noch nicht zu kennen, aber tiefer an den Problemen arbeiten zu wollen. Unanständig ist die Fantasie, irgendwie könnten schon die internationalen übergeordneten Institutionen zustande kommen, die dann die Dinge regeln und den Naturschützer oder Ehrenamtler eines reichen Landes wie Deutschland von seinem schlechten Gewissen hinsichtlich internationaler Verhältnisse befreien. Ich spreche mich wohlgemerkt keineswegs gegen Naturschutz und soziales Engagement in einem reichen Land wie Deutschland aus, wohl aber gegen die eigensüchtige Verengung des Problembewusstseins, wie sie Welzer hier selbst repräsentiert. Für Naturschutz und soziale Verbesserungen engagieren sich viele Mitbürger in der Tat auch international, bspw. in Afrika, und ich habe großen Respekt für ihren Einsatz. Das Wichtigste aber wäre, mehr politisches Bewusstsein für die realen Machtverhältnisse und Interessengegensätze auf der globalen Ebene zu entwickeln, und dafür gibt Welzer ein leider deutliches Gegenbeispiel.

Typisch übrigens für die Tendenz, bei der Erörterung der problematischen Beziehungen der reichen zu den armen Ländern die fundamentalste Frage an den Rand zu schieben, nämlich die nach den Arbeitslöhnen dort, sind solche Passagen wie die ab S. 229 über „Internalisierung“ der – kapitalistischen  – Kosten. Die Umweltschäden der globalisierten Produktion in den schwachen Ländern finden hier sehr viel Beachtung, die sozialen Schäden durch die Extremausbeutung der Arbeitskräfte kaum. Zwar darf S. 237 auch einmal die Vision angedeutet werden (in einer Studie, die Welzer nicht selbst verfasst hat), dass die „globale proletarische Reservearmee“ eines Tages nicht länger ‚missbraucht‘ werde; aber wie man dahin kommen könnte, bleibt unerörtert. (Übrigens ist der Ausdruck „Reservearmee“ theoretisch falsch. Die Proletarier Chinas und anderer Länder der früheren kolonialen Welt sind für das globale Kapital heute unersetzliche Hauptkontingente der globalen Arbeit.)

Es gibt mehrere weitere Felder, auf denen Welzer wohlmeinend daherkommende, aber unverbindliche und sozialtheoretisch bodenlose Erörterungen versucht, bspw. mit seiner Forderung einer völlig uneingeschränkten internationalen Migration oder nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE).

Zur Frage der Migration:

Die uneingeschränkte Migration setzt das Prinzip des Nationalstaats mit seinen definierten und zu verteidigenden Grenzen außer Kraft. Das gibt Welzer teilweise zu; es sei aber nix Schlimmes, denn der Nationalstaat mit seinen Grenzen sei sowieso ein geschichtlich ziemlich neues und heute bereits veraltetes Konstrukt. Hier kann man u.a. folgenden Unsinn lesen: „…Kriege beginnen in der Regel durch Grenzverletzungen, also den Angriff auf eine behauptete territoriale Integrität am Boden oder in der Luft. Sie schützen nicht, sie gefährden.“ (149) ‚Grenzen weg, dann können die meisten Kriege erst gar nicht mehr anfangen‘ – danke für diesen erleuchteten Beitrag zum Pazifismus, Herr Welzer !

Der Nationalstaat ist sicher nicht das letzte Wort in der Geschichte der menschlichen Vergesellschaftung; und dass in der jüngeren Vergangenheit so viel mehr Menschen lernen, nationalen Chauvinismus zu verachten, mit den Menschen anderer Nationalitäten, ohne Vorurteile und ohne Vorrechte zu beanspruchen, in Austausch zu treten und internationale kulturelle und politische Gemeinsamkeiten zu entwickeln, ist zweifellos ein großer historischer Fortschritt. Gleichwohl bedeutet Nationalstaat in den meisten Fällen noch immer nicht nur veraltete Barriere, sondern auch ein gewisses Maß an Demokratie, an Mitwirkungspflichten und an Garantien von Mitwirkungsrechten und sozialen Rechten für die Bürger eines Nationalstaates. Diese Charakterzüge haben sich in Europa über viele Jahrhunderte im Zusammenhang mit der Bildung von Nationalstaaten, nationalen Gesellschaften mit ihren je eigenen Prägungen und ihren Grenzen entwickelt. Wenn Welzer den Nationalstaat als verzichtbare historische Eintagsfliege porträtiert, zeugt das von historischer Unbildung und Verantwortungslosigkeit.

Welzer fordert die bedingungslose Migration und erklärt, die Migranten bräuchten nicht die Nationalität der aufnehmenden Nation anzunehmen, sondern könnten arbeiten, wo immer sie wollten, Geld in ihre Heimat überweisen und dann irgendwann wieder gehen. Faktisch fordert er damit ein massenweises Nebeneinander in der Bevölkerung von Menschen mit politischen Rechten und Pflichten und solchen ohne dieselben. Wie dergleichen ohne massive Ausbeutung der Rechtlosigkeit der Migranten bspw. durch Arbeitgeber laufen soll, wie andererseits auch vermieden werden soll, dass Massen von Menschen in Ländern zeitweilig leben, die sie nicht kennen, nicht kennen zu lernen brauchen (abgesehen von ihren direkten Arbeitsverhältnissen) und an deren Entwicklung sie keinen verantwortlichen Anteil nehmen, darauf verwendet Welzer keinen Gedanken.

„Denn mit der Teilnahme am Arbeitsmarkt sind ja nicht automatisch staatsbürgerliche Rechte und Pflichten verbunden“, vermerkt er ausdrücklich S. 204. Von hier ist es nicht mehr weit zu der radikalen neoliberalen Forderung, dass nicht nur das Kapital weltweit ungehinderte Freizügigkeit genießen, sondern auch die Arbeitskraft nach Kapitalsbedürfnissen international in großem Stil verschiebbar gemacht werden müsse.

Welzer bemerkt zurecht, dass ein erheblicher Teil der Bürger reicher Länder seinerseits das Recht fordere und praktiziere, sich ohne fundamentale politische und soziale Verpflichtungen in jedes andere Land begeben zu können, als Touristen, als Studenten; oder auch, was er nicht erwähnt, als Kapitalisten, die in anderen Ländern Geschäfte machen, Niederlassungen gründen etc. (wofür immerhin im Allgemeinen die Anerkennung der betr. nationalen Gesetze erforderlich ist). Daraus  kann man aber so etwas wie ein – vermeintliches – Spiegelbild nicht ableiten: dass eben die Menschen aus ärmeren Ländern gleichermaßen überall hin wandern können dürften. Die negativen Folgen für die politischen und sozialen Verhältnisse in den Zielländern, und zwar für diejenigen Strukturen, die die Arbeitskraft noch einigermaßen schützen und die Bildung von gleichgültigen oder sogar feindlichen Subkulturen verhindern sollen, habe ich bereits angedeutet. Die Folgen für die Länder, aus denen die Migranten kommen, bedenkt Welzer gar mit keinem Wort. Diese Länder verlieren bei uneingeschränkter internationaler Mobilität einen Großteil ihrer energischen Jugend und ihrer wenigen Fachkräfte. Das Geld aus den Rücküberweisungen kann solche Verluste nicht ersetzen, diese Länder werden in ihrer eigenen Entwicklung geschädigt und das ausbeuterische Verhältnis reich/arm wird auf diese Weise verstärkt.

Gleichwohl ist mE zu fordern, dass viele Menschen aus armen Ländern in die reichen kommen können, nicht nur umgekehrt, und nicht nur um eine Zeit lang den Arbeitsmarkt im Sinne der Kapitalisten zu verbessern, sondern auch um zu studieren, sich auszubilden, Mischehen o.ä. einzugehen und eventuell auch auf Dauer zu bleiben. Aber diese Migration muss auf Grundlage von Ausgleich der Interessen zwischen den Staaten geregelt werden. Politische und kulturelle Rechte und  Pflichten der Migranten sind zu etablieren, und mehr noch: substantielle Mitwirkung reicher Länder an der echten Entwicklung der Länder, aus denen die Migranten massenweise kommen, muss etabliert werden.

So weit nur ein paar ganz knappe Bemerkungen aus meiner Sicht zu diesem höchst schwierigen Feld.

 

Zum Bedingungslosen Grundeinkommen

Mit dem BGE begibt sich Welzer auf ein ganz glitschiges Terrain. In der Essenz fordert er einen Teilkommunismus auf der Grundlage eines globalen Kapitalismus.

Wenn allen Bürgern eines Staates aus der relativ kleine Riege reicher Länder wie Deutschland von ihrem Staat ein existenzsicherndes Grundgehalt garantiert wird ohne irgendeine Beziehung dazu, ob sie überhaupt arbeiten und ob ihre eventuelle Tätigkeit gesellschaftlichen Nutzen oder Wert besitzt, werden grundlegende Zusammenhänge zerrissen.

Bislang ist Geld eine Kategorie der Arbeitsteilung in der Warengesellschaft. Es repräsentiert, wie unvollkommen auch immer, die Fülle an Waren und Dienstleistungen etc., die in gesellschaftlicher Arbeit entstehen, und ermöglicht aufgrund der Teilnahme an dieser gesellschaftlichen Arbeit den Individuen eine gewisse Teilhabe an den Resultaten, vornehmlich in Form von Löhnen und Konsum. Dass diese Teilhabe höchst ungleich und vielfach höchst ungerecht ausfällt, wissen alle, aber es gibt noch kein praktikables Gegenmodell.

Kommunismus wurde, bspw. von Marx und Engels, vorgestellt als eine Gesellschaft, in der die Produktivkräfte viel höher als heute entwickelt sind, in der die Bürger ohne Zwang, intrinsisch motiviert, an der gesellschaftlich notwendigen Produktion mitwirken und, indem diese mit einem relativ geringen Teil der gesellschaftlichen Kreativität schon garantiert ist,  darüber hinaus große Freiräume für individuelle Entfaltung und auch die Weiterentwicklung aller haben. Hier fragt niemand mehr nach Messung des individuellen Beitrags zur gesellschaftlichen Produktion, der so etwas wie Lohn begründen würde, sondern jede/r nimmt sich aus der produzierten Fülle, was und so viel sie/er braucht.

Die heutige kapitalistische Gesellschaft beharrt insgesamt geradezu fanatisch auf der minutiösen und oft zerstörerisch kargen Zumessung von Geldlöhnen zu geleisteter Arbeit, sichtbar am direktesten an den Milliarden von Proletariern und sonstigen Besitzlosen v.a. in den armen Ländern,  erlaubt aber andererseits gewissen oberen Schichten, sich aus dem maßgeblich von diesen Massen mitgeschaffenen gesellschaftlichen Reichtum fast grenzenlos zu bedienen, ohne proportional etwas gegeben zu haben, oder sogar  ohne der Gesellschaft auch nur irgendetwas Nützliches beisteuern zu müssen. Das ist der Kommunismus der Milliardäre – oder wie soll man das nennen? Wenn jetzt mit dem BGE, in anscheinend sozial hilfreicher Absicht, eine ähnliche radikale Trennung von gesellschaftlicher Funktion und Einkommen eingeführt werden soll, allerdings  auf unterster Wohlstandsebene, dann stellt sich umso mehr die Frage, was eigentlich Geld ist, woher es kommt und was es gesellschaftlich bewirken soll.

Wenn das BGE in einigen reichen Ländern eingeführt würde, wie würde das wohl bei der großen Mehrheit der globalen Menschheit ankommen, die sich täglich krumm und krank arbeitet, um ein Minimum an Geld herauszubekommen, und mit dieser Arbeit nicht nur ihre nationalen Oberschichten, sondern das internationale (Finanz)-kapital fett machen? So fett, dass es vielleicht sogar die paar hundert Milliarden im Jahr locker machen könnte, die an diejenigen BGE-ler in den Metropolen gehen müssten, die sich nach Lust und Laune aus der gesellschaftlichen Arbeit verabschieden würden?

Damit sich einzulassen liegt Welzer anscheinend fern. Er äußert sich zwar kurz zu der Frage, wie ein Staat wie Deutschland das BGE finanzieren könnte – aus der Liquidierung der gigantischen Sozialbürokratie, die sich mit Hartz IV etc. befasst und durch das BGE überflüssig würde, meint er – , aber tiefer geht das bei ihm nicht.

 

Unabhängig von Welzers Vorstellungen kann man sagen: der Widerspruch zwischen der ständig weiter penetrierenden kapitalistischen Geldlogik einerseits (immer mehr menschliche Lebenskraft in Tätigkeiten zu kanalisieren, die für die Kapitalverwertung nützlich sind, d.h. in kapitalistische Produktion, Verwaltung des kapitalistisch produzierten Reichtums und kapitalistischen Konsum)  und der gesellschaftlichen Notwendigkeit andererseits, die Bereiche dieser Geldlogik zu reduzieren und zu zivilisieren, um mehr Freiheit für die Entwicklungen der Individuen und der Gesellschaften zu gewinnen, wird immer heftiger.

Dem würde Welzer wohl zustimmen; solche Erkenntnisse sind ja auch nicht ganz neu und nicht auf seinem Mist gewachsen. Aber wie passt seine Forderung des BGE nun theoretisch und sozialtechnisch dazu?

Schlecht, denn die Quellen der Geldmittel, die ein Staat für das flächendeckende BGE nach Welzerschem Konzept aufbringen müsste, müssten ja leider, meine ich, zunehmend noch prekärer und moralisch fragwürdiger werden. Wenn nämlich  in der dem jeweiligen Staat zugrundeliegenden Ökonomie die Steuern und Abgaben schrumpfen würden, weil immer mehr Bürger aus den geldgebundenen und geldgenerierenden Tätigkeiten ausscheren, um sich ‚Sinnvollerem‘ zu widmen, müsste dieser Staat das Geld, mit dem er diese Umorientierung finanzieren soll, woandersher zu kriegen versuchen. Ihre bisherigen Aktivitäten, die für den Staat Steuern und Abgaben generiert hatten, sind nunmehr weggefallen und der Staatshaushalt ist noch prekärer geworden. Welzer meint zwar leichthin, das Geld würde wohl frei, indem die Kosten für die bisherige Sozialbürokratie wegfielen, aber das ist keine grundsätzlich saubere und wohl auch keine praktisch tragfähige Antwort.

Wie bereits erwähnt, haben die Staaten der reichen Länder längst schon nicht mehr genug Einnahmen aus den Aktivitäten ihrer eigenen Bürger, um ihre umfangreichen Sozialhaushalte zu finanzieren, sondern sie sind längst auf eine ins Monströse gewachsene, zum großen Teil internationale Kreditaufnahme angewiesen. Anders ausgedrückt, die Sozialhaushalte der reichen Länder werden längst schon zu erheblichen Teilen finanziert aus den Massen des internationalen Finanzkapitals, die man zu erheblichen Teilen als Schweinegelder einstufen muss, aus solchen Kapitalmassen, die rings um den Globus flottieren und nicht ohne Grund zu erheblichen Teilen auf irgendwelchen Cayman-Inseln, Bermudas, Panamas, Guernseys oder der Londoner City verbucht sind. Daher wird die Frage unausweichlich: wenn ein hochverschuldeter Staat wie z.B. Deutschland seinen Bürgern ein BGE finanzieren will (bspw. etwa 60 Mio. volljährigen Bürgern jährlich 14.400 € pro Nase, insgesamt also 864.000.000.000 € oder anders ausgedrückt  864 Milliarden €), woher soll das Geld kommen wenn nicht aus einer erheblichen Ausweitung der Verschuldung?

Wenn das BGE jedoch nicht aus weiterer staatlicher Schuldenaufnahme finanziert werden darf – was Welzer bestimmt auch so sieht – , wenn andererseits der staatliche finanzielle Spielraum, der sich von A-Z aus der Geldlogik der kapitalistischen Arbeit speist, durch deren Zurückdrängen reduziert wird, sind größere Ideen gefragt als das nette Kleinklein bei W.

Vereinfacht gesagt, liefe die Idee des BGE, so wie W. sie im Zusammenhang seiner übrigen kapitalismuskritischen Vorschläge präsentiert, in der Praxis darauf hinaus, dass ein Mehr an internationaler Geldlogik erforderlich wäre, um in bestimmten Bereichen ein Weniger zu finanzieren. Anders ausgedrückt: ein bisschen Kommunismus für einen kleinen Ausschnitt der Weltgesellschaft wird finanziert durch noch mehr Kapitalismus im Gesamtsystem.

In der Tat ermöglicht die globale Ausbeutung – jedenfalls die nach dem bisherigen Schema eines einheitlichen kapitalistischen Weltsystems unter Führung einer einzigen Supermacht – bestimmten privilegierten Schichten einen derartigen finanziellen Spielraum, dass sie in ihrer persönlichen Lebensführung sich um den Zusammenhang zwischen eigener Leistung bzw. Nichtleistung und persönlichem Einkommen wenige bis gar keine Gedanken mehr machen müssten. Bestimmte Schichten können einen Quasi-Kommunismus der höheren Stufe  (jedem nach seinen Bedürfnissen) erreichen. Das BGE wäre dann eine quasi-egalitäre, quasi-berechtigte Forderung, dass auch untere Schichten von Leistungspflichten entlastet würden, jedoch wirft diese „Lösung“ erst recht die Frage auf, welche noch größeren  kapitalistischen Strukturen wir uns eigentlich erlauben wollen…..

 

Es ist wahrscheinlich sogar für die Menschheitsentwicklung günstiger, wenn das Konzept des globalisierten Kapitalismus unter US-Führung auf den Müllhaufen kommt. Sowieso lässt es sich auf keinen Fall aufrechterhalten, weil zu viele zu starke andere Kräfte damit nicht leben können und wollen, nämlich an erster Stelle China. Die Erträge der globalen Ausbeutung, deren Löwenanteile bisher klar dem westlichen Block zuflossen, werden von anderen beansprucht. Sie wollen einen Teil, in der Perspektive den Löwenanteil  für sich. Die finanziellen Spielräume des westlichen Noch-Blocks schrumpfen; hinzu kommt, dass ein erheblicher Teil derselben künftig für die Rivalität, für das Militär etc., wahrscheinlich im Weiteren für Kriege reserviert werden muss. Die Unzufriedenheit mit einer derartigen Entwicklung führt u.a. auch zu einer stärkeren Instabilität des westlichen Blocks, die EU muss sich teilweise daraus absetzen und dafür sorgen, dass sie nicht das Opfer wird. Die Sozialpolitik kommt immer mehr unter den Druck solcher internationaler Zuspitzungen und kann nicht ohne deren Berücksichtigung neu konzipiert werden.

