Der Euro und solche Euro-Kritiker wie die „Alternative für Deutschland“ (AfD)

 

Das Problem, das von Widersachern des Euro wie z.B. der „Alternative für Deutschland“ (AfD) nicht angesprochen wird, besteht u.a. darin, daß der heutige Kapitalismus wesentlich Finanzkapitalismus ist.

Ich meine damit, daß das Kapital primär auf der Ebene der finanziellen Unternehmen und Institutionen (Banken, Versicherungen, Private-Equity-Firmen, Hedgefonds, Pensionsfonds etc.) konzentriert, organisiert und gelenkt wird. Es heißt absolut nicht, daß die Industrie, die Landwirtschaft etc. nebensächlich oder beliebig manipulierbar geworden wären. Die Industrie ist weiterhin die Hauptquelle des gesellschaftlichen Reichtums, d.h. auch des Kapitals, und an ihrer Produktivität entscheidet sich letztlich auch das Schicksal der Finanzkapitale. Es heißt aber, daß die Organisierung, Kapitalisierung und Lenkung der Produktion ebenso wie ihre Verwertung ihren Schwerpunkt in den finanzkapitalistischen Institutionen und Unternehmen haben und von deren recht spezifischen Interessen und Methoden erheblich mitbestimmt werden. Das Kapital ist mehr denn früher spekulativen, manipulativen Verfahren ausgesetzt und wird zu erheblichen Teilen in dieser Weise bewegt.

Ein europäischer ökonomischer  und politischer Zusammenschluß ist in der Ära dieser globalen Dominanz des Finanzkapitals in erster Linie ein Zusammenschluß der Finanzinstitutionen und Staatshaushalte Europas, und daher eine gemeinsame monetäre Haftung der einen für die anderen, der Machtlosen für die Macher. Er ist letztlich eine gemeinsame Haftung der Bürger für das, was die Finanzinstitutionen und Staatshaushalte in dieser Eurozone so treiben.

Auf andere Weise ist der europäische Zusammenschluß unter den heutigen finanzkapitalistischen Rahmenbedingungen der Weltökonomie nicht zu haben.

Das heißt allerdings nicht, daß dieser Zusammenschluß derart autoritär, bürokratisch-willkürlich, geheimhalterisch und dem Willen der Bürger entzogen gehandhabt werden muß wie das derzeit geschieht. Voraussetzung für eine Besserung wäre das politische Erwachen und die eigene aufgeklärte politische Aktivität der Bürger. Solange aber die Oligarchien die Handelnden und die große Masse der Bürger die Passiven sind, darf  man auch nichts Anderes zu erwarten als was man bisher bekommt, und  Erscheinungen wie die „AfD“ sind im Zusammenhang der Frage des politischen Erwachens nur sehr eingeschränkt zu nennen.

Natürlich wird auf die gegenwärtige Weise, auf die Euro-Weise, d.h. auf dem Weg der finanzkapitalistischen Integration und Organisierung der europäischen Länder vor allem eines sichergestellt: daß es auf den obersten Ebenen mit dem Anwachsen von Macht und Reichtum bestimmter Cliquen vorangeht – sonst hätten die Machthaber dergleichen nicht vereinbart. Das heißt aber unter Bedingungen offener Krisen eben, daß nicht nur die Arbeitseinkommen, sondern auch die Sozialsysteme, die privaten Ersparnisse und kleineren Vermögen, der „Mittelstand“ geschröpft werden, und zwar viel deutlicher als in weniger bewegten Zeiten.

(Diese Schröpfung ist Gesetz jeder kapitalistischen Krise, auch der modernen Krisen. Man könnte sogar sagen, daß diese Ausbeutungsform unter den modernen Bedingungen eine eher permanente, nicht bloß auf Krisenzeiten beschränkte ist, bzw. daß sie in Krisenzeiten eben bloß vehementer wird und dann eben zu Schmerzensphänomenen führt. In weniger krisenhaften Zeiten lebt der kleine und mittlere Kapitalismus, der kleine oder mittlere „Anleger“ normalerweise leidlich zufrieden unter dem Dach der „Großen“, er bekommt ja von ihnen ein paar Brocken ab.)

 Protest aus der Mitte

Eben diese vehement gesteigerte Schröpfung spielt sich nun seit dem Ausbruch der jüngsten Krise seit ca. 2008 ab, und es gibt nun deutliche Kritik der Geschröpften. Sie wollen den Euro auflösen und sehen nicht, daß „ihr“ Kapitalismus nicht mehr möglich ist. Haben sie überhaupt Ideen, wie der aussehen soll? Vielleicht eine Art mittelständischer bzw. früh-bundesrepublikanischer Kapitalismus,  bzw. ein Kapitalismus wie ihn die BRD vor 1989 praktiziert hat? Vielleicht ist er noch möglich, aber als Verfallsform, als eine Form, die noch für gewisse Teile der Welt geeignet ist, die zum Verfall, zum allmählichen Ausscheiden aus den wesentlichen Zentren des  internationalen Kapitalismus vorgesehen sind. Dies ist eine Perspektive, die Deutschland und Europa aus der Sicht manch anderer in der Welt unweigerlich zukommt. Bewußt oder unbewußt handeln manche in Europa selbst aus dieser Perspektive, aber sie ist nicht zwangsläufig.