 

So weit ein kleiner Anriss von Problemen, die unweigerlich bei der Erörterung von Konzepten wie des BGE zutage kommen; es gibt noch viel mehr.

 

Was ich hier und andernorts an Welzer kritisieren muss: dass er viel Nettes, auch gutplaziertes Satirisches hervorsprudeln kann, aber regelmäßig tiefergehenden Fragen ausweicht. Er plaudert wie ein Entertainer, der zu fast allen aktuellen Streitfragen schnell etwas Witziges oder Erbauliches sagen kann, um dann rasch das Thema zu wechseln. Seine Vorschläge laufen auf eine – sicher gut gemeinte –  Optimierung der Idylle eines reichen Landes hinaus, in der niemand so recht die Fragen aufkommen lassen will, auf welcher tief zerrissenen und katastrophenträchtigen globalen Wirklichkeit die derzeitige eigene Wohlhäbigkeit balanciert. Das analytische Niveau Welzers ist dramatisch unzureichend für die Zukunft.

 

[i] Die Zahl „ eine Milliarde“ ist mE zu niedrig. Ihr entsprechend müsste man unterstellen, dass die übrigen ca. 6.5 Mrd. Menschen auf der Erde bereits „Lebenssicherheit“ erreicht hätten. Aber selbst in den reichen Ländern gibt es relevante Anteile an der Bevölkerung, für die der Ausdruck ziemlich unpassend wäre, und mit dem Blick auf Länder wie Indien, die nach offizieller Statistik nicht zu den ganz armen zählen, muss man leider feststellen, dass „Lebenssicherheit“ bestimmt für die Mehrheit nicht gegeben ist. Dort ist die Mehrheit ja nicht einmal richtig ernährt!  „Lebenssicherheit“ ist selbst für erhebliche Teile der reicheren Bevölkerungsschichten in reichen Ländern keine passende Kategorie, weil auch deren derzeitige relative Absicherung größeren ökonomischen Krisen oder gar Kriegen, in die auch diese Länder verwickelt werden können, nicht Stand halten wird.

 


 

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

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Die „Seawatch3“, Salvini und die Herren Habeck, Maas und Bedford-Strohm

Die Äußerungen von Habeck (Grüne), Bedford-Strohm (Evangelische Kirche Deutschlands) und Maas (SPD, derzeit Außenminister Deutschlands) zu dem Vorgehen der Regierung Italiens gegen die Kapitänin des deutschen Schiffs „SeaWatch3“, Rackete, zeigen ein wirklich schon gefährliches Maß an politischer Verantwortungslosigkeit, Selbstherrlichkeit und Realitätsverlust.

Es sind hier eine Menge großer Probleme im Spiel, über die man unterschiedliche Meinungen haben kann und an die man auf unterschiedliche Weise praktisch herangehen kann.

Das Elend Afrikas, die Pflicht der europäischen Staaten und Bürger, zur Linderung und zur grundsätzlichen besseren Entwicklung des Kontinents beizutragen, ist jedenfalls ein Punkt. Die Methode des Einschleppens durch eine weitverzweigte Schleuserbranche, die nur deswegen so unverschämt agieren kann, weil sie im Mittelmeer mit Organisationen und deren Hilfsschiffen kooperieren kann, die Humanität im Schilde führen, deren  politische Orientierungen jedoch, gelinde gesagt, undurchsichtig sind, ist ein anderer höchst problematischer Punkt. Damit wird kein Aspekt der Afrika-Problematik positiv beeinflusst.

Europa muss Enormes leisten und wird sich in Zukunft noch ganz anders anstrengen müssen, um einen Teil des Flüchtlingselends zu lindern. Dies kann nicht dadurch geschehen, dass es die Kontrolle seiner Grenzen fahrlässig behandelt. Im Gegenteil: die europäischen Bevölkerungen haben ein Recht zu wissen, wer kommt, und zu entscheiden, wen sie aufnehmen und wen nicht. Dieses Prinzip muss in  Zukunft mit der erforderlichen Strenge etabliert und durchgesetzt werden. Die Merkelsche Aktion von 2015 muss ein Ausnahmefall bleiben. Sie hatte einige massive Gründe für sich (s. meine Bemerkungen vom 25.10. 2015 und 19.01.2016), hat aber auch die politischen Maßstäbe schwer erschüttert.

Ein dritter ganz aktueller Punkt ist die Frage des europäischen Zusammenhalts. Man kann zu Salvini und überhaupt zum italienischen politischen System sehr unterschiedliche Meinungen haben. Es steht allen Bürgern Europas zu, die Handlungen auch der Regierungen anderer europäischer Länder zu bewerten und zu kritisieren. Im Falle Italiens muss man jedenfalls berücksichtigen, dass das Land schon seit einer Reihe von Jahren eine enorme  Migration vor allem aus Afrika zugelassen hat und irgendwie auch bewältigt, und dabei von anderen europäischen Staaten und der EU bisher anscheinend sehr wenig Unterstützung erfährt. Ferner ist Italien natürlich ebenso wie jeder andere Staat berechtigt und verpflichtet, die Einwanderung künftig besser zu steuern, zu kontrollieren und auch ein wesentlich strengeres Grenzregime zu etablieren als bisher. Wenn die Herrschaften Habeck, Bedford-Strohm und Maas diese elementaren nationalen Rechte, die jeder europäische Staat selbstverständlich hat, dermaßen arrogant bestreiten wie das jetzt offenbar geschieht, sind sie gefährliche Brandstifter im europäischen Haus. Die Stärkung des europäischen Zusammenhalts, und zwar unter deutlicher Anerkennung der nationalen Besonderheiten und Rechte der Mitgliedsstaaten, ist derzeit von zentraler Bedeutung. Wer das nicht versteht und dem entgegen handelt, gefährdet die Zukunft des Kontinents. Seine prinzipielle Eignung für wichtige öffentliche Ämter ist mit Fragezeichen zu versehen.

Etwas Grundsätzliches, ganz knapp angerissen:

Die Fragen der Migration aus den Elendszonen des Globus in die ökonomisch noch einigermaßen leistungsfähigen und teilweise immerhin noch zivilisierten Länder sind verwurzelt in der Kolonialgeschichte und in der heutigen neokolonialen Ausbeutung großer Teile der Welt durch die reichen und starken kapitalistischen Länder. Deren – partieller – Wohlstand beruht zu erheblichen Teilen auf der langen Geschichte der Ausbeutung der Kolonien und auf der heutigen globalen Ausbeutung von Mensch und Natur in den großen zurückgebliebenen Teilen der Welt. Er beruht allerdings nicht nur darauf, sondern eben auch darauf, was diese Nationen in vielen Jahrhunderten aus eigener Kraft entwickelt und erkämpft haben. Es ist auf der anderen Seite jedoch auch ein gutes und berechtigtes Gefühl unter Bürgern unseres Landes wie auch anderer europäischer Länder, dass wir ‚etwas gut zu machen haben‘ an den Armen und Entwurzelten, bspw. Afrikas. Dass dies geschehen könne, indem einfach jeder hier hereinkann, der will, ist Schwachsinn. Es gibt auch eine Pflicht der Bürger entwickelter Länder, das Niveau ihrer Zivilisation und Kultur wertzuschätzen, zu verteidigen und weiterzuentwickeln. Auch hier liegt eine Kampffront gegenüber dem globalen Kapitalismus. Die Anteilnahme und praktische Unterstützung bspw. für die migrantischen Opfer dieses globalen Kapitalismus kann nicht verabsolutiert werden, vielmehr sind hier verschiedene Kräftefelder im Spiel.

 

 

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Die Rolle der CDU/CSU bei der Destruktion der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland seit 1979

Vorbemerkung:

Dieser Beitrag war im Jan. 2007 in der Zeitschrift Neue Einheit unter meinem Namen (Walter Grobe) erschienen, ein Teil davon bereits zuvor als Internet-Statement 2006-53 auf der Webseite des Verlags Neue Einheit (dort ist er auch noch abrufbar). Ich gehörte damals noch zu den Redakteuren der Zeitschrift und der Webseite. Da ich den Beitrag seinerzeit weitestgehend eigenverantwortlich erstellt habe, fühle ich mich berechtigt, ihn heute auf meiner eigenen homepage erneut zu veröffentlichen, als Ergänzung zu meinem Beitrag v. 10.6.2019 „Eine kurze Geschichte der Zerstörung der CDU“. Er dokumentiert sehr detailliert die damaligen Vorgänge unter besonderer Beleuchtung der damaligen Beiträge dieser Partei zur Grundlegung des später vollzogenen Ausstiegs aus der Kernenergie.

Hier der Text von 2007:

 Die Rolle der CDU/CSU bei der
Destruktion der Kernenergie in der
Bundesrepublik Deutschland seit 1979

14 Monate der Regierungskoalition der CDU/CSU mit der SPD unter Angela Merkel waren 14 Monate verbohrter Verteidigung des sog. Kernenergie-Ausstiegs durch die Regierungschefin selbst. Kaum anders verhält sich fast die gesamte übrige Führungsschicht dieser Parteien. Die Förderung sog. erneuerbarer Energien ist auch bei ihnen zum Credo geworden und bläht Steuern und Energiepreise weiter auf. Bürokratie und parasitäre Bereicherung an Ökomodellen wuchern noch mehr als zuvor, während die Energieversorgung von innen wie außen unsicherer wird.

 

In diesem Zusammenhang ist es vielleicht nützlich, sich die destruktiven Seiten der Rolle der CDU/CSU in der Geschichte der Kernenergie in der Bundesrepublik seit etwa 1979 zusammenfassend zu vergegenwärtigen. Nicht nur die Grünen und etwas später die SPD mit ihren Forderungen nach völligem Ende der Kernenergie spielen eine destruktive Rolle gegen die Kernenergie in der Bundesrepublik, sondern die CDU/CSU hat auf diesem Gebiet durchaus ein eigenes Konto. Als Blockierer der Wiederaufarbeitungsanlage 1979, als Brechstange gegen Hanauer Betriebe 1988, die mit der Produktion nuklearer Brennelemente für die Kernenergie in der Bundesrepublik zentrale Bedeutung hatten, und schließlich als die Aussteller der Totenscheine von Schnellem Brüter, Wiederaufarbeitungsanlage und Hochtemperatur-Reaktor während der Jahre 89-91 hat die CDU/CSU durchaus in eigener Verantwortung gehandelt, während sie gleichzeitig immer weiter nach außen behauptete, sie verteidige grundsätzlich die Kernenergie, und sich dahinter zurückzog, einzelne Repräsentanten seien verantwortlich gewesen, die Partei habe taktieren müssen etc. Die Tatsache, daß sie in der Lage der Jahre 2005/6, wo sie dieses Versprechen einzulösen und damit eine wesentliche Entscheidung zugunsten der Arbeitsplätze und der ökonomischen Substanz des Landes zu treffen hätte, prompt das grüne Bekenntnis abgibt, kommt daher als die Offenbarung von Kräften, die substantiell in diesen Parteien wirksam sind.

 

Zwei Rückblicke:

 

  1. Das Jahr 1979: die niedersächsische Landesregierung des Ernst Albrecht blockiert die nukleare Wiederaufarbeitung

 

Bereits im Jahre 1979 fiel in der Bundesrepublik eine Grundsatzentscheidung gegen die Weiterentwicklung der Kernenergie: die niedersächsische Landesregierung unter Ernst Albrecht, eine Alleinregierung der CDU, blockierte die Errichtung der Wiederaufarbeitungsanlage, die damals in Gorleben als Kern eines ganzen Nuklearen Entsorgungszentrums geplant war. Es war gerade 2 Jahre her, daß die niedersächsische Landesregierung, damals bereits unter Ernst Albrecht, den Standort in Niedersachsen angeboten und damit die zentrale Entscheidungskompetenz an sich gezogen hatte, die sie nun in dieser unerwarteten Weise gebrauchte. Daß zuvor Ernst Albrecht 1976 überhaupt Regierungschef in Niedersachsen geworden war, ist ein bis heute etwas rätselhafter Vorgang.[1]

 

Wie bereits damals von uns ausführlich analysiert, handelte es sich bei der Absage der niedersächsischen Landesregierung an die WAA nicht um ein Zurückweichen vor den Protesten derjenigen Teile der Bevölkerung, die durch die Anti-Kernenergie-Kampagne und speziell durch die damalige, im direkten Zusammenhang mit der Frage der WAA in Deutschland aufgepeitschte „Harrisburg“-Hysterie beunruhigt waren, sondern um das Entgegenkommen gegenüber den USA und in gewisser Weise gegenüber dem damaligen gemeinsamen Druck der USA und der Sowjetunion. (Siehe „Albrechts Blockade der Wiederaufbereitungsanlage“ in Neue Einheit, Zusammenfassende Nummer 1979)

 

Die USA hatten nie ein Hehl daraus gemacht, daß sie die WAA in der Bundesrepublik sowie den Export dieser Technologie – es bestand bereits ein Abkommen mit Brasilien – zu Fall bringen wollten und traten gerade im Frühjahr 1979 entsprechend hart auf. Demonstrationen allein hingegen konnten kein Grund für die berühmtgewordene Erklärung Ernst Albrecht sein, die WAA sei technisch machbar, aber politisch nicht durchsetzbar, denn Demonstrationen waren für Regierungen in der Bundesrepublik noch nie ein Grund gewesen und waren es auch später nicht, auf entscheidende Pläne zu verzichten. Demonstrationen verhinderten weder die AKWs Brokdorf noch Grohnde. Auch die Entscheidung, mit der die baden-.württembergische Justiz seinerzeit Whyl gestoppt hatte, war nicht aus den Protesten zu erklären gewesen, sondern aus politisch-strategischen Auseinandersetzungen innerhalb der Bourgeoisie. Die Demonstrationen gegen die sog. NATO-Nachrüstung erreichten in den Jahren 1981- 82 Teilnehmerzahlen bis zu 400.000 und blieben erfolglos. Zudem ging es im Fall der WAA um mehr als die Errichtung eines einzelnen Kernkraftwerks, es ging um die Grundlagen für das gesamte System der nuklearen Stromerzeugung in der Bundesrepublik. Wenn man im Fall von Brokdorf sich unnachgiebig zeigen und das Projekt trotz der militanten Proteste verwirklichen konnte, hätte die Regierung im Falle der ungleich bedeutenderen WAA erst recht sich durchsetzen können. Es mußten also interne Hindernisse in den führenden Kreisen die ausschlaggebende Rolle spielen.

 

Wenn man sich die damalige niedersächsische Landesregierung im Rückblick einmal näher anschaut, werden Grundbedingungen dieser Entscheidung umso klarer. Das damalige Albrechtsche Kabinett war schon etwas Besonderes. Verschiedene Minister, Eduard Pestel (Minister für Wissenschaft und Kunst), Walther Leisler Kiep (Finanzminister), Birgit Breuel  (Ministerin für Wirtschaft und Verkehr) wie auch andere zeigten schon damals wie auch in der weiteren Entwicklung, daß sie mehr waren, als es Mitglieder einer bundesdeutschen Landesregierung zu sein pflegen, und ganz dezidiert, sogar in extremer Weise, für bestimmte fragwürdige Grundtendenzen der gesamten internationalen Politik des Kapitalismus, gerade auch gegenüber Deutschland standen.

 

Eduard Pestel:

Eduard Pestel, ein Professor für Maschinenbau, war bereits seit 1969 Mitglied des Exekutivkomitees des Club of Rome, der 1968 gegründet worden war, und zeichnete auch als einer der Hauptherausgeber der Club-of-Rome-Publikation „Mankind at the Turning Point“ („Menschheit am Wendepunkt“) von 1974. Der Anfang von Pestels politischer Laufbahn liegt in der NATO, deren Wissenschaftsausschuß er als deutscher Delegierter von 1966 an angehörte. In den 70er Jahren war Eduard Pestel Vizepräsident der deutschen Forschungsgemeinschaft und Mitglied im Kuratorium der Stiftung Volkswagenwerk, die bekanntlich immer wieder grundsätzlich auf die politische und soziale  Entwicklung Deutschlands massiv einzuwirken versucht hat.

 

Was bedeutete die Mitgliedschaft in der Führung des Club of Rome?

 

Gründung und spektakuläre öffentliche In-Szene-Setzung des Club of Rome ab 1968 fallen in die Jahre direkter revolutionärer Aufwallungen in mehreren Gebieten der Welt, insbesondere auch der Bundesrepublik und anderen Teilen Westeuropas. Parallel dazu erreichten die Kämpfe vieler Länder der ehemals kolonialen Welt gegen die internationale Ausbeutung in diesen Jahren heftige Höhepunkte. Wenn man in knappster Form den Club of Rome charakterisieren will, so handelte es sich um einen internationalen Zusammenschluß bürgerlicher Strategen, die die Gefahr für die kapitalistische Ordnung – einschließlich der Gefahr für die auf bürokratischer Ausbeutung beruhende Ordnung der damaligen Sowjetunion – mit einer radikalen Einschränkung der gesamten wirtschaftlichen Weiterentwicklung der Welt bannen wollten. Diese Ziele versuchte man unter Problemen des Umwelt- und Ressourcenschutzes zu maskieren. Mit einer Zusammenfassung der Kontrolle der internationalen Ökonomie unter dem angelsächsischen Großkapital, natürlich mit einer gewissen Beteiligung gerade auch deutscher Kapitalinteressen und sowjetischer Interessen, sollte das Wachstum beschränkt werden.

 

Die Publikationen des Club of Rome waren damals und für längere Zeit mit der wichtigste Kristallisationspunkt der sog. Anti-Wachstums-Ideologie. Wenn diese Ideologie verhieß, den internationalen Kapitalismus zu einer eigenen Rettung quasi in die Zwangsjacke zu setzen, so war sie irreal, aber in einem Land wie der Bundesrepublik, das durch revolutionäre Strömungen besonders gefährdet schien, verkörperte sie sich in besonders harter und dauerhafter Weise in einer politischen Richtung, die Kurs auf radikale Entindustrialisierung nahm und eine Flut von Kampagnen zur Ökologisierung der Mentalität der Bevölkerung exekutierte. [2]

 

Die Entindustrialisierungspolitik der Bundesrepublik  in diesem Sinne begann ziemlich genau Mitte der 70er Jahre und wurde seitdem mit allen Folgen, die heute auf dem Land lasten, immer weiter verfolgt, insbesondere auch durch die sog. rot-grüne Koalition seit 1998 verschärft.

Wir verkennen nicht, daß die voranschreitende Globalisierung des Kapitalismus,  insbesondere seit der weitgehenden Öffnung Chinas für die internationale kapitalistische Produktion und der Eröffnung immer größerer Zugriffsmöglichkeiten auf die Potentiale Osteuropas, eine eigene ökonomische Dynamik der Verlagerungen bedingt. Aber gerade was die Bundesrepublik Deutschland betrifft, gibt es hier auch noch andere Triebkräfte der Verlagerungen, die in einem fundamentalistischen Kampf bürgerlicher Kräfte gegen die bloße Existenz einer konzentrierten und kampffähigen Klasse industrieller Arbeiter und verwandter Schichten wurzeln.

 

 

Walther Leisler Kiep:

 

Ein weiteres illustres Mitglied der damaligen niedersächsischen Landesregierung war der bekannte Repräsentant der Bundes-CDU Walther Leisler Kiep,  eine der Grauen Eminenzen der CDU, der als ihr Schatzmeister über 2 Jahrzehnte von 1971-92 mit den Partei-Interna engstens verknüpft gewesen sein dürfte. Außerdem war Kiep immer als ein Promoter der besonders engen Beziehungen der CDU und Deutschlands mit den USA hervorgetreten und war in entsprechenden Gremien aktiv. Kiep stammte familiär aus Hamburger Kapitalistenkreisen, die vor allem mit der Führung der  I.G. Farben verbunden waren, einer bedeutenden deutschen und internationalen Kapitalgruppe, die bekanntlich bei der Aufzucht und Installierung des Hitlerfaschismus, seiner Kriegführung und den Verbrechen an den Juden in besonderem Maße beteiligt gewesen war, und zwar gerade auch an der Organisierung der langjährigen Unterstützung des Hitlerfaschismus durch US-Kapitalisten und -Politiker.

 

Birgit Breuel:

 

Die Wirtschaftsministerin Birgit Breuel war 1979 noch eine relativ junge Politikerin. Sie stammte ebenfalls aus Hamburger kapitalistischen Kreisen, ihr Vater war der Privatbankier Alwin Münchmeyer, ein zeitweiliger Vorsitzender des Bundesverbandes deutscher Banken und ein wichtiger wirtschaftspolitischer Ratgeber der Bundesrepublik.[3]

 

Was in der weiteren politischen Laufbahn von B. Breuel hervortritt, ist die rücksichtslose Liquidation der Industrie der DDR, die sie als Chefin der Treuhandanstalt nach der Ermordung ihres Vorgängers Rohwedder im Frühjahr  1991 an entscheidender Stelle mit zu verantworten hat. Für die ungefähr 90%ige Entindustrialisierung der früheren DDR, die dann hauptsächlich in ihrer Amtszeit vollzogen wurde und heute wie ein Mühlstein an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung und auch den Staatsfinanzen Deutschlands hängt, hat sie mit einzustehen, umso mehr, als sie diese Politik in dezidierter Opposition zu Rohwedder betrieben hat, dem es offenbar um die Erhaltung und Sanierung eines möglichst großen industriellen Potentials dort gegangen war. Schon zuvor war sie als verbohrte Propagandistin der sog. Privatisierung um jeden Preis hervorgetreten.

 

Nach dem Ende ihrer Treuhandtätigkeit 1994 trat Breuel noch einmal in Szene, als Chefin der etwas seltsamen und erfolglosen Hannoveraner Weltausstellung von 2000. Das Konzept soll sie zusammen mit Pestel entworfen haben, offenbar war an eine zwittrige Kombination von technischer Modernität mit ökologistischer Zielsetzung gedacht. Das mußte ein ziemlich gigantischer Flop werden und wurde es in der Tat. Statt der von Breuel kalkulierten 40 Mio. Besucher hatte die Expo nur etwa 18 und vermehrt die deutsche Staatsverschuldung seitdem um 2,4. Mrd. DM. Gerhard Schröder war von 1994 bis 1998 Ministerpräsident in Niedersachsen.

Hans-Dieter Schwind:

Nicht uninteressant sind auch die besonderen Tätigkeitsgebiete des damaligen Justizministers der Albrechtschen Landesregierung, des Kriminologen Prof. Hans-Dieter Schwind. Schwind war in den Jahren vor der Übernahme des Postens in Hannover 1978 vor allem mit den Problemen der inneren Entwicklung in China befaßt gewesen. Genau in der Zeit 1976-77, vor und nach dem Tode Mao Zedongs, in der Zeit der Vorbereitung des Umsturzes in China, der in der weiteren Entwicklung dazu geführt hat, daß China heute das größte und bedeutendste Dorado des internationalen Kapitalismus in pcto. billige Arbeitskraft geworden, forschte Schwind als Hauptverantwortlicher einer größeren Arbeitsgruppe an der Ruhr-Universität Bochum über‚ Pädagogische Konzepte zur Bekämpfung sozial und politisch abweichenden Verhaltens in der Volksrepublik China’. Ein Band mit Ergebnissen wurde unter dem Titel „Formen der Kriminalität in der Volksrepublik China – vor dem politischen Hintergrund kommentiert“  zusammengestellt und intern von Hans-Dieter Schwind  und Konrad Wegmann herausgegeben.

Es dürfte wohl klar sein, daß mit derartigen Untersuchungen tiefere Einblicke in soziale Probleme und die politischen Grundlagen des Justizsystems des damals vor dem Umsturz des Sozialismus stehenden China angestrebt wurden. Aber auch mit wichtigen Funktionen der Justizpolitik der Bundesrepublik war Schwind im weiteren befaßt. „Ursachen des Terrorismus in der BRD“ lautet der Titel eines 1978 von Schwind veröffentlichten Buches. Schwind war später u.a. Vorsitzender der deutschen Justizministerkonferenz (1984-1989), Präsident der Deutschen Kriminologischen Gesellschaft (1987-1990) und Vorsitzender der (Anti-) Gewaltkommission der Bundesregierung, usw. usf. Ohne den Gehalt von Schwinds recht umfassender wissenschaftlicher und justizpolitischer Tätigkeit hier beurteilen zu wollen, verdient doch die Tatsache festgehalten zu werden, daß hier eine weitere Persönlichkeit Mitglied der niedersächsischen Landesregierung in der kritischen Phase der Entscheidung gegen die WAA war, die in gewisser Weise hochaktuelles Expertenwissen zu entscheidenden internationalen Entwicklungen der Zeit repräsentierte, nämlich zum Umsturz in China, einem der Hauptfaktoren der Produktionsverlagerungen. Auch dies ein Minister, der wenig nach typischem Landespolitiker aussieht.

Die Albrecht-Regierung und die Gesamtpartei CDU/CSU

Wenn man sich nun die Frage stellt: was war die politische Substanz dieser niedersächsischen Landesregierung des Jahres 1979 mit ihrer Entscheidung gegen die WAA, was bedeutete sie insgesamt für das Land, was insgesamt für die CDU (und auch die CSU), könnte man fürs erste und etwas salopp antworten: Dies war ein besonders USA-höriger und Ökologismus-orientierter Club in der CDU. Repräsentierte er eine Sonderströmung, die zeitweilig eine Position an einer entscheidenden Stelle einnimmt und, diese nutzend, eine quasi die Gesamtpartei überrumpelnde Entscheidung fällt? Dies greift zu kurz. Schon einmal deswegen, weil diese Entscheidung nie von der Gesamtpartei korrigiert, ja nicht einmal deutlich kritisiert worden ist. Wenn die CSU nach Albrechts Absage 1979 die WAA an sich gezogen hat und damit für eine Zeitlang den Eindruck erweckte, als gebe es in der CDU/CSU auch substantiell andere Kräfte, die der Kernenergie eine Chance geben, dann war das, in anbetracht der gesamten weiteren Entwicklung, eher ein taktischer Zug, wohl auch mit der Regung zu etwas mehr US-unabhängiger Politik verbunden, für die bekanntlich Strauß – zumindest propagandistisch – stand, aber dies hatte in Wirklichkeit in dieser Partei keine genügende Grundlage. 1989 wurde erkennbar, daß die WAA in Bayern auf ähnlich dubiose Weise untergehen würde wie zuvor bei der CDU in Niedersachsen, und wieder dürfte der internationale Druck vor allem der USA, im Zusammenhang mit der bevorstehenden Auflösung der DDR allerdings  wahrscheinlich enorm verstärkt, die ausschlaggebende Rolle gespielt haben (s.u.)

Als schließlich im Mai 1989 der damalige VEBA-Chef Bennigsen-Foerder erklärte, man werde sich aus dem deutschen WAA-Projekt zurückziehen und die Wiederaufbereitung in Frankreich durchführen lassen, gab es zwar einige harsche Worte von Stoiber, die durchaus an die nationale Bedeutung des Projekts erinnerten, aber in der Sache waren bayrische Staatsregierung und Kohlsche Bundesregierung  recht schnell bereit, die Liquidierung vollziehen zu lassen. Es hatte auch von Anfang an nicht an schändlichen Stellungnahmen bestimmter CSU-Vertreter, wie auch der Mobilisierung mittelbürgerlicher, spießiger, religiös motivierter und kirchlich gestützter Kreise zu sog. Bürgerdemonstrationen („Maria, hilf gegen die WAA!“)  und den entsprechenden Entscheidungen der bayrischen Gerichtsbarkeit gefehlt.

 

Die Albrecht-Regierung von 1979 steht durchaus für Wesenszüge der Gesamtpartei, auch wenn deren Repräsentanten nicht in ihrer Gesamtheit derart offensichtlich an einer bestimmten Leine gehen wie dieser seinerzeitige Club.

 

Die Entscheidung von 1979 konnte man allerdings damals auch etwas anders sehen: etwa als eine Art Coup bestimmter Kräfte in der CDU, während die CDU/CSU insgesamt, in der auch gewisse Selbständigkeitsbestrebungen der deutschen Bourgeoisie repräsentiert sind, hinhaltenden Widerstand gegen die Destruktion leistet und die Kernenergie erhalten und unter günstigeren Bedingungen weiterentwickeln will.

 

Um ein klareres Bild zu gewinnen, gehen wir weiter in der Geschichte:

 

  1. Die CDU- Landesregierung in Hessen unter Walter Wallmann landet in Koordination mit Klaus Töpfer in der Bundesregierung im Januar 1988 einen schweren Schlag gegen die Kernenergie in Deutschland

 

Mit der Katastrophe von Tschernobyl (April 1986), bei der sowohl der technische Hergang wie die politischen Hintergründe bis heute große Fragen aufwerfen, war bekanntlich in Deutschland – anders als in anderen europäischen Ländern – die Auseinandersetzung um die Kernenergie neu und verschärft entbrannt. Ein SPD-Parteitag und auch der DGB-Kongreß beschlossen, den Ausstieg zu fordern, während die CDU-Spitze  in Person von Kanzler Kohl eine Regierungserklärung abgab, an der Kernenergie festhalten zu wollen. Man kann allerdings nicht außeracht lassen, daß gleichzeitig wesentliche Teile und Repräsentanten sowohl von CDU wie auch CSU nach Tschernobyl sich ähnlich der SPD und den Grünen äußerten. Die Meinungen in der FDP, die an der Regierung beteiligt war, gingen ebenfalls auseinander. Lambsdorff soll gegen eine Delegiertenmehrheit auf dem FDP-Parteitag für die Kernenergie einschließlich Wiederaufarbeitungsanlage (WAA) und Schnellem Brüter gekämpft haben.

Während es auf der zentralen politischen Ebene zu einem Grundsatzstreit um die Kernenergie mit offenem Ausgang zu kommen schien, wurde versucht, auf Länderebene durch Torpedierung zentraler Anlagen bzw. Projekte die Kernenergie entscheidend zu treffen und damit Vorentscheidungen für einen späteren weitergehenden oder gänzlichen Ausstieg zu schaffen. Hier setzen sich die Strömungen fort, die 1979 bei Albrecht hervorgetreten waren.

Ins Zentrum der Auseinandersetzungen rückten ab 1986 zunehmend die sog. Hanauer Nuklearbetriebe, Firmen wie Nukem und Alkem und weitere. Hier, im Bundesland Hessen, das seit April 1987 von einer CDU-FDP-Koalition regiert wurde,  war die Brennelementeproduktion der Bundesrepublik Deutschland konzentriert. Es wurden Brennelemente aus Uran hergestellt, hier wurde auch – im Betrieb der Leichtwasserreaktoren entstehendes –  Plutonium zusammen mit Uran zu neuen sog. MOX-Brennelementen für dieselben Reaktoren verarbeitet und somit auch ein Beitrag zur Verwertung von sog. Atommüll geleistet. Die MOX-Technik war  auch für den beabsichtigten Betrieb des Schnellen Brüters von zentraler Bedeutung. Hauptträger der letztgenannten Entwicklungen war die Firma Alkem, die eine große Anlage errichtete, aus der sie Kernkraftwerke in der ganzen Welt zu beliefern vorhatte. Es ist diese Anlage, die nach den Interventionen aller möglichen Regierungen einschl. derer der CDU nie in Betrieb gegangen ist und schließlich im Jahre 2004 noch einmal wegen eines möglichen Verkaufs an China Schlagzeilen machte.

Ferner wurden die Brennelemente für den Hochtemperatur-Reaktor bei Nukem, genauer der Nukem-Tochter HOBEG  gefertigt. Die Firma Nukem hatte außerdem eine bedeutende Stellung in der Herstellung von verschiedenartigen Brennelementen für Forschungsreaktoren im In- und Ausland.

Zum Zeitpunkt Anfang 1988 befand sich die Nukem zu 45% im Besitz von RWE, zu 35% von Degussa, sowie zu je 10% von Metallgesellschaft und der Imperial Smelting Corporation, London.

Die hessischen Landesregierungen und die Hanauer Betriebe

Die Auseinandersetzung um die Kernenergie, insbesondere um die Hanauer Betriebe, hatte schon jahrelang die hessische Landespolitik stark geprägt. Die Landesregierung  hatte zuvor zwischen dem 12.12.85 und dem 9.2.1987 aus der merkwürdigen Kombination einer SPD-Riege mit Holger Börner als Ministerpräsident und Krollmann als stellv. Ministerpräsident mit dem grünen „Umweltminister“ J. Fischer bestanden, der ohne Wahlen in die vorherige reine SPD-Regierung hereingenommen worden war – ein noch immer erklärungsbedürftiger Vorgang. Börner war kein Gegner der Kernenergie und versuchte noch längere Zeit, dem Haupttrend seiner Partei in dieser Frage entgegenzuwirken, während Krollmann, sein Vize und späterer Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten, bald den Kernenergie-feindlichen Kurs übernahm. Anlagen in Hessen, das seit 1946 ununterbrochen unter SPD-Führung gestanden hatte, wie die in Hanau und das AKW Biblis (Biblis A war der erste Großreaktor der 1200-MW-Klasse in Deutschland gewesen), waren herausragende Elemente in der Entwicklung der kommerziellen Kernenergietechnik der Bundesrepublik Deutschland. Damit war die Stellung der hessischen Landesregierung zu einem Brennpunkt der bundesweiten Auseinandersetzung geworden.

Die Koalition Börner-Fischer hatte nur 14 Monate Bestand und wurde am 9.2. 1987, den Berichten zufolge genau wegen des Streits um Alkem, aufgekündigt. Inzwischen hatte der stellv. Ministerpräsident Krollmann (SPD) Alkem zu einem „auslaufenden Modell“ erklärt, während Börner politischen Widerstand leistete, aber am 10.2. „aus Gesundheitsgründen“ zurücktrat und den Posten des Ministerpräsident an Krollmann abgab. Auf den 5.4.1987 wurde eine vorgezogene Landtagswahl terminiert. Die hessische CDU kandidierte unter Walter Wallmann, der früher in Frankfurt OB gewesen war und derzeit als der Bundes-Umweltminister des Kabinetts Kohl/Genscher amtierte. Wallmann kündigte in dieser Funktion Ende Februar 87 an, die hessische Landesregierung anzuweisen, Alkem die erste Teilerrichtungsgenehmigung für den Neubau der erwähnten großen Plutoniumverarbeitungsanlage zu erteilen (HB 26.02.87), während die noch amtierende SPD-Grünen-Koalition in Hessen mit einem Normenkontrollverfahren beim Bundesverfassungsgericht Alkem völlig zu Fall zu bringen suchte. Sie strebte darin an, daß eine industrielle Verarbeitung von Plutonium überhaupt verboten würde und weder der Schnelle Brüter noch die WAA je in Betrieb gehen könnten. (SZ 19.03.87).

Am 5.4.87 siegte die CDU mit ihrem Versprechen der Weiterführung der Kernenergie und der Hanauer Betriebe klar in der Landtagswahl und konnte, zum ersten Mal in der Geschichte dieses Bundeslandes die Regierung bilden, in einer Koalition mit der FDP. Das Mandat der hessischen Wähler bezog sich eindeutig gerade auch auf die offizielle Haltung der CDU in der Kernenergie-Frage, denn diese hatte den entscheidenden Stoff der vorausgegangenen politischen Auseinandersetzung gebildet. Von daher ist das Umschwenken der Wallmann-Regierung im Dez. 1987/Jan. 1988, mit dem Höhepunkt der völlig willkürlichen, aber umso folgenreicheren Schließungsverfügung gegenüber Nukem, klar als Bruch der Hauptversprechungen zu werten. Man kennt Wortbrüche zwar aus der Praxis aller parlamentarischen Parteien der Bundesrepublik zur Genüge, aber was hier geschah, hatte besonders große Bedeutung für das Land und die internationale Entwicklung und verdient schon von daher in der Rückschau auch nach 18 Jahren mit aller Deutlichkeit festgehalten zu werden.