Bis ca. 1989, als der „Ostblock“ sich auflöste und die alleinige globale Dominanz vom „angelsächsischen“ Finanzkapital, der sog. „Neuen Weltordnung“, der Ordnung des „Neoliberalismus“, und wie die Etiketten alle lauten mögen, beansprucht wurde und der kapitalistische Aufstieg Chinas sich gerade erst andeutete, brauchte man noch keinen Euro. Global herrschten noch andere Rahmenbedingungen. Die neue Welle der kapitalistischen Globalisierung hatte noch keineswegs die universelle Geltung, die sie in den Jahren danach, in den 90ern aufgrund der politischen Entscheidungen im russisch dominierten Bereich und in Ostasien, gewinnen sollte. Vor allem, weil es noch zwei „Blöcke“ gab, die nicht dazugehörten und dies bis dato auch nicht gewünscht hatten, a) die SU mit ihren abhängigen Staaten, ihrem sog. Block, b) China, das  erst in den 90ern sich in großem Maße für den globalen Kapitalismus öffnete. Die Öffnung Chinas bedeutete, daß dieses Land in den kommenden Jahrzehnten vermöge der nun einsetzenden internationalen Ausbeutung von Hunderten von Millionen Menschen eines neuen internationalen Proletariats in China die entscheidende Profitquelle und auch eine zunehmend entscheidende eigene Triebkraft des globalen Kapitalismus wurde. Erst nun wurden im globalen Kapitalismus die internationalen finanzkapitalistischen Formen, die den internationalen Kapitalfluß im erforderlichen Maße ermöglichten (Investmentbanken, Hedegfonds, PE-Kapitale etc.) dominant wie zuvor noch nicht.

Die deutsche Einigung und der Euro

Die deutsche Einigung 1989/90 markiert die Auflösung des Blocks der Sowjetunion, der bald danach auch die formelle Auflösung der Sowjetunion selbst folgte; in den gleichen Jahren beginnt in China die systematische große Öffnung für das internationale Kapital und die Umorientierung Chinas insgesamt auf die Weltmärkte.

In dem Maße, wie die neuen Beziehungen sich durchsetzten, war eine deutsche Bundesbank alten Stils, zwar relativ selbständig, aber im internationalen Maßstab nicht besonders groß, nicht mehr angemessen für die Interessen des deutschen Kapitalismus in der verschärften internationalen Konkurrenz. Auch andere europäische Staaten sahen in der Zusammenlegung ihrer Staatsbanken und Währungen, nicht zuletzt mit den Deutschen, eine Überlebenschance. Es ging keineswegs nur um die Bändigung des befürchteten deutschen ökonomischen Riesen; das ist nur eine der Seiten. Der Euro ist mE wesentlich auch eine deutsche Initiative.

Das internationale Kapital wird weiterhin von den großen finanzkapitalistischen Konglomeraten bestimmt werden, und wenn europäische Länder das eigene Konglomerat, das „Euro“ heißt, aufzulösen geneigt sein sollten, dann werden eben andere, nicht-europäische Konglomerate das alte Europa dominieren.

 Wer profitiert und wie vom Euro-System?

Es ist in dem Eurosystem unvermeidlich, daß Bürger wie in der BRD, die in der Tat mit ihrer immer noch relativ aktiven, umfangreichen und international – noch – erfolgreichen Industrie relativ stark zur Mehrwertproduktion bzw. Kapitalneubildung beitragen, nunmehr die vollends defizitären Ökonomien und Staatshaushalte des Euroraums mitfinanzieren müssen. Genauer gesagt mitfinanzieren sie deren Profiteure, d.h. die Oligarchien der „Defizitländer“. Sie finanzieren deren Reichtum, die Aufrechterhaltung ihrer Herrschaft in ihren Gebieten und ihre Bereitschaft, sich europäisch und nicht außenorientiert zusammenzuschließen, mit. Aber nicht nur dies: sie finanzieren die großen deutschen Konzerne und Banken mit, die mit umfangreichen Lieferungen in diese Länder besonders leichten Profit zu machen gewohnt sind, denn bestellen konnten diese Länder nur aufgrund ihrer ständig wachsenden Verschuldung (s. die Kritik an den „Target“-Salden der Bundesbank).

Strenggenommen ist die Extra-Überschuldung mancher solcher europäischen Staatshaushalte bisher mit ein Werk und eine Profitquelle des deutschen Kapitalismus gewesen. Wenn deutsche Bürger nunmehr daran Anstoß nehmen, hat das den schlechten Beigeschmack, daß sie bisher von der Unterentwicklung, Korruption und Verschuldung dieser Staaten nicht wenig mitprofitiert haben. Ein Anstoß daran wird erst genommen, wenn das Schuldensystem spürbar durch den Zugriff auch auf die eigenen Konten stabilisiert werden soll, wie durch sog. europäische Stabilitätsfonds etc. Für deutsche Bürger, die von Währungsstabilität, d.h. der Sicherheit ihrer Ersparnisse, Renten und kleineren Besitztümer wie Immobilien träumen, fängt die Realität an bitter zu schmecken. Bis zur einer gewissen Grenze brauchte man sie nicht zur Kenntnis zu nehmen, denn man hatte ja eine Menge direkte Vorteile vom System, z.B. Exportstärke; wenn es dann aber unter Krisenbedingungen an den eigenen Wohlstand geht, wird geklagt. Dann entsteht so etwas wie die „Alternative für Deutschland“.