Was Wallmann, sein Umweltminister Karl-Heinz Weimar (CDU), sowie Klaus Töpfer, der Nachfolger Wallmanns als Bundes-Umweltminister, die unmittelbaren Entscheidungsträger, hier vollbracht haben, trägt nicht nur die Kennzeichen des direkten Verrats am Mandat, sondern auch die einer absoluten Farce. Diese Politiker legten Nukem still, ohne irgendeinen Beweis für die massiven Verdächtigungen in der Hand zu haben, die die Medien im Januar 88 unter Hochdruck ausspuckten, ließen aber diesen Akt bestehen, obwohl Wallmann/Weimar unmittelbar darauf öffentlich zugaben, auf bloßes Hörensagen hin gehandelt zu haben. [4]

Man kann ein derartig widersprüchliches Verhalten nur erklären, wenn es an höherer Stelle, auch in der Spitze der CDU/CSU und der damaligen Kohl-Regierung selbst, abgesichert gewesen ist, die somit selbst die Verantwortung mitzutragen haben.

Was waren die konkreten Ereignisse damals, im Dez. 87 und Jan. 88?

Die heiße Phase begann nach jahrelangen Auseinandersetzungen um Alkem im Dez. 1987 mit dem sog. Transnuklear-Skandal. Bei der Transnuklear, einer Tochterfirma der Nukem, die den Transport von radioaktivem Material betrieb, war es zu Aufdeckungen von technischen Unregelmäßigkeiten und Korruptionsfällen gekommen. Den Berichten zufolge hatte die Firma selbst bereits am 8.4. 87 die Staatsanwaltschaft angerufen und Anzeige wg. Untreue gegen mehrere Mitarbeiter erstattet. Ihre neue, seit dem 1.1.87 amtierende Geschäftsführung hatte durch eigene Recherchen festgestellt, daß in den Jahren 82—86 Firmengelder in schwarze Kassen geleitet worden waren, aus denen Mitarbeiter von Kernkraftwerken und Energieversorgungsunternehmen zwecks Erteilung von Transportaufträgen an die Transnuklear bestochen worden waren. Ein Prokurist der Transnuklear nahm sich in der U-Haft das Leben. Am 17. 12.1987 entzog Bundesumweltminister Töpfer der Transnuklear die Genehmigung zum Transport nuklearer „Abfälle“.

Die Medienkampagne zu diesem Korruptionsfall war anscheinend jedoch nur eine Art Präludium gewesen, um den Namen Transnuklear, die Mutterfirma Nukem und „Hanau“ überhaupt schon einmal mit einem üblen Odium zu versehen. Die Staatsanwaltschaft Hanau erklärte am 27.1.88 öffentlich die Angelegenheit für relativ unbedeutend. Obwohl die Ermittlungen im Korruptionsfall Transnuklear auch nach 9 Monaten noch nicht abgeschlossen seien, lägen jedoch „allen öffentlich geäußerten Behauptungen und Vermutungen Dritter zum Trotz – keine konkreten Anhaltspunkte und forensisch brauchbare oder gar überzeugende Beweismittel dafür vor, daß mit Hilfe der in Rede stehenden Zuwendungen in den Sicherheitsbereich der einzelnen Kernkraftwerke eingegriffen, notwendige Sicherheitsvorschriften umgangen und außer Kraft gesetzt werden wären, oder daß nichtgenehmigte oder nichtgenehmigungsfähige Transporte oder sonstige Handlungen im Bereich der Entsorgung befürwortet worden wären.“ (SZ 28.1.1988)

Das eigentliche öffentliche Getöse um Transnuklear begann im Dez.87 /Jan. 88. Jetzt wurde eine zweite Kampagne eröffnet, in der „die Fässer aus Mol“ in einer ganzen Lawine von Anklagen und Gerüchten durch die Medien gepeitscht wurden. Diese Propaganda hatte schon fast wieder Tschernobyl-Format und knallte in die Gegenfront in Parteien und Gewerkschaften hinein, die sich gegen die Ausstiegsbeschlüsse „wegen Tschernobyl“ zu formieren begonnen hatte.

Der Sache nach handelte es sich um zwei Gruppen von Fässern. In knapp 2.400 Fässern hatte Transnuklear Abfälle aus deutschen Nuklearanlagen zu einem spezialisierten Unternehmen in Mol/Belgien transportiert. Dort waren sie für die Endlagerung in der Bundesrepublik bearbeitet und anschließend wieder durch die Transnuklear an die Ursprungsorte zurücktransportiert worden. Diese Fässer enthielten beim Rücktransport minimalste Spuren von bestimmten radioaktiven Stoffen – genannt wurde in den Medien vor allem Plutonium-, die nicht in der Deklaration der Stoffe enthalten waren, die nach Mol gebracht worden waren. Sie waren daher auch nicht in der Deklaration der rücktransportierten Stoffe enthalten. Wie war das zu erklären? Im Bericht des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Transnuklear-Affäre, der schließlich im Sept. 1990 dem Bundestag zur Kenntnis gebracht wurde, wurde hierzu ausdrücklich festgestellt, daß aus technischen Gründen der Verarbeitung in Mol eine völlige Identität der Stoffe vor und nach der Verarbeitung nicht bis auf  Dutzende von Stellen nach dem Komma eingehalten werden könne, sodaß es nach allgemein anerkannten Prinzipien genüge, wenn die Strahlungsaktivität der Fässerinhalte nach der Bearbeitung nicht höher sei als davor. Es hatte demnach aufgrund der technischen Eigenschaften der Verarbeitung in Mol eine minimale Verschmutzung mit Plutonium gegeben, die niemand der Erwähnung für wert gehalten hatte.

Zum anderen wurde über die Medien im weiteren ein zweite Fässergruppe von 50 Stück ins Spiel gebracht, die ebenfalls von der Transnuklear nach Mol gebracht und wieder zurückgebracht worden waren. Sie stammten von der Nukem selbst, die bereits als Mutterfirma der Transnuklear im Strudel war und einen ihrer drei Geschäftsführer zur Bewältigung dieser Probleme abgestellt hatte. Nun wurde vom 14.1. 88 an in einem weiteren Steigerung der Attacke die öffentliche Atmosphäre bis zur Entladung schwül aufgeladen. Die 50 Fässer begründeten angeblich den Verdacht, daß die Nukem nukleare Brennstoffe aus ihrem eigenen Besitz nicht nur verheimlicht, sondern möglicherweise nach Libyen und Pakistan verschoben habe, der Atomwaffensperrvertrag sei verletzt, usw. Dergleichen ratterte vom 14.1.88 an über alle Kanäle.  Der „Spiegel“ erzählte, möglicherweise sei aus den Büchern der Internationalen Atomenergie-Kontrollbehörde (IAEO) das Material zum Bau von 70 Atombomben verschwunden. Täglich erschienen –zig Artikel und Kommentare, die derartige Gerüchte breittraten, und dabei gab es kaum einen Unterschied zwischen den Medien, die politisch der CDU-FDP-Bundesregierung näher zu stehen schienen, und den übrigen.

Am 11.1.1988, 3 Tage zuvor, war übrigens eine schwerwiegende Entscheidung gegen die Entwicklung der Kernenergie in der Bundesrepublik bekannt geworden: die Betreiberfirma des Schnellen Brüters in Kalkar (NRW) hatte die Anträge auf die Einlagerung der Brennelemente in die Anlage zurückgezogen. In den Medien wurde dies als deutliches Signal gewertet, daß die Firma sich dem politischen Druck, das Projekt sterben zu lassen, konform verhalte.

Unter diesen Bedingungen forderte Wallmann als hessischer Regierungschef bereits am 14.1. die Ablösung der beiden noch amtierenden Geschäftsführer der Nukem, und Töpfer forderte namens der Bundesregierung die hessische Landesregierung auf, die Betriebsgenehmigung für Nukem bis zur Klärung aller Vorwürfe auszusetzen (nach anderen Berichten ging es nur um die Nukem-Abteilung, in der Brennelemente für Forschungs- und Hochtemperaturreaktoren hergestellt wurden). Wallmann und Weimar legten Nukem unverzüglich still – und  begannen bereits am Tag danach mit einem öffentlichen Einräumen der Tatsache, daß sie keine Beweise hatten. Dies zog sich über ein paar Tage hin. Sie stellten es nun so dar, daß Weimar lediglich von einem Bonner Journalisten namens Kassing am 13.1. 87 ein paar Tips bekommen habe, daß vielleicht gewissen Verdachtsmomenten nachzugehen sei, die er sofort an Wallmann weitergeleitet habe – während Kassing seinerseits öffentlich erklärte, er hätte sich nie träumen lassen, daß seine vagen Hinweise von Weimar und Wallmann überhaupt so ernst genommen werden und sie zu solchen Konsequenzen treiben könnten! [5]

Während so die Propagandawolken, wohlgemerkt nach dem Zustandekommen der Stillegungsverfügung,  rasch wieder zerstreut wurden und im weiteren nur noch Restgerüchte im Arsenal professioneller Anti-Kernkraft-Agitatoren verblieben – nach dem Prinzip: man kann ja jedenfalls noch jahrzehntelang vage behaupten ’da war was’‚ –  beließen Töpfer/Wallmann es bei den geschaffenen Tatsachen, hielten den Bann über Nukem einige Monate in Kraft und zeitigten gravierende Konsequenzen. J. Fischer konnte befriedigt feststellen, daß „ausgerechnet Wallmann der Kernindustrie derart zwischen die Hörner gehauen hat, daß sie in die Knie gegangen ist.“ (SZ 20.1.1988)

Töpfer, Bundesumweltminister des Kabinetts Kohl,  plädierte wenige Monate später ganz offen und direkt für „eine Zukunft ohne Kernenergie“ (SZ 30.5.1988):

„Die Kernenergie wird nach den Worten von Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) in der Bundesrepublik nur noch eine ‚gewisse Zeit’ genutzt werden. Er gehe davon aus, daß es ‚unsere Aufgabe ist, eine Zukunft ohne Kernenergie zu erfinden’, sagte Töpfer im Süddeutschen Rundfunk. Auch eine noch so sichere Kernenergie könne kein Alibi dafür liefern, regenerative Energien nicht zu erforschen und zu entwickeln.“

Am 12.3.88, knapp 2 Monate nach dem Entzug der Betriebsgenehmigung, wurde gemeldet, die Firma Nukem werde ihre Brennelementeproduktion zum Teil aufgeben, zum Teil für ein paar Jahre aussetzen. Die Produktion für Forschungsreaktoren werde aufgegeben, da die Marktanteile, die seit der Zwangsstillegung v. 14.1.88 verloren gegangen seien, angeblich nicht zurückerobert werden könnten. Die Brennelementeproduktion für Hochtemperaturreaktoren solle später wieder aufgenommen werden, wenn ein neues Betriebsgebäude dafür fertiggestellt sei – etwa Ende 1990 – und die Betriebsgenehmigung dafür erteilt werde.

Als dann mehr als ein Jahr später, Ende April 1989, die Stillegung des Hochtemperatur-Reaktors THTR in Hamm als bereits mehr oder weniger feststehend angekündigt wurde, diente diese vorausgegangene – zunächst als nur zeitweilig hingestellte – Stillegung der Produktion seiner Brennelemente bei Nukem in Hanau als das hauptsächliche der öffentlich vorgebrachten Deckargumente. Es hieß, wegen der Unsicherheit des Brennelemente-Nachschubs aus Hanau sei der Weiterbetrieb des THTR mit „erhöhten wirtschaftlichen Risiken“ verbunden, und die sei niemand zu tragen bereit, weder die Betreiber noch die Regierungen in NRW (SPD-Grüne) oder in Bonn (CDU-FDP), also bleibe nur übrig, das Ende des THTR zu verkünden.

 

Auf diese Weise wurde einer der krassesten regierungsamtlichen Vandalenakte in der Geschichte Europas, die willkürliche Zerstörung eines funktionierenden KKW einer besonderen Entwicklungslinie mit großer Zukunft und zugegebenermaßen geringsten Sicherheitsproblemen, mit einem anderen regierungsamtlichen Vandalenakt begründet, der in sich ebenso willkürlich war. Und dieser Vorgang zeigt ein fast lückenloses faktisches politisches Zusammenspiel zwischen der SPD-Grünen-Richtung, die offen die möglichst schnelle Liquidation der gesamten Kernenergie forderte, mit der CDU-FDP-Bundesregierung und einer CDU-FDP-Landesregierung, die sich bis dato öffentlich zur Kernenergie bekannt hatten, aber im Falle von Hanau an einer ganz entscheidenden Stelle exakt die Stillegungspolitik selbst ins Werk gesetzt hatten. Und die Kaltschnäuzigkeit, mit der die verantwortlichen CDU-Vertreter selbst nun gegen den THTR Umstände ins Feld führten, die ihre eigene Partei, nicht etwa SPD und Grüne, höchstautoritativ geschaffen hatte, weist auf die tatsächlich vorherrschende politische Linie hin, die mit den öffentlichen Deklarationen im Widerspruch steht.

Schließlich kann hier die Rolle der Betreiberfirmen wie Siemens, RWE und andere nicht unerwähnt bleiben, die diesem Treiben an keiner Stelle substantiellen Widerstand entgegengesetzt haben.

 

III. Zur politischen Gesamtheit der Entscheidungen
von 1988-1991 gegen die Kernenergie

 

Die Hanauer Entscheidung fällt zu einem Zeitpunkt, wo die CDU-CSU-FDP-Bundesregierung noch offiziell an Schnellem Brüter, Hochtemperatur-Reaktor und WAA festhält, außer Kohl bspw. auch dezidiert noch für einige Zeit Lambsdorff von der FDP.

Der Januar 1988 ist dann der Auftakt zu einer Reihe von einzelnen Kehrtwendungen in diesem Fragenkomplex, nun auch seitens von Spitzenvertretern wie Lambsdorff  und wohlgemerkt auch seitens der Unternehmen. Diese Einzelentscheidungen ergänzen einander zu einer faktischen Gesamtwende – ohne daß diese damals oder jemals seitdem seitens der CDU/CSU direkt erklärt worden wäre. Bis heute treten diese Parteien  nicht wie SPD und Grüne auf, haben sich aber der Linie des Abbaus der Kernenergie letztlich untergeordnet. Die offene Forderung nach der Liquidation von WAA, Schnellem Brüter etc. wurde von den Spitzenvertretern oder autorisierten Gremien dieser Parteien damals und sogar bis heute nicht erhoben. Sie blieb einzelnen Vertretern und Unterorganisationen vorbehalten, bspw. machte der seinerzeitige baden-württembergische Regierungschef  Späth seit 1986 direkt Front gegen die Kernenergie, oder auch die Junge Union unter Böhr und Friedbert Pflüger 1986 ff. Mit Sicherheit kann gesagt werden, daß sie alle durchaus nicht für sich alleine in dieser Partei sprachen. Jedenfalls aber belegt die Praxis der CDU seit 1979 und auch die der CSU insbesondere seit 1988, daß diese Parteien in der Kernenergiefrage letztlich kein festes standing haben.

Es mag durchaus einzelne Repräsentanten, insbes. auch in der CSU, geben, die die Fortführung und den Ausbau der Kernenergie anstreben – solche gibt es natürlich auch in der SPD, die in den 50er und 60er Jahren bis in die 70er hinein ideologisch und praktisch eigentlich stärker als die konservativen Parteien für die Kernenergie eingetreten ist -, aber sie können sich in diesen  Parteien nicht durchsetzen, und sie passen sich letztlich in die negative Generallinie dieser Parteien ein.

 

Wie das sein kann, das muß im Zusammenhang mit den Problemen der gesamten politischen Abhängigkeitskonstruktion der Bundesrepublik Deutschland nach 1949 bzw. der Lage des gesamten 1945 besetzten Deutschland gesehen werden. Wenn heute Finnland, ein Land mit rd. 5 Mio. Einwohnern, den von Frankreich und Deutschland gemeinsam entwickelten neuen Druckwasserreaktor (EPR) bauen kann, während die CDU die geradezu groteske abwehrende Behauptung aufstellt, man brauche so etwas in Deutschland nicht; wenn selbst Japan Wiederaufarbeitung und den Brutreaktor (übrigens nach dem Modell Kalkar) betreiben kann und Südkorea an einem großen Schnellbrüter-Projekt arbeitet, d.h. zwei Länder, die selber im Grunde noch immer einen von der US-Besatzung geprägten Status haben, von selbständigeren Staaten wie Indien und China mit ihren eigenen umfangreichen nuklearen Aktivitäten ganz abgesehen  – wenn solche Länder das können, dann müssen für Deutschland ganz besondere politische Einschränkungen gelten, von außen wie auch von innen heraus.

 

Die deutsche Einheit und die Frage der Kernenergie

 

Und hier muß erneut die Frage auftauchen, was im Zusammenhang mit den übergreifenden politischen Entscheidungen von 1989-91, der Auflösung der DDR, ihrem Anschluß an die Bundesrepublik Deutschland unter den Bedingungen des sog. 2-plus-4-Vertrages eigentlich über die künftige ökonomische Entwicklung des unter diesen Bedingungen vereinigten Deutschlands abgemacht wurde. Daß der Vertrag ausdrücklich die militärische Unsouveränität der vereinigten Bundesrepublik Deutschland festschreibt, ist kein Geheimnis, aber welche Abmachungen wurden der Bundesrepublik gerade auch hinsichtlich der Entwicklung der Kernenergie auferlegt, welche Konzessionen mußte sie hier machen? Welche Geheimabsprachen gibt es hier? Daß diese Frage eine zentrale Rolle spielen mußte, liegt auf der Hand. Es ist wegen der Schlüsselrolle, die gerade die USA der Kernenergie in den internationalen Beziehungen immer grundsätzlich zumessen, nicht vorstellbar, daß sie nicht Thema gewesen sein sollte, und das gilt ganz besonders für ihre Beziehungen zu Deutschland. Auch der Großmachtanspruch der damals noch bestehenden Sowjetunion, der von ihren Nachfolgeregimes wie dem von Putin voll weitergetragen wird, hat jederzeit gegen die Entwicklung der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland intrigiert und betreibt die energiepolitische Abhängigkeit dieses Landes.

 

Bei den Auseinandersetzungen um eine mögliche staatliche Einheit Deutschlands ging es den USA und in ähnlicher Weise dem russischen Großmachtstreben darum, die politische Fungibilität der alten BRD wie auch der DDR auf die neue BRD zu übertragen. Es geht dabei vordergründig um die Ein- und Unterordnung der deutschen Kapitalinteressen in das internationale Machtsystem, v.a. der USA. Jedoch, wenn man tiefergehend analysiert, geht es letztlich um die Niederhaltung des revolutionären Potentials des Landes, das sich seit dem 19. Jahrhundert in vielen Bereichen von Wissenschaft, Technik und Kultur manifestiert und in der revolutionären Arbeiterbewegung bis 1933 bereits deutlich politisch konzentriert hatte. Nur mit dem Hereintreiben der europäischen Völker in den I. Weltkrieg, mit dem Bürgerkrieg in Deutschland nach 1918 und schließlich mit der Errichtung der Nazidiktatur 1933 hatte es mühsam unterdrückt werden können, unter massiver Mitwirkung insbesondere von höchsten Kreisen der USA und Großbritanniens. Es sollte nicht in Vergessenheit geraten oder verzerrt werden, daß gerade die KPD unter E. Thälmann, auch gegen Widerstände in der damaligen Komintern, sich entschieden gegen das Versailler System, gegen die Kombination von sozialer und nationaler Unterdrückung, die gegen Deutschland ausgeübt wurde, gewandt hat.

 

Das System der Bundesrepublik Deutschland wurde in den Jahren um 1970 erneut von revolutionären Tendenzen, die von vornherein auch die Frage der nationalen Unabhängigkeit und Einheit Deutschlands aufwarfen, herausgefordert. Wie wir immer wieder dargestellt haben, versuchte man mit einer Reihe von recht radikalen Eingriffen in die Sozial- und Bevölkerungsstruktur der Bundesrepublik und im weiteren ab etwa 1974 mit der Strategie der ökonomischen Entleerung, der Produktionsverlagerungen, der Herausforderung Herr zu werden. Die ökonomischen und wissenschaftlichen Potentiale sollten bspw. durch Auslandsverlagerungen in einer Weise umorganisiert werden, daß dem Kapital der Profit bleiben würde, das Land aber unter den Bedingungen fortschreitender Auszehrung nicht mehr den genügenden Nährboden für politisch revolutionäre Entwicklungen bieten könnte. Dies war, aus der Perspektive des Jahres 1989 gesehen, bereits seit ca. 15 Jahren ein wichtiges Merkmal der Entwicklung des westlichen Deutschland gewesen. Dieser Staat brachte in die staatliche Vereinigung mit der DDR, die in ihren eigenen Formen der Abhängigkeit steckte, unterdrückt war und revolutionäre Bestrebungen nicht duldete, diese politischen Prinzipien und die entsprechende Massenarbeitslosigkeit von mehreren Millionen ein. Mit der folgenden fast völligen Deindustrialisierung der neuen Bundesländer Anfang der 90er Jahre wurde die ökonomische Auszehrung der BRD noch gesteigert. Die ökonomische Lasten dieser Art von Vereinigung zerrütteten die Staatsfinanzen weiter. Die politische Abhängigkeit von internationalen Vormächten änderte sich im Prinzip nicht.

 

Ein Aspekt der Lage um 1989-91 waren Anzeichen, daß Teile der deutschen herrschenden Kreise versuchen würden, die Entwicklung in einen Zuwachs an ökonomischem Potential und politischer Selbständigkeit gerade gegenüber den USA umzusetzen. Es war die Frage, wie man das eindämmen könne.

 

Es mag auf den ersten Blick wirr erscheinen, für die Grundsatzentscheidungen gegen die Kernenergie, die bereits zu Anfang 1988 über Hessen in Gang kommen, einen Grund in den Auseinandersetzungen um das künftige Verhältnis der beiden Teile Deutschlands zu suchen, die erst Ende 1989 aufbrechen. Aber die Deutschlandfrage war selbstverständlich schon vor 1989 bei den USA und natürlich auch bei politischen Kreisen der Bundesrepublik zunehmend dringender auf die Tagesordnung gerückt. Spätestens seit 1985 ( Gorbatschow wird Generalsekretär; der Afghanistankrieg wird seitens der USA durch weitere Aufrüstung und Lenkung der islamistischen „Mudjahedin“ in Richtung auf eine schwere militärische und politische Niederlage der Sowjetunion intensiviert) war die Frage der Fortexistenz der Sowjetunion und ihres internationalen Herrschaftsbereichs überhaupt topaktuell geworden, und die davon abhängige deutsche Frage mußte schon aus diesem Grund in den Jahren vor 1989 ebenfalls ein Gegenstand aller möglichen Sondierungen hinter den Kulissen geworden sein. Daher bietet der Kalender keinen Widerspruch gegen die inhaltliche Verknüpfung mit der Kernenergiefrage.

 

Bei den Verhandlungen mußten die Fragen des ökonomischen Potentials eine große Rolle spielen, und die Energieversorgung ist ein Grundbaustein des ökonomischen Potentials. Mit der konkreten Möglichkeit der Vereinigung des ökonomischen Potentials der BRD und der DDR mußten zumindest bei Teilen der deutschen herrschenden Kreise (auf beiden Seiten der Grenze) erneut und verstärkt Hoffnungen auf eine ökonomische Konzentration beträchtlicher Kräfte und auf eine Aufwärtsentwicklung entstehen, die allerdings die bisherigen Kräfteverhältnisse im europäischen Rahmen sprengen würden und auch die politischen Gewichte zu verschieben drohten. Die DDR konnte aufgrund ihrer Verflechtung mit den osteuropäischen Ländern und der Sowjetunion wichtige und entwicklungsfähige Verbindungen in den vereinigten Staat einbringen, auch wenn ihre eigene Industrie großen Modernisierungsbedarf hatte.

 

Zu den eingeständigeren Konzepten für das künftige Deutschland gehörte naturgemäß auch eine unabhängigere Energiebasis als bisher, d.h. daß die Bedeutung der Kernenergie zunehmen mußte. Der Verwirklichung solcher Vorstellungen mußten jedenfalls die USA, nicht weniger auch Großbritannien und wahrscheinlich zumindest in gewissen Sinne Frankreich sich entgegenstellen. Der Opposition Frankreichs und anderer europäischer Länder versuchte die deutsche Regierung mit Versprechungen der stärkeren Integration ihres ökonomischen Potentials (Euro, EZB) und der stärkeren politischen Koordination gerade auch mit Frankreich entgegenzuwirken – daher wurde von Kohl ja auch immer wieder betont, daß im Zusammenhang mit der Herstellung der staatlichen  Einheit Deutschlands starke Verpflichtung zur europäischen Integration Deutschlands eingegangen wurden und jede großmachtähnliche Dominanz Deutschlands gegenüber Partnern wie Frankreich, überhaupt eine Politik auf eigene Faust ausgeschlossen werde.

 

Für die USA kam es in dieser Phase vor allem darauf an, sowohl die politisch-militärische Abhängigkeit Deutschlands von den USA fortzuschreiben und möglichst sogar zu erhöhen, als auch eine europäische Integration, in der manche in Deutschland wie auch andere ein Emanzipationspotential gegenüber den USA sahen, in einen Rahmen fortgeschriebener Abhängigkeit der gesamten europäischen Gebilde einzupassen, bspw. via NATO. Anläßlich der Auseinandersetzung um den Entwurf einer sog. EU-Verfassung 2005 kam dieses Verhältnis erneut in krasser Weise an die Oberfläche, da die führenden EU-Kreise sogar in diesem Verfassungsentwurf weiterhin ausdrücklich die Abhängigkeit ihrer Militärpolitik von der NATO, d.h. den USA festgeschrieben hatten, während sie in der Öffentlichkeit ihren Entwurf mit der wahrheitswidrigen Behauptung anpriesen, er verschaffe der EU mehr Selbständigkeit.

 

Man konnte die Schärfe der Auseinandersetzung um die Militärpolitik damals relativ deutlich an den Auseinandersetzungen um Jugoslawien 1991-95 ablesen. Spätestens mit der von den USA forcierten Erklärung der Anerkennung der – mit dem islamischen Fundamentalismus verbundenen – Izetbegovic-Regierung in Sarajewo im April 1992, die einen langgezogenen, fast alle Teile und Kräfte des bisherigen Jugoslawien einbeziehenden und alle gegeneinander aufhetzenden Krieg auslöste, in dem die USA zielstrebig eine eigene dominante militärische Präsenz auf dem Balkan aufbauten, die diplomatische Oberhoheit gewannen (Dayton) und die Bemühungen um ein gemeinsames, von den USA unabhängigeres Vorgehen Deutschlands und Frankreichs dort, wie auch die allgemeineren Vorstellungen einer unabhängigeren europäischen Militärpolitik zu Wasser machten, wurde dieser Gegensatz der europäischen Geschichte seit 1945 erneut deutlich.

 

Auch auf dem Gebiet der Ökonomie waren die Gegensätze entsprechend scharf. Anzeichen dafür, wie hinter den Kulissen gerungen wurde, waren u.a. die Ermordungen zweier Hauptrepräsentanten des deutschen Kapitalismus, die in manchen Aspekten die Absicht einer eigenständigeren Entfaltung der eigenen Möglichkeiten hatten erkennen lassen: der Chef der Deutschen Bank, Herrhausen, und der Vorsitzende der Treuhand, Rohwedder, wurden in dem entscheidenden Zeitabschnitt Ende 1989 – Anfang 1991 in spektakulärer Weise, wie um öffentliche Warnzeichen zu setzen, ermordet, wobei erneut das Markenzeichen „RAF“ benutzt wurde, hinter dem hier noch deutlicher als bei früheren Mordaktionen geheimdienstliche Aktivitäten sich abzeichneten.

 

 

Die CDU/CSU unter Kohl war – zu dieser Analyse muß man im Rückblick unbedingt kommen – nicht in der Lage, und wahrscheinlich sogar in der Mehrheit nicht einmal willens, die entscheidenden Konfrontationen gerade in der Frage der Kernenergie und den anderen ökonomischen Fragen auszutragen. Sie versuchte, sie vor der deutschen Bevölkerung und der internationalen Öffentlichkeit konsequent unter der Decke zu halten, offenbar nach dem Grundsatz: das Schlimmste, was überhaupt passieren kann, wäre die Aufklärung und politische Mobilisierung der Bevölkerung in den entscheidenden Fragen. Jedes stillschweigende Arrangement, und sei es noch so demütigend, mit den Hauptmächten muß akzeptiert werden, wenn dadurch vermieden werden kann, daß demokratische und in der Perspektive revolutionäre Unruhe entsteht.

 

 

Das energiepolitische Programm der Bundesregierung vom Dez. 1991 enthält im Grunde bereits die Absage an die Kernenergie

 

 

An dieser Stelle muß das energiepolitische Programm der Kohl-Regierung genannt werden, das sie am 11. Dez. 1991, quasi als Ergebnis der mehrjährigen und sicher auch internationalen Auseinandersetzungen um die Kernenergie, veröffentlicht hat unter dem Titel:

 

„Das energiepolitische Gesamtkonzept der Bundesregierung. Energiepolitik für das vereinte Deutschland“

 

Es enthält nicht nur die Totenscheine für Wiederaufbereitung, Schnellen Brüter und Hochtemperaturreaktor, deren Beendigungen von Landesregierungen, Gerichten und auch Betreiberfirmen seit 1988 nach und nach bereits erklärt worden waren, was die Bundesregierung hier ohne den geringsten Einspruch zu abgeschlossenen Fragen erklärt, es erklärt nicht nur auch die bedeutende kerntechnische Industrie der einstigen DDR zum Abwicklungsobjekt, sondern es behandelt auch die Zukunft der konventionellen noch weiterlaufenden Reaktoren im Grunde negativ. Es heißt hier, der Bau neuer Kernkraftwerke beruhe auf unternehmerischen Entscheidungen, mehrere Energieversorgungsunternehmen hätten jedoch erklärt, für ihre Entscheidungen über den Bau neuer Kernkraftwerke sei ein breiter energiepolitischer Konsens erforderlich, der gegenwärtig nicht vorhanden sei. Solche Sätze widerspiegeln die Stellung der Albrechtschen Regierung von 1979, die sich bemühte, den internationalen Druck und die eigene Schwäche und Komplizenschaft mit den USA hinter einer hochgespielten Anti-Kernenergie-Stimmung von Teilen der Bevölkerung zu verstecken. Sie widerspiegeln die grundsätzliche Orientierung auf die weitere industrielle Ausdünnung des Landes.

 

Diese hochpolitischen Schlüsselfragen für die gesamte Entwicklung des Landes in den Bereich unternehmerischer Entscheidungen zu verweisen, ist in neoliberale Phrasen gekleideter Nonsens. In Staaten wie USA und Großbritannien, in denen die neoliberale Propaganda seit langem herrscht, denken die Regierungen gleichwohl nicht im Traum daran, grundsätzliche Entscheidungen über die Atomenergie den Unternehmen zu überlassen. Einen solchen Blödsinn niedergeschrieben zu haben ist schon eine Sonderleistung einer abhängigen deutschen Regierung mit „Marktwirtschafts“-phrasen, das dient nur zur Maskierung der wirklichen Vorgänge.

 

Zum Schluß:

 

Allerdings läßt sich nicht alles auf alle Zeiten vertuschen, die Grundlinien treten doch hervor, und was die CDU/CSU unter Angela Merkel seit Ende 2005 an depressiver Ökopolitik bietet, zeigt erneut, welche Kräfte in diesen Parteien am Wirken sind. Hier wird konzentriert und festgeschrieben, was sich 1979 und 1988-1991, nicht umsonst bereits auch an der Frage der Kernenergie, als der dominierende Geist in diesen Parteien gezeigt hatte. Er verkörpert, in dieser Hinsicht kaum anders als die Grünen und die SPD, die Kapitalsstrategie der inländischen Liquidation oder zumindest die Anpassung daran, die essentielle Abhängigkeit von den USA, und nicht zuletzt die nihilistische Spießergesinnung, sich nur um das gegenwärtige Wohlergehen, aber nicht um die Zukunft des Landes zu kümmern oder jedenfalls den darum notwendigen harten Auseinandersetzungen unbedingt auszuweichen.

 

Diese Gesinnung ist in CSU und CSU bei einem beträchtlichen Teil ihrer Basis, wie auch überhaupt bei Teilen der Bevölkerung vorhanden; daß sie aber im Lande überhaupt ein derartiges Gewicht hat, ist gerade mit ein „Verdienst“ dieser Parteien selbst, man denke einmal an die Erhardsche Ideologie.

Die CDU war, nebenbei bemerkt,  eben nicht nur Heimat eines Fundamentalgrünen vom Typ Wurzelzwerg wie des früheren CDU-Bundestagsabgeordneten Herbert Gruhl, der 1978 austrat, um im Verein mit Pseudolinken von sog. K-Gruppen, Liberalen und auch Nazitraditionen verbundenen Vertretern die Grüne Partei zu gründen, sondern sie blieb es immer für solche Vertreter wie Eduard Pestel, der ein ganz anderes politisches Kaliber als Gruhl darstellt und den Ökologismus auf viel „moderner“ einherkommende Art pushte. Und ein Pestel hat reichlich ideologische Nachfolger in dieser Partei.

 

 

Jetzt macht sich auch wieder bemerkbar, wie die CDU bzw. auch die CDU/CSU trotz unterschiedlicher Herkunft, Klientel und Etiketten vieles an Grundsubstanz mit der SPD und den anderen offiziellen Parteien, von den Grünen über die FDP bis zur NPD teilen. Es sind nicht nur sämtlich Parteien, die ihre Existenz den ausländischen Mächten verdanken, die die Nachkriegsordnung Deutschlands geschaffen haben, namentlich den USA, sondern sie haben auch ihre Abhängigkeit seitdem nie abgeschüttelt. Sie haben zwar ihre grundlegenden Gebrechen – Gebrechen durchaus auch im bürgerlichen Sinn –  über die meisten Jahrzehnte der Bundesrepublik hinweg vor der Bevölkerung immer wieder kaschieren können, indem sie immer wieder die günstige Lage des Landes im internationalen Kräftespiel, die enormen produktiven Kräfte der eigenen Bevölkerung wie auch die Profite aus der internationalen Ausbeutung zum Betrieb eines „Sozialstaats“ nutzten, dessen Hauptzweck immer die Entpolitisierung und Entmündigung der arbeitenden Bevölkerung war. Jetzt aber, wo dessen Ende angesagt ist, wissen sie nicht mehr weiter. Wenn das kurzfristige Konjunkturgejubel abflaut, die Abzocke großer Teile der Bevölkerung noch weiter steigt und die Perspektivlosigkeit der Liquidationspolitik sich stärker offenbart, bleibt nur die Repression gegenüber der Bevölkerung übrig.

 

 

Juli 2005 – überarbeitet Ende 2006

Der Teil über die Liquidation der Hanauer Nuklearbetriebe wurde als IS2006-53 bereits veröffentlicht und hier nur geringfügig an bestimmten Stellen umformuliert.

 

 

[1] Albrecht war auf ausgesprochen ungewöhnlichem Weg zum Regierungschef geworden. Als die vorhergehende sozialliberale Regierung im Jahre 1976 einen Nachfolger für den SPD-Ministerpräsidenten Kubel wählen lassen wollte, stimmten einige ihrer Abgeordneten nicht für den SPD-Kandidaten Kasimier. Dasselbe widerfuhr dem Ersatzkandidaten Ravens. Schließlich bekam Albrecht drei Stimmen dieser sozialliberalen Mehrheit und wurde so zum Chef einer Minderheitsregierung der CDU gewählt. In der weiteren Entwicklung zog Albrecht die FDP in eine Regierungskoalition hinein, der nach weiteren Wahlen eine CDU-Alleinregierung ab 28.Juni 1978 folgte. Diese letztere Regierung fällte die Entscheidung vom Mai 1979 gegen den Bau der WAA in Niedersachsen.