Um diese Zusammenhänge, wie ich sie sehe, noch einmal etwas anders zu beschreiben:

Es wird behauptet, bestimmte“südliche“ Ökonomien seien eben nicht wettbewerbsfähig, oder ruhten sich auf den Euro-Sicherungen aus, man müsse sie eben abstoßen. Das ist eine unzulässige Vereinfachung. Eines müßte doch klar sein: wenn nur die finanzkapitalistischen Risiken und die Risiken der Staatshaushalte, d.h. wenn nur die obersten Ebenen einigermaßen verstaatlicht sind bzw. auf der Ebene der Brüsseler Bürokratie organisiert werden, die einzelnen Oligarchien aber weiterhin selber ihre Sozialsysteme verantworten, industriell etc. den Schlendrian laufen lassen und ihre Staatshaushalte überschulden können, um ihren Bürgern Wohlstand vorzugaukeln – wenn das so gehandhabt wird, müssen eben solche ökonomisch nach unten tendierenden Gesellschaften von den produktiveren Gesellschaften mit durchgefüttert werden. Genauer gesagt, zwecks vermehrter Reichtumsbildung der Oberschichten auch genau dieser Armutsgesellschaften müssen diese Staatshaushalte mit durchgefüttert werden, und es haftet nicht nur der griechische, sondern in der Perspektvie auch der deutsche „Normal“-Bürger. Es bildet sich eine vermischte Oberschicht eines Eurosystems heraus, deren Mitglieder zwar griechische, französische oder deutsche Namen tragen, aber von Eurosystem und den von ihm garantierten Zuständen leben, und zwar provokativ fett. Die deutschen Oligarchen profitieren munter mit, vielleicht sogar am meisten, und sind Mitverantwortliche und Mitgaranten dieses Systems. Dieses Eurosystem wiederum ist Teil eines internationalen finanzkapitalistischen globalen Systems.

Diese Logik wird man diesen Oberschichten nicht austreiben können. Es geht vielleicht folgendes: unter dem Druck der unzufriedenen Mittelständler wie z.B. in Deutschland könnten innerhalb der finanzkapitalistischen obersten Ebene die einen, z.B. aufgeklärte Eurokraten, den anderen, z.B. den Griechen – der griechischen Oligarchie – erklären: ihr müßt sehen, daß ihr intern mehr Steuern eintreibt, müßt mehr investieren etc., es geht nicht mehr an, daß dort wie in vielen anderen Zonen Europas unter halb- oder vormodernen Bedingungen, nicht selten von Mafien und ähnlichen Traditionen der Feudalzeit beherrscht,  Millionen von Menschen vor sich hin prepeln und vom Staat die Anhebung ihrer Einkommen auf das deutsche Niveau versprochen bekommen, was dann in der Tat letztlich auch von deutschen, niederländischen, finnischen etc. Mittelständlern, Sparern, Akademikern  und Arbeitern mit bezahlt werden soll, auch wenn die internationale Ausbeutung den Grundstock des spekulativen Gebäudes bildet.

Aber ein solcher Appell, bzw. eine derartige Politik, die dann eben auch nur mit Hartnäckigkeit und gegen tausend Ärgernisse  durchzusetzen wäre, paßt eigentlich weder den einen noch den anderen: den deutschen Oligarchen nicht, weil gerade sie eine prinzipiell feindliche Stellung gegen das Wachstum der Produktivkräfte einnehmen (was nicht bedeutet, daß sie auf das Wachstum der eigenen Profite verzichten wollten), und vor allem auch weil sie gegen das Wachstum von Konkurrenten sind. Mit ihrer gegenwärtigen Stellung, einer Kombination von industrieller Kompetenz mit deutschen Niedriglöhnen und bevorzugter Stellung im internationalen Finanzkapitalismus,  haben sie eine Art bequemes Monopol innerhalb Europas inne (natürlich nicht sie ganz alleine, es gibt auch in den Niederlanden, Frankreich oder Skandinavien ähnliche Strukturen, wenn auch vielleicht nicht so viele und nicht so bedeutende). Den „griechischen“ Oligarchen würde eine solche Politik ebenfalls ziemlich quer kommen.

Eine wichtige Ergänzung:

Was in Deutschland die Schmerzphänomene besonders verstärken muß, ist die Ökopolitik. Es handelt sich um eine von der Europroblematik relativ unabhängige, in Deutschland von den finanzkapitalistischen Spitzen  besonders fanatisch verfolgte Linie, nämlich die bürokratisch-zwangsmäßige, quasi künstliche Einschränkung und Rückentwicklung