[2] Pestel brachte später, 1977, das Buch „Das Deutschland-Modell“ heraus, als Hauptverantwortlicher zusammen mit anderen Autoren 1977 als Produkt eines eigenen sog. Prognosezentrums nach dem Vorbild des MIT-Instituts, das für den Club of Rome tätig war. Auch wenn er hier keine radikale Anti-Wachstumsprogrammatik für die nächste Zukunft Deutschlands und der globalen Ökonomie zu befürworten scheint, so sind doch die Grundgedanken auch dieses Buches, daß es gelingen muß, den Kapitalismus, die Lohnarbeit und die Abhängigkeit der aufbegehrenden großen armen Teile der Welt, zu retten. Pestels Leitbild sind in diesem Buch bestimmte seinerzeitige Ideen der großen internationalen, vor allem angelsächsischen Energiekonzerne, die sich bekanntlich nie für eine stärkere Entwicklung der Kernenergie und vor allem nicht für eine energiepolitische Emanzipation von Ländern wie der Bundesrepublik aus ihrem Netz der Energieversorgung erwärmen konnten, das gleichzeitig ein Netz der ökonomischen und politischen Druckmittel ist. Gleichzeitig waren der Club of Rome und ebenso Pestel politisch gewitzt genug, um nicht selber als direkte Anti-AKWler aufzutreten, das überließen sie einer irregeleiteten Linken.

 

[3] Die Münchmeyersche Bank war übrigens 1968 mit der Hamburger Bank „Schröder Gebrüder“ und dem Frankfurter Bankhaus Hengst fusioniert worden unter dem Namen „Schröder Münchmeyer Hengst“ (SMH). Ein interessanter Aspekt dabei ist die Hintergrund des Partners Schröder. Es handelte sich dabei um den Hamburger Zweig desjenigen  internationalen Bankennetzes, das unter dem Namen Schröder vor allem in den zwanziger und dreißiger Jahren des 20. Jh. von dem Familienclan Schröder in Zusammenarbeit mit höchsten Repräsentanten der Bank of England und herausragenden Exponenten der Wallstreet wie der Firma der Gebrüder Dulles (Sullivan & Cromwell) betrieben worden war (John Foster Dulles war später von 1953-59 Außenminister des USA in der Zeit des Kalten Krieges, Allan Dulles war der europäische Geheimdienstchef der USA in Europa während des zweiten Weltkrieges und später CIA-Chef). Ein Mitglied des Schröderschen Familienclans, Baron Kurt von Schröder, war als Inhaber der Kölner Bank J. H. Stein der Privatbankier Hitlers und Himmlers und spielte bei der Beschaffung der Mittel für die Nazi-Wahlkämpfe und den Unterhalt ihrer Terroreinheiten wie SA und SS eine große Rolle. In seinem Hause in Köln und in seiner Gegenwart hatte am 4.1. 1933 das Treffen von Hitler und Papen stattgefunden, bei dem die Intrige zum Sturz der Schleicher-Regierung und zur Installation Hitlers als Reichskanzler verabredet wurde, die dann am 30.1.33 zur Durchführung kam.

 

Nun wird niemand allein aufgrund einer Bankfusion im Jahre 1968 behaupten wollen, daß B. Breuel etwas mit der politischen Vergangenheit oder den Ansichten von Partnern ihres Vaters zu tun gehabt habe. Jedoch gibt der Name Schröder, ähnlich wie der IG-Farben-Hintergrund Kieps, Hinweise auf ein bestimmtes Hamburger großkapitalistisches Milieu, das in der Vergangenheit mit dem verbrecherischen Naziregime und seiner Unterstützung durch Kräfte des US-Imperialismus unleugbar besonders verbunden gewesen ist. Wahrscheinlich harrt auf diesem Gebiet noch Einiges der Aufdeckung.

 

[4] Wallmann und Weimar verschwanden bald nach den hier geschilderten Vorgängen mit der verlorenen Landtagswahl 1991 in der politischen Versenkung. Von einer weiteren Karriere Wallmanns ist nichts bekannt. Weimar wurde erst 1999 sozusagen reaktiviert, indem er von Roland Koch wieder in ein Regierungsamt berufen wurde, als Finanzminister.

Klaus Töpfer, der noch einige Jahre als Bundesumweltminister tätig war, bis er von Angela Merkel in dieser Funktion beerbt wurde, wurde dann zu hohen internationalen Funktionen in der UN-Umweltbürokratie berufen.

[5] Möglicherweise hatten Kassing und Fischer zusammengespielt. Während Kassing Weimar und Wallmann mit Andeutungen  über mögliche Verletzungen des Atomwaffensperrvertrags spickte, die diese wohl nicht aus dem Stand beurteilen oder gar dementieren konnten, übernahm Fischer im Umweltausschuß des hessischen Landtags die Frage an Wallmann, ob es dergleichen Verdachtsmomente gebe. Hätte Wallmann mit Nein geantwortet, wären möglicherweise sofort gegenteilige „Enthüllungen“ öffentlich aufgefahren worden, durch Kassing und Fischer selbst oder aber durch andere. Dadurch aber, daß Wallmann  Fischers Frage bejahte, gab er der öffentlichen erzeugten Hysterie Auftrieb. Kassing machte sich einige Tage später demonstrativ über Wallmann lustig, der wohl ‚in schwieriger Lage zu Panik neige’ – seitens eines Journalisten, der gezielt an Wallmann herangetreten war, offenbar um bei diesem vage Besorgnisse zu erzeugen und ihn im Grunde für die Anti-AKW-Kampagne zu instrumentalisieren, eine ziemlich spitze Bemerkung.

 

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Eine kurze Geschichte der Zerstörung der CDU

Friedrich Merz soll kürzlich Kritik am Kurs der Merkel-CDU geübt haben. Es frage sich, wieso diese Partei nach 14 Jahren „Klimakanzlerin“ die Klimaziele nicht erreicht, hingegen die höchsten Strompreise in Europa und die strategische Kontrolle über das Thema an die Grünen verloren habe.

Die Fragen kann man beantworten, Merz allerdings kann es nicht.

Um eine stark vereinfachte und – zugegeben – recht knallig daherkommende Antwort vorweg zu nehmen:

  1. die „Klimaziele“ ­- eine bedeutende Reduzierung des CO2-Ausstoßes zwecks Reduzierung der Erwärmung der Erdatmosphäre – sind nicht tatsächlich die obersten Ziele der „Klimapolitik“. Deswegen kümmert es  manche Entscheider nicht in erster Linie, wenn die Reduktions-Bilanz schlecht ausfällt.
  2. Die hohen Strompreise sind für die vom Finanziellen angetriebene heutige kapitalistische Ökonomie etwas Gutes, nichts Schlechtes. Wenn die Strompreise hoch sind, fließt viel Geld „aus der Mitte der Gesellschaft“, und wenn viel Geld fließt, geht es dem Finanzkapital gut. Ein wichtiges reales Ziel ist, von diesem Standpunkt aus gesehen, erreicht.  Merz als Insider des Finanzkapitals (Manager bei Blackrock, dem weltweitgrößten Vermögensverwalter) müsste das wissen, aber er darf es nicht sagen. Stattdessen spielt er hier den Anwalt des Stromverbrauchers.
  3. Wenn man wie die Merkel-CDU das Kernelement seiner politischen Propaganda der „grünen“ Weltvorstellung entlehnt, stärkt man diese und führt das eigene Wählervolk schließlich der original-grünen Partei zu.

 

Jemand, der weniger an Kapitalinteressen gebunden ist als Merz und seinesgleichen, könnte versuchen, die Verstrickungen des gesamten Komplexes „Energiewende“ aufzudröseln. Da derzeit allerdings anscheinend niemand sonst da ran gehen will, unternehme ich mit meinen bescheidenen Kräften einen Versuch. Leser müssen leider damit rechnen, dass es etwas länger und umständlicher wird, denn es muss tiefergehend über Antriebe des Kapitalismus, speziell auch des Kapitalismus in Deutschland, und das Verhältnis der CDU zu ihm gesprochen werden.

Meine These: Keine Partei konnte effektiver als die CDU die bisherige große Umgestaltung der Stromwirtschaft seit etwa 1990 durchführen, sowohl den bereits fast vollendeten Ausstieg aus der Kernenergie als auch den jetzigen Einstieg in den Ausstieg aus der Kohlenutzung.

Beide Ausstiege zusammen sollen die Erneuerbaren Energien  als Hauptsäule der Stromversorgung unausweichlich machen.

In Wirklichkeit können die Erneuerbaren Energien  diese Funktion höchstens eingeschränkt übernehmen, denn die Stromversorgung in Deutschland  bleibt in hohem Maße, wahrscheinlich höher als je zuvor, auf Gaskraftwerke zur Stabilisierung des Alternativstroms und auf die Stromzulieferungen aus anderen europäischen Ländern, auf Basis von Kernenergie und Kohle, angewiesen. Dieses Thema wird aber öffentlich kaum beleuchtet, um den Glauben nicht zu erschüttern.

Warum war es  gerade  die CDU/CSU, die am besten diesen Umstieg managen konnte – und  trotz ihrer tragenden Rolle jetzt die Prügel einstecken muss?

Ein Grund liegt wohl darin, dass der Umstieg auf die sog. Erneuerbaren Energien  nur schrittweise, über Jahrzehnte hinweg möglich war und weiterhin nur schrittweise möglich ist – sollte er überhaupt noch sehr viel weiter führen und nicht abgebrochen werden. „Schrittweise“ bedeutet hierbei v.a., dass keine wesentlichen kapitalistischen Interessen unter die Räder kommen, und dass es keine größeren technischen Zusammenbrüche, bspw. blackouts gibt, die in der Bevölkerung Unruhe erzeugen.

Die CDU hat sich unter Merkel zum Werkzeug dieser Transformation gemacht, nachdem die Spitzen des deutschen Kapitalismus zu dem Schluss gekommen waren,  der Weg zu den Erneuerbaren Energien sei für sie der letztlich günstigste (vielleicht vom übergeordneten Lebensinteresse des Kapitalismus her – ich versuche diesen Aspekt weiter unten etwas ausführlicher zu erklären) .

D.h. die Partei, die infolge ihrer traditionellen, relativ größten Nähe zu den Chefetagen des gesamten kapitalistischen Systems in Deutschland den Prozess derart steuern konnte, musste immer auch von den politischen Kräften, die bloß die Propaganda machen, aber selbst keine Verantwortung zu tragen brauchen, sich als Bremser, als Kapitalsknecht, als Klimaverbrecher beschimpfen lassen.

Mit ihnen einig im Ziel, mehr noch: unentbehrlich für dessen Verwirklichung, muss die CDU allerdings nun nach und nach sich eingestehen, dass diese Kräfte politisch von ihr parasitieren und ihr die Wählerschaft abgraben.

Der Hauptgrund für diese Schwäche liegt darin, dass die CDU/CSU die grundlegende kapitalistische Übereinkunft nicht beim Namen nennen darf und kann.  Könnte sie zur Sprache bringen, dass die entscheidenden Antriebe für den Kernenergieausstieg und die sog. Klimapolitik aus  Zwängen des deutschen Kapitalismus entspringen; könnte sie argumentieren:  die „Radikalen“ dieses Umbaus donnern bloß propagandistisch dasjenige auf, was im Interesse der kapitalistischen Ordnung liegt –  dann wäre es aus mit deren politischen Aufwind.

Nun ist die Situation mehr als dumm. Jetzt verliert sie als Klimaverbrecher die Wahlen zugunsten der Grünen, die zu dem losen Propagandapack gehören und eigentlich die Kerntruppe desselben bilden, und muss sich andererseits von Leuten wie Merz, der wohl bestimmte  kapitalistische Unzufriedenheiten aufnimmt, um selbst ans Ruder zu kommen, sagen lassen, das Ganze sei gemessen an seinen angeblichen Zielen ein billionenteurer flop, ökonomisch unbefriedigend und spiele auch noch dem Gegner in die Hände. Die CDU zeigt Anzeichen einer Spaltung zwischen Vertretern, die selbst nun noch klimaintensiver zu werden versprechen, und anderen, die mit der Unzufriedenheit  gegenüber den miserablen Resultaten der Klimapolitik taktisch operieren wollen, wie Merz – ohne den Zusammenhang zerreißen zu können.

 

Eine kurze Geschichte der (Selbst-)Zerstörung der CDU

Man mag die unschöne Lage der CDU mit Schadenfreude oder Bedauern oder auch desinteressiert konstatieren: sie hat sie sich jedenfalls selbst zuzuschreiben.

Anscheinend wird die Zahl der Wähler rasch und drastisch kleiner, die an dieser Partei noch irgend  einen Grund finden sie zu wählen; die Zahl derer, die Gründe finden, sie nicht mehr zu wählen, wächst deutlich. Nicht zu unterschätzen in ihrer negativen Wirkung auf das öffentliche Bild dieser Partei ist offenbar derzeit eine Propagandawelle  namentlich unter jungen Wählern und noch Jüngeren, die CDU sei sowieso das Unmöglichste, weil sie der schlimmste Bremser gegen den „Klimaschutz“ sei. Kurz zuvor war sie schon, auch  namentlich unter Jugendlichen, wegen ihrer Aktivität für ein neues europäisches Urheberrechts-Schutzgesetz schwer unter Beschuss gekommen – aber das ist ein Seitenthema, das ich hier links liegen lassen will.

Der politisch interessanteste und vertrackteste Bereich, die Energie- bzw. Klimapolitik der CDU erfordert eine nähere Betrachtung über einen längeren Zeitraum hinweg. Stimmt es, dass die CDU diejenige Partei ist, die sich notwendigen Änderungen – notwendig aus der Sicht bestimmter anderer Parteien und aus der Sicht der tonangebenden Medien – immer zäh widersetzt? Ist sie die Partei, die – in dieser Sicht – zugunsten von kapitalistischen Profitstrukturen Gesundheit und Leben der Bevölkerung riskiert, ja die Existenz des Planeten?

Man kann es auch einmal etwas anders zu verstehen versuchen. Vielleicht macht das mehr Sinn.

Seit 2005 war und ist die CDU immer die wichtigste Regierungspartei auf Bundeseben, auch in vielen Bundesländern war sie und ist sie teilweise noch in den Landesregierungen. Seitdem Frau Merkel 2005 Kanzlerin wurde, bildet die Energiewende den konstantesten Programmpunkt der Bundesregierung. Der von ihr so genannte Kampf gegen den Klimawandel ist ein Wort, das seitdem ohne Widerspruch alles durchzieht, ob es sich um Energiepolitik in Deutschland, europäische und internationale Konferenzen, die Schulbildung oder den Sprachschatz der Medien handelt. Konkret bedeutet für alle diese Instanzen  der Kampf gegen den Klimawandel – soweit er sich überhaupt praktisch umsetzen lässt, d.h. nur im eigenen Land – dass man vor allem die Stromerzeugung auf die Erneuerbare Energien   umstellt, was in den nächsten Jahrzehnten bis zur Vollständigkeit erreicht werden soll. Sowohl die Kernenergie als auch Stein- und Braunkohle als Basis von Kraftwerken sollen vollständig wegfallen (wobei eine gewisse Unlogik konstatiert werden kann, denn Kernkraftwerke  geben kein CO2 in die Atmosphäre ab.  Aus diesem Grund plädieren viele andere Instanzen weltweit, sofern sie überhaupt selbst den Schutz vor CO2 fordern, nicht gegen, sondern für den Ausbau der Kernenergie. Eine weitere Komponente von Unlogik dabei ist der europäische Energieverbund, aufgrund dessen Deutschland  erheblich den  Kohle- und Atomstrom anderer europäische Staaten mitnutzt).

Ferner sollen Benzin und Diesel für den Fahrzeugantrieb wegfallen und durch Strom aus Erneuerbare Energien   ersetzt werden.

Dieses Programm der Umstellung auf Erneuerbare Energien   erfordert aus volkswirtschaftlicher Sicht gigantische Investitionen. Die gesamte Autoindustrie wird umgebaut, zahllose Kraftwerke werden stillgelegt, Nord- und Ostsee werden mit Windparks  bepflastert, was wiederum und neue Leitungssysteme quer durch die Republik erfordert ….

Es liegt auf der Hand, dass die deutsche Wirtschaft und die Verwaltungen solche Umbauten nur über einen längeren Zeitraum erbringen können. Das notwendige Kapital (die Rede ist von tausenden Milliarden Euro) kann unmöglich innerhalb weniger Jahre mobilisiert werden, sondern dafür müssen Jahrzehnte veranschlagt werden. Ebenso wenig kann die erforderliche Masse an Arbeit, an Knowhow, an Planungen und Bauten innerhalb weniger Jahre bereitgestellt werden. Alle Forderungen nach „sofortigem Ausstieg“, sei es aus der Kernenergie, der Kohleverstromung, dem Verbrennungsmotor etc. sind plakatives Getöse  und können nur deswegen immer wieder erhoben werden, weil ihre Autoren keinerlei praktische politische, technische oder bürokratische Verantwortung tragen müssen.

Unter diesen Bedingungen muss man der CDU anerkennend zugestehen, dass wohl keine andere Partei die Energiewende so rasch und energisch in die Praxis umsetzt wie die CDU (die CSU wie immer voll dabei, wenn auch gelegentlich bayrisch-grantelig). Den Ausstieg aus der Kernenergie haben zwar SPD und Grüne (in der Schröder-Fischer-Regierung 1998-2005)  im Jahre 2000 in Abstimmung mit den großen Stromkonzernen und der Deutschen Bank beschlossen, aber erst sehr wenig davon noch in ihrer Regierungszeit durchgeführt. Es war die CDU unter der Merkel, die in den Folgejahren – nach einigem Hin und Her – die Führungen der wichtigsten deutschen kapitalistischen Großfirmen auf  einen konkreten Konsens über den Zeitablauf der Abschaltungen bis auf Null verpflichtet hat, den sog. energiepolitischen Konsens von Herbst 2010 zusammen mit dem entsprechenden Bundesgesetz, und die wenige Monate darauf, Anfang 2011 mit der Begründung „Fukushima“ eine enorme Beschleunigung des Abschaltplans um Jahrzehnte durchgezogen hat. Das überraschte damals fast alle, denn der Konsens von 2010 hatte zunächst einen zeitlich gestreckten Ausstieg vorgesehen und die CDU war schweren Angriffen vonseiten der Kernkraftgegner ausgesetzt, aber diese konnten ja nicht die radikale Wende in ihrem Sinne voraussehen, die Frau Merkel wenige Monate später handstreichartig vollzog.

Und wieder ist es nunmehr, seitdem in der Stromwirtschaft der Kohleausstieg zum dominierenden Thema geworden ist, die CDU/CSU, die als die entscheidende Partei der GroKo die praktische Umsetzung garantiert. Es gibt kein Land in Europa, vom globalen Rahmen ganz abgesehen, das mit dieser Radikalität in der Praxis vorangeht, und die entscheidende Partei für den gesamten Prozess ist nach wie vor die CDU/CSU.

Das öffentliche Bild jedoch, das fast alle anderen Parteien – SPD, Grüne, Linke – und faktisch alle Medien von ihr zeichnen, lohnt ihr diese Anstrengungen in keiner Weise. Die CDU/CSU ist der Klimaverbrecher, der Bremser wider alle angeblichen wissenschaftlichen Erkenntnisse. Ihre Wählerbasis zerrinnt in zwei Richtungen: manchen ist die CDU nicht „grün“ genug, wie dem Youtuber Rezo oder den Fridays for Future-Demonstranten; manchen zu grün, weil sie diese doppelte Ausstiegspolitik nicht tragen wollen.

Freilich spielen bei dem Verlust von Wählerzahlen auch andere Fragen eine Rolle wie die Migration. Diese Fragen haben jedoch eine andere Struktur und müssen hier einstweilen ausgeklammert werden.

Ich vermag nicht zu sehen, wie diese Partei der Auszehrung und der Herabstufung auf das Niveau ‚unter ferner liefen‘ entgehen will, was sie dem entgegensetzen könnte. Und es ist auch nicht schade um sie. Sie hat sich das selbst eingebrockt, sie hat sich in der Energiepolitik selbst in eine Verlogenheit hineingesteigert, aus der sie keinen Ausweg mehr finden wird.

Diesen Prozess, der sich nunmehr über mehr als 30 Jahre hinzieht, will ich in seinen Hauptstationen kurz nachzeichnen.  Er hat i.w. zwei Phasen: die zunehmend feindliche Politik gegenüber der Kernenergie spätestens seit den 80er Jahren, und die Erhebung des sog. Klimaschutzes, anders ausgedrückt: die Dekarbonisierung bzw. der Umbau der inländischen Energiewirtschaft in Richtung Erneuerbare Energien seit der Merkelschen ersten Kanzlerschaft 2005 ff.

Zur ersten Phase, der Wendung der CDU gegen die Kernenergie

In den 70er Jahren wurde der sog. „Kampf gegen die Kernenergie“ als großes öffentliches Thema ausgerufen, dem die CDU/CSU sich zunächst als Parteiganzes nicht unterordnen wollte, dem sie aber recht bald nicht nur große Zugeständnisse machte, sondern dem die Partei schon bald als Werkzeug an entscheidenden Stellen sich zur Verfügung stellte.

Um diese Entwicklung zu verstehen, muss man allerdings das völlig oberflächliche  offizielle Schema für die gesamte Entwicklung auf diesem Gebiet entschieden in Frage stellen, das da lautet: ‘Umweltschützer zwingen durch jahrzehntelangen hartnäckigen Kampf deutsche staatstragende Parteien,  ihre Ziele wenigstens teilweise zu übernehmen ‘.

Es waren da noch ganz andere, stärkere Kräfte aktiv, auf die deutschen staatstragenden Parteien in diese Richtung einzuwirken, aber sie blieben im Hintergrund.

In den 70er Jahren und weiterhin kamen mehrere Interessen zusammen, keineswegs bloß die  Angst vor Atomunfällen, die die meisten öffentlich Protestierenden wohl  antrieb, und ballten sich in der deutschen Auseinandersetzung um die Kernenergie

Eine Richtung lässt sich grob als Ent-Industrialisierungspolitik umreißen. Diese Richtung hatte und hat viele weitere Facetten auch außer der Energiefrage, jedoch ist diese besonders symptomatisch wegen  der zentralen Bedeutung  sicherer und günstiger Energieversorgung für ein industrielles ökonomisches System wie die damalige Bundesrepublik Deutschland

Entindustrialisierungs-Ideen tauchen seit nunmehr zwei Jahrhunderten immer wieder auf bei Ideologen und Politikern des Kapitalismus, wenn sie sich um die Sicherung ihres gesellschaftlichen Systems Sorgen machen. In den hochentwickelten kapitalistischen Ländern, die noch in den 70er Jahren, ganz anders als heute, im Weltmaßstab die Hauptmasse der modernen Industrie und der entsprechenden Arbeitermillionen beherbergten, entstanden immer wieder verschiedene Konzepte, der anhaltenden Proletarisierung entgegenzuwirken, in der man die Gefahr von Revolten und sozialistischen Bestrebungen erkannte. Eines der Konzepte war die Verlagerung  von Produktion in Kolonial- bzw. Entwicklungsländer, andere  forderten ganz grundsätzlich eine Abkehr von industrieller Produktion, was konsequenterweise mit radikalen Bevölkerungsverminderungen einhergegangen wäre. In Deutschland hatte sich in den 50er und 60er Jahren die Industrialisierung und Proletarisierung besonders intensiv entwickelt, und gerade hier waren naturgemäß solche Sorgen in bestimmten Kreisen recht stark; sie wurden seit Ende der 60er Jahre durch eine plötzliche und ziemlich radikale Linkswendung („proletarische Revolution“) großer Teile der politisch aktiven Jugend zusätzlich angestachelt, die allerdings nicht lange anhielt.

Die Entindustrialisierungstendenz in Deutschland hatte unterschiedliche Träger.

Zum einen gab es schon lange eine eingewurzelte konservative Rückwärtsrichtung, die bspw. im Nazitum die vehemente Forderung nach Re-Agrarisierung des „deutschen Volkskörpers“ erhoben hatte, aber auch, was wenig bekannt ist, bei wichtigen gesellschaftstheoretischen Exponenten der Nachkriegszeit namentlich in der CDU sich fortsetzte. Diese schrieben bspw. vom Ideal einer „Kreislaufwirtschaft ohne Wachstum“,  wurden aber einstweilen von der Erhardschen Produktions-und Konsum-Ideologie auf hintere Plätze verwiesen (man erinnere sich immerhin, wie stark solche Erscheinungen dann in der Formierung der „Grünen“ wieder nach vorn traten mit den Träumereien vom handwerklich-bäuerlich geprägten Dorfkiez als idealer Vergesellschaftungsform, und mit dem relativ unverhohlenen Wiederauftreten von Alt-Rechten und anderen Fast-Nazis in Parteiorganisationen und –funktionen der sich formierenden grünen Partei).

Mitte der 70er Jahre entdeckten auch „modernere“ Vertreter des Kapitalismus die „Überindustrialisierung“ des Landes, verlagerten Produktion in Entwicklungsländer und verkauften den „blauen Himmel über der Ruhr“ als allgemeine Volksbeglückung – erhebliche Teile des Volkes hatten sich dann in den folgenden ca. 15 Jahren bis zur Wiedervereinigung an Massen- und Dauerarbeitslosigkeit zu gewöhnen.

Eine weitere rasante Entwicklung der Kerntechnik hätte quer zur Entindustrialisierungspolitik gestanden und wurde entsprechend bekämpft, was aber auf der Oberfläche wenig in Erscheinung trat. Das öffentliche Bild sollte von Umweltschützern und „linken“ radikalen „Chaoten“ bestimmt werden, nicht von einer bedeutenden Richtung im Kapitalismus.

Für das Grundverständnis dieser Richtung und der gesamten internationalen ökonomischen Entwicklung der Jahrzehnte bis heute ist es entscheidend zu sehen, dass die Entindustrialisierung entwickelter Länder grundsätzlich eine verstärkte Industrialisierung bisheriger Entwicklungsländer bedeutet. Der Aufstieg Chinas stützte und stützt sich noch immer auf das westliche Kapital, das enorme Produktionskapazitäten dort mit aufgebaut hat, während in den Stammländern viel Kapital fehlt und zahlreiche Verfallserscheinungen auftreten, besonders drastisch in den USA zu beobachten.

Es konnte im Zuge dieser Verlagerungspolitik den radikalen Wachstumsgegnern nicht gelingen, weltweit ihren Negativismus zum Erfolg zu führen, denn die große Masse der Weltbevölkerung in den Entwicklungsländern drängte naturgemäß und nun auch mit partiellen Erfolgen darauf, endlich an Produktion und Konsum sich beteiligen zu können. In den privilegierten Ländern wäre eine grüne Austeritätspolitik hinweggefegt worden. Das Programm des „Club of Rome“ hatte keine Chancen, verdrehte allerdings manchen die Weltsicht.

Global gab es in der Summe keine Entindustrialisierung, sondern vielmehr ein beträchtliches Wachstum der industriellen Produktionsweise auf kapitalistischer Grundlage. Während Länder wie die USA und Großbritannien relativ stark, Westdeutschland etwas weniger sich entindustrialisierten, wurde China zur „Werkbank der Welt“; auch in anderen ostasiatischen Ländern investierte der westliche Kapitalismus entsprechend, wenn auch nicht in Größenordnungen wie in China. Auch Osteuropa nahm an solchen Entwicklungen teil.

Das kapitalistische globale Wunschschema war und ist weiterhin die Konzentration von Kapitalmacht, Reichtum, Luxus und relativ leichtem Leben selbst für breitere Teile der Bevölkerung in den Stammländern, auch deren soziale Pazifizierung – ermöglicht durch riesige Zuflüsse von Profiten aus der harten und miserabel entlohnten Arbeit, die in der Dritten Welt mittlerweile von vielen hunderten Millionen neuer Proletarier und anderer Abhängiger geleistet wird. Dort der Dreck und der Schweiß, hier die Luxusprobleme, einschließlich der mentalen Verflachung  großer Bevölkerungskreise und des Umsichgreifens ökologistischer Betulichkeit.

Ein dritter Faktor des Drucks auf die Kernenergie in Westdeutschland war ein internationaler. Weder die USA noch die damalige zweite Supermacht, die Sowjetunion waren bereit, eine international führende Position Westdeutschlands in der Nukleartechnik zu akzeptieren, wie sie sich damals klar  abzeichnete. Sie intervenierten teilweise recht direkt, hauptsächlich aber indirekt durch die Medien und Organisationen, die sie erheblich mit kontrollierten, und durch mit ihnen besonders verbundene Politiker gegen deutsche Schlüsselprojekte wie die Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen sowie gegen den Export deutscher Nukleartechnik bspw. nach Brasilien, und schürten generell eine Anti-KKW-Stimmung in der BRD.  Übergreifender Propagandabegriff hier war, dass man Deutschland und andere Länder nicht an die Bombe kommen lassen dürfe, während sie ja bekanntlich in den Händen einer Supermacht wie der USA, oder auch der Sowjetunion, ein Segen für den Frieden der Menschheit sei.

Charakteristisch für die Konstellation der 70er waren auch bspw. die überraschenden „Enthüllungen“ der damals politisch mit führenden Zeitschrift „Der Spiegel“ im Jahre 1973,  dass  die Kernenergie die Hoffnungen enttäuscht habe  und man in den USA selbst nicht mehr recht daran glaube. Diese Warnungen gingen der Formierung des ersten breiteren Widerstands in Deutschland  gegen die Kernenergie voraus, und nicht etwa umgekehrt. Dieser Widerstand (Whyl) war zum Zeitpunkt der Warnung des „Spiegel“ noch in – für sich genommen – unbedeutenden Anfängen.

Was war der Hintergrund solcher Warnungen vor der Kernenergie aus den USA, die der „Spiegel“ übernahm? Ein wichtiger Hintergrund, neben dem Missfallen an der Entwicklung der Kerntechnik in Deutschland  überhaupt: 1973 war das Jahr des „Ölpreisschocks“ gewesen, der an und für sich weltweit einen Run auf Kernenergie hätte auslösen müssen. Hätte sie sich perspektivisch als künftige Hauptenergiequelle gegenüber dem Erdöl durchgesetzt, wäre die Führungsstellung der USA (mit ihren Ölmultis und der Kontrolle der Finanzsysteme der kapitalistischen Welt durch den ölgestützten Dollar) in Gefahr geraten. Es musste den USA vorrangig um die Verteidigung dieses ihres imperialistischen ökonomischen Hauptstützpfeilers gehen, und sie schwenkten auf eine Politik der teuren Energie um; die Kernenergie musste eingeschränkt, das ölgestützte Energiemonopol der USA  und die Abhängigkeit aller Energieverbraucher der kapitalistischen Welt vom US-Dollar unbedingt verteidigt werden. Die bisherige Propaganda der USA und des kapitalistischen Westens überhaupt, die Kernenergie werde künftig den  wesentlichen Beitrag zu einer rationelleren und preisgünstigeren Energieversorgung beisteuern, eine Ansicht, die auch in Deutschland  hinter der starken Förderung der Kerntechnik stand, wurde nun als satanische Irreführung denunziert, mit der man die unvermeidlichen Verstrahlungen ganzer Bevölkerungen hatte verschleiern wollen.

In den folgenden Jahren kann man beobachten, wie die CDU und auch die CSU sich der Anti-Kernenergie- Richtung zunehmend annähern. Erst wird der Wiederaufarbeitung eine Absage erteilt (Niedersachsen unter der Regierung Albrecht/CDU 1979; auch das Ersatzprojekt in Bayern – Wackersdorf – , für das die CSU sich zunächst eingesetzt hatte, verschwand nach einigen Jahren in der Versenkung). Dann, 1988/9, spielt die hessische CDU-Landesregierung unter Wallmann und Weimar die Hauptrolle bei der regierungsamtlichen Ruinierung der Nuklearbetriebe in Hanau, die für die Produktion von Nuklearbrennstoffen und die Forschung an deren Weiterentwicklung für die BRD die zentrale Stellung innehatten. Joschka Fischer konstatierte damals begeistert, dass ausgerechnet Wallmann von der CDU der Nuklearindustrie dermaßen zwischen die Hörner gehauen habe, dass sie in die Knie gegangen sei. Diese Vorgänge stellten bereits die entscheidenden Weichen gegen die Kernenergie in Deutschland. (Ich habe 2006 eine ausführliche Darstellung dieser Vorgänge erstellt, die demnächst hier abgerufen werden kann.)

Charakteristischerweise basierte die hessische Landesregierung ihre Schritte auf falsche, von den einschlägigen Medienorganen jedoch wochenlang hochgekochte  Beschuldigungen, es sei gegen Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrages verstoßen worden, eines Machtinstruments der damaligen Supermächte. Man unterstellte fälschlich, dass die Betriebe untergründig an verbotenen Atomwaffenplänen sich beteiligt hätten. Es dauerte dann auch nicht mehr allzu lange, bis der seinerzeitige Umweltminister der Regierung Kohl, Klaus Töpfer, sich als fundamentalistischer Gegner der Kernenergie bekannte. Seine Nachfolgerin im Amt seit 1994, Angela  Merkel, erklärte dann ihrerseits, es würden auf absehbare Zeit keine neuen Kernkraftwerke in Deutschland  mehr gebaut werden.

In dieser Zeit, diesen Vorgängen hat sich eine Grundverlogenheit der CDU/CSU in der Energiepolitik gebildet.

Nie durfte öffentlich seitens dieser Parteien über die entscheidenden Kräfte im Hintergrund ihrer Politik gesprochen werden, weder über die Entindustrialisierungs- oder besser: Produktionsverlagerungs-Tendenz des eigenen Kapitalismus noch über antiindustriellen Konservatismus in den eigenen Reihen (der Hauptpropagandist der Kernenergie in der Zeit seit etwa 1955 in der BRD war bezeichnenderweise die SPD gewesen, nicht die CDU/CSU), und auch kaum über den Druck äußerer Mächte und deren starke Einflüsse auf den westdeutschen Medienapparat, der mehrheitlich ja schon bald auf die Propaganda gegen die Kernenergie eingeschwenkt war.

Die CDU/CSU versagte vollkommen  da, wo sie hätte politisch aufklären und wichtige Interessen der Mehrheit der BRD-Bevölkerung verteidigen können. Sie wurde schon in dieser Zeit mehr und mehr zum bürokratischen Vollstrecker einer Politik, die sie doch nicht öffentlich verteidigen konnte und teilweise auch selbst noch ablehnte. Gleichzeitig in der Regierungsverantwortung daran gebunden, den Ausstieg aus der Kernenergie ohne allzu auffällige ökonomische Einbrüche zu organisieren und daher auf eine längere Zeit zu verteilen, wurde sie unweigerlich zum ewigen Angriffsziel  aller „radikalen“ Propagandisten des Kernenergie-Ausstiegs, zum ewigen „Bremser“, zur angeblichen Gefahr für Gesundheit und Leben der Bevölkerung.

 

Die CDU in Zeiten der Dekarbonisierung (Kohlestrom und Verkehr)

Diese unglückliche Position kommt ihr nun erneut zu in der sog. Klimapolitik, d.h. der Ersetzung der Energieerzeugung aus fossilen Brennstoffen (Öl und Kohle) durch Stromgewinnung aus Wind- und Sonnenwirkungen. Heute spielen allerdings treibende Faktoren der Anti-Kernenergie-Tendenz der 70er Jahre, der Proletarisierungsdruck und die Gegnerschaft der Supermächte, kaum mehr eine so gewichtige Rolle; andere Antriebe stehen hinter der heutigen Klimapolitik. Dazu weiter unten.

Zunächst zu den Behauptungen über das Klima selbst.

„Klimapolitik statt Profite“ ??? – Profite durch Klimapolitik!

Die theoretischen Grundlagen dieser Politik sind ebenso wackelig wie die kapitalistischen Interessen an ihr massiv. Es ist ein Märchen, dass „Klimapolitik“ gegen die Profite stehe, das Gegenteil ist wahr. Unter ‚Klimaschutz durch CO2-Vermeidung‘  läuft mittlerweile das derzeitige eigentliche große kapitalistische Projekt, das Projekt des Gesamtsystems, mit dem es bestimmten historischen Schwierigkeiten aus dem Weg gehen will.

Längst haben kapitalistische Strategen international verinnerlicht, dass mit Abwrackungen und mit „disruption“ ganzer herkömmlicher Produktionszweige das Gesamtsystem viel besser am Laufen gehalten werden kann, kapitalistisch gesprochen: dass man mehr Profite generieren kann als mit mehr oder weniger geradliniger Weiterentwicklung bestehender Techniken und Branchen. Wrackt den Diesel ab, mit der Elektrowende lässt sich viel mehr Geld machen als mit der Fortführung der bisherigen Techniken. Wrackt das gesamte System von Stromerzeugung und –verteilung ab, mit den gesetzlich erzwungenen hohen Strompreisen fließt viel mehr Geld als bisher für viel mehr Firmen als bisher – so könnte man vereinfacht diese Logik kennzeichnen.

Mehr denn je beruht heute die Vitalität des Kapitalismus überhaupt auf ständigen Umbrüchen und Neuansätzen. Es ist zu großen Teilen eine künstlich erzwungene „Vitalität“. Regierungen erzwingen mit Gesetzen Abwrackungen in großem Stil und nehmen die Bevölkerung für die Finanzierung der Innovationen in Anspruch – deren praktischer Nutzen für die Masse jedoch oft höchst fragwürdig erscheint. Aber der Kampf gegen die „säkulare Stagnation“ (wie eine  Selbstdiagnose höchster kapitalistischer Vertreter lautet) muss unter allen Umständen Vorrang haben, denn sonst erhebt sich die Systemfrage. Weiteres dazu s.u.

Was die theoretischen Grundlagen der Klimapolitik betrifft, so baut sich hier eine abenteuerliche Annahme auf die andere, aber in der Sprache unserer Medien und Politiker sind sie alle zweifelsfrei wissenschaftlich bewiesen.

Die erste Annahme bezieht sich auf den Anteil der menschlichen Zivilisation am Klimawandel.

Klimawandel ist auf diesem Planeten seit Beginn seiner Existenz der Normalfall. Er hat längst ohne jedes Zutun menschlicher Aktivitäten schon viel dramatischere Kurven gezeigt als sie jetzt beobachtet werden. Die Behauptung, der gegenwärtige sei klar auf die industrielle Zivilisation zurückzuführen, ist schwierig aufrechtzuerhalten. U.a. ist es bisher nicht möglich, die möglichen Ursachen für Klimawandel  überhaupt klar zu definieren und in eine Rangordnung zu bringen, geschweige denn einen menschlichen Anteil daran zu messen. Korrelationen mit dem Aufstieg der industriellen Zivilisation überzeugen wenig, denn in den letzten tausend Jahren vor Beginn derselben haben sich auch schon immer wieder drastische Klimaänderungen vollzogen, von längeren Zeiträumen zu schweigen.

Die Schäden für menschliche Gesundheit und Umwelt, die mit massenhaften Produktions- und Verkehrsprozessen auf Basis von Verbrennung fossiler Energieträger zweifellos einhergehen, motivieren viele Mitbürger, an der Verheißung einer Dekarbonisierung Gutes zu finden. Den Verkehr zu elektrifizieren ist mE wirklich eine gute Idee; wenn sie kapitalistisch umgesetzt wird, fragt sich allerdings auch, welche Teile der Gesellschaft die Hauptlasten eines derartigen Umbaus zu tragen und welche Teile die großen Vorteile daraus zu erwarten haben.

Es geht hierbei auch keineswegs nur um die reichen Gesellschaften selbst, wo Elektrifizierung demnächst in einem gewissen Umfang stattfinden kann,  sondern auch um die armen Länder. Auf diese drohen z.B. die Hauptlasten der Gewinnung und  Verarbeitung der für das Batteriewesen benötigten Riesenmassen an Rohstoffen abgelastet zu werden. Wie bspw. der Kongo in den letzten Jahrzehnten vom kapitalistischen Weltsystem barbarisch ausgeplündert wurde und wird, um billigst an bestimmte Rohstoffe bspw. für die Handyproduktion zu kommen, das könnte leider das Modell für weitere ähnliche globalökonomische Strukturen des Elektroautos werden. Viele Millionen Menschen sind dort bereits der Entfesselung von Banditenmilizen zum Opfer gefallen, die dem Weltkapitalismus den billigstmöglichen Zugang zu den Rohstoffen garantieren.  Wird es mit Lithium, Kobalt etc. in Zukunft zivilisierter zugehen?

Man sollte auch einmal sich vergegenwärtigen, welch grotesken Anstieg im konventionellen Ressourcenverbrauch die Errichtung der notwendigen Massen an Windrädern, Solarfarmen und neuen Leitungssystemen erfordert im Vergleich zu nuklearen Kraftwerkstypen oder selbst popligen Kohlekraftwerken. Welche ungleich größeren Massen an Stahl, Kupfer, Kunststoffen für die Windschaufeln (wohl weitgehend auf Erdölbasis?) etc. pp. müssen hier produziert und verarbeitet werden, um ein bisschen Strom zu gewinnen….

Aber zurück zu den theoretischen Annahmen über Klimawandel und seine Bekämpfung. Dass vor allem das CO2 schuld sei, das aus den heutigen Verbrennungs- und Agrarprozessen massenhaft freigesetzt wird, ist eine weitere Annahme, deren Beweis noch aussteht, auch wenn schon millionenfach bis in die Kindergärten hinein behauptet wird, er sei wissenschaftlich erbracht.

Und nun zu Deutschlands Rolle – und hier wird es nun einfach nur noch lächerlich.

Bekanntlich steht Deutschland in der Intensität und Kostspieligkeit seiner Bemühungen, CO2-Freisetzungen zu reduzieren, weltweit an der Spitze, gefolgt von einer nicht allzu großen Schar anderer Länder, vorwiegend in Europa, die auch einige theoretische Bekenntnisse abgeben und – allerdings schon deutlich weniger – praktisch umsetzen.

Die hinsichtlich Bevölkerungszahlen und ökonomischem Gewicht ungleich größeren Länder wie die USA und China hingegen (dieses mit der 15fachen Bevölkerungszahl gegenüber Deutschland) denken überhaupt nicht daran, die Verbrennung fossiler Energieträger tatsächlich einzuschränken. Bspw. baut China im eigenen Machtbereich und in zahlreichen anderen Ländern massenweise neue Kohlekraftwerke, so in Pakistan oder auch auf dem Balkan. Das hindert die chinesische Führung natürlich nicht an lächelnden Ermunterungen für Merkels Deutschland  und an eigenen Experimenten mit erneuerbaren Energien, die aber gegenüber ihrem Nuklear- und Kohlestrom-Ausbau klein ausfallen.

Die USA unter Trump verspotten die Dekarbonisierung ganz offiziell. Das kann sich zwar unter einer anderen Regierung auch wieder ändern, doch ist die gesamte Struktur des US-Kapitalismus in Innern und weltweit derart eng weiterhin vor allem  mit dem Erdöl verbunden, dass in der Praxis sich nur wenig und langsam ändern dürfte. Ironischerweise hat selbst Deutschland, in dem spätestens seit 2005 die CO2-Vermeidung die oberste politische Priorität genießt und das schon Hunderte von Milliarden in die Erneuerbaren Energien   investiert hat, nach letzten – wohlgemerkt offiziellen – Berichten noch keine Reduzierung des CO2-Ausstoßes erreicht. Darauf spielt Merz an. Nun wird eben versprochen, dass die Reduzierung noch kommen werde.

Aber auch wenn die Reduzierung in Deutschland  bis auf Null und in weiteren Teilen Europas auf einige –zig Prozent kommen sollte: das Maß, in dem durch die deutsche/europäische Enthaltsamkeit die weltweiten Emissionen verringert werden würden, ist mehr als bescheiden. Diejenigen, die an die kardinale Rolle des CO2 tatsächlich glauben, können sich einen Klimaeinfluss Deutschlands jedenfalls getrost abschminken.

Die Hilfsargumentation lautet nun: wenn Deutschland  zugegebenermaßen keine überhaupt spürbare Reduktion der globalen CO2- Emissionen zustande bringt, dann hat es doch eben die Aufgabe, für die übrige Welt Vorbild und Vorreiter zu sein – in fernerer Zukunft wird dann auch der Rest der Menschheit bekehrt und dann doch noch dem Klima die Rettung gebracht. Diese Ansicht ist angesichts der weltweiten kapitalistischen Interessen und Gegensätze völlig daneben. Nur politisch naive Menschen, die von der Welt keine Ahnung haben und auch nicht haben wollen, können Derartiges behaupten. Solche gibt es allerdings in den privilegierten Ländern leider nicht zu wenige, insbesondere unter den Jugendlichen, die seit dem Kindergarten nie etwas anderes als die entsprechende Propaganda zu hören bekommen haben.

So viel zu den fragwürdigen theoretischen Voraussetzungen der deutschen Klimapolitik – und nun zu den elementar kapitalistischen Interessen dahinter.

Kapitalismus, Stagnation und disruption

Es ist derzeit unüblich, den Kapitalismus historisch zu betrachten. Fragen wie z.B.  nach zukünftigen Entwicklungsformen werden umgangen bzw. in die Sphäre der science fiction verwiesen, wo sie zwar mitunter recht auf- und sogar anregend behandelt werden, jedoch ohne die erforderliche Objektivität und Stringenz und den Willen zur Entwicklung gesellschaftlicher Kontrolle.

Man behandelt öffentlich auch kaum solche tieferen Widersprüchlichkeiten, wie sie unter Themen wie ‚tendenzieller Fall der Profitrate‘ oder ‚säkulare Stagnation‘ immerhin schon immer wieder einmal zur Sprache gekommen sind: dass nämlich die historisch unaufhaltsame Höherentwicklung der Produktionsverfahren (bspw. als zunehmende Automatisierung) und die inzwischen erreichte Intensität der  Vergesellschaftung (im Innern der Länder wie auch global) zunehmend quer stehen zum Prinzip des privaten  „Investors“ und Profiteurs. (Ich kann hier keine Begriffserklärungen oder gar Erörterungen leisten, sondern empfehle zu googeln, wenn man eine erste Idee davon bekommen will, was mit solchen Worten gemeint ist.) Die Gesellschaften werden von der modernen Verabsolutierung dieses privategoistischen Prinzips entmündigt, statt dass sie mündiger über ihre eigene Entwicklung bestimmen könnten; sie werden von der Kurzzügigkeit und der wüsten Vernichtungskonkurrenz des Kapitalismus zerrissen statt zu mehr vernünftiger Kooperation und Langatmigkeit finden zu können.

Doch statt zu triumphieren lähmt sich eben dieser Kapitalismus auch selbst. Wichtige zivilisatorische Infrastrukturen lässt er verfallen, bspw. die Bildungssysteme – was auch  ihm selbst Vitalität entzieht; die globale Konkurrenz der Blöcke führt  zu wahnsinnigem Ressourcenverschleiß, bspw. in Form von Hochrüstungen und von  Kriegen, die erneut gewaltige Ausmaße anzunehmen drohen.

Unter solchen Rahmenbedingungen gedeiht auch die Praxis der disruption, der Usurpation ganzer Branchen durch Kapitalisten, bisher oft aus dem Silicon Valley, die aufgrund von Überlegenheiten in der Datenverarbeitung und in der aggressiven Konzentration von Kapitalübermacht dazu in der Lage sind, viele kleinere aus dem Geschäft zu werfen bzw. sich unterzuordnen. Beispiele sind Amazon, das den Einzelhandel zu seinen Gunsten rücksichtslos umstrukturiert, oder Uber auf dem Taxisektor. Hier werden enorme Gewinne gemacht weniger durch Verbesserungen für den Bürger (es gibt allerdings ein gewissen Maß davon, das gesellschaftliche Akzeptanz bringen soll) als durch Zermahlen, Aus- und Aufsaugen bisheriger Strukturen.

In Deutschland  ist disruption eher eine Sache von Regierungen und Gesetzen wie im Falle des Atom- und Kohleausstiegs, bspw. auch der Aufrichtung von neuen Umweltstandards wie im Falle der Kampagne gegen den Diesel (der noch vor nicht allzu langer Zeit umgekehrt von der Regierung als der umweltfreundlichere Antrieb eingestuft und durch Steuervorteile eigens gefördert worden war). Während der Weiterbetrieb bzw. der Ausbau der Kernenergie und der Kohleverstromung ein zwar relativ stetiges, aber nach heutigen Maßstäben profitlahmes Geschäft mit nicht allzu vielen Beschäftigten mit sich gebracht hätte, profitieren nun zahllose Investoren, Geldinstitute, Bau- und Handwerksfirmen von der Schaffung des neuen Systems aus Windrädern und Solarpanels (und die alten großen Firmen der Branche wie EON, RWE etc. natürlich weiterhin kräftig mit).

Es wird eine wirtschaftliche Belebung inszeniert, die aus den enorm steigenden Strompreisen sich speist, die der Masse der Bevölkerung regierungsamtlich aufgezwungen werden. Ein erheblicher Anteil des Wachstums an Beschäftigung im Deutschland  der letzten Jahre dürfte auf die Schaffung von Strukturen der Erneuerbaren Energien zurückgehen. Man muss direkt fragen, was aus der Beschäftigungsstatistik geworden wäre, mit der in der letzten Zeit Regierung und Kapitalismus sich selbst rühmen, wenn es diese Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen nicht gegeben hätte.

Und während der Automarkt schon seit langem Zeichen von Saturierung aufwies, die auch durch die Luxurierung und Vergrößerung der Modelle nicht mehr werden konnte, sodass bspw. VW seit längerem bereits den größeren Teil seiner Profite in China macht, verspricht nun der mehr oder weniger diktierte Umstieg auf die Elektromobilität viel höhere Preise und mehr Neukäufe auch im Inland.

Bis jetzt scheint auch trotz der spürbaren Künstlichkeit dieser Politik eine gewisse Akzeptanz in großen Teilen der Bevölkerung vorhanden zu sein wohl aufgrund des  Gefühls, dass die Gesamtökonomie einmal mehr aus der drohenden Stagnation gezogen werden konnte und große Teile der Bevölkerung davon eben doch in gewisser Weise mit profitiert haben.

Man kann davon ausgehen, dass der normale kapitalistische Instinkt relativ gleichgültig gegenüber Umweltproblemen ist. Wenn das größte Geld gemacht werden kann, indem die Umwelt schändlich behandelt wird, dann wird das eben so gemacht. Wenn aber aufgrund der zahlreichen Sackgassen in der kapitalistischen Entwicklung der Umstieg auf so etwas wie eine ökologische Umstrukturierung einen Ausweg verheißt, dann wird eben der propagiert, dann werden in Zusammenarbeit mit den Regierungen die Kapitalströme hierher umdirigiert. Profitmacherei, Korruption, gesellschaftliche Schädigungen und Umweltschädigungen gehen natürlich weiter, aber bekommen ein grünes Mäntelchen umgehängt – und jeder, der das kritisiert, muss mit dem Vorwurf rechnen, Verschwörungstheorien zu verbreiten, in den öffentlichen Medien mit shitstorms überzogen zu werden und den Maulkorb verpasst zu bekommen.

Merz konstatiert den verwunderlichen Fakt, dass unter der „Klimakanzlerin“ Deutschland  gar keine CO2-Reduktion vorweisen kann, obwohl die Strompreise extrem hochgetrieben wurden, m.a.W. bereits ungezählte Milliarden in Erneuerbare Energien   investiert wurden oder hätten investiert werden sollen. Anscheinend nimmt der Mann die Klimapropaganda für bare Münze. Wenn man sie hingegen nicht als den Kern der Frage nimmt, sondern als eine propagandistische Fassade von neuen Methoden, kapitalistischen Profit zu generieren, dann erklärt sich das Verwunderliche ganz gut. CO2 –Reduktion hin, CO2 –Reduktion her, wir haben den Laden jedenfalls am Laufen gehalten.

Diese Wandlungsprozesse zugunsten der Fähigkeit des Kapitalismus, irgendwie weiterzuwursteln, vielleicht mit der einen oder anderen tatsächlichen Innovation verbunden, hat keine Partei so verantwortlich in der Praxis mit herbeigeführt wie die CDU unter Merkel in den letzten bald 15 Jahren. Sie müsste von den Grünen, der SPD  etc. dafür Dank erfahren. Stattdessen, wie Merz es ausdrückt, hat sie die strategische Kontrolle über die Themen an die Grünen verloren, verliert Parlamentsmandate und bald wohl auch zentrale Regierungspositionen an diese. Wahrscheinlich konnte das anders nicht kommen. Wenn man selbst die Entwicklung in eine falsche Richtung schiebt, dann werden die noch Verantwortungsloseren umso mehr das propagandistische Oberwasser bekommen.

Die  Grünen sind von ihrer politischen  DNA her noch deutlich extremere Vertreter der neo-imperialistischen globalen Ausbeutung als die CDU, sie haben zu allen Zeiten die noch stärkere De-Industrialisierung des Landes, die noch stärkere Verlagerung der Ausbeutung in die ärmeren Teile der Welt gefördert – und hierzulande die entsprechende Entwicklung einer Mentalität des egoistischen selbstgefälligen wohlsituierten Spießers eines reichen Landes. Wenn man wie die CDU unter Merkel die Tendenz nicht kritisiert, sondern die Ökonomie selbst weiter in diese Richtung schiebt, wenn man den Kapitalsknecht macht, selbst daran mitwirkt, den Kapitalismus in diesem Sinne umzustrukturieren, als sei das ein alternativloses Entwicklungsgesetz, verschleißt man sich letztlich selbst und wird überflüssig.

 

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

 

 

 

 

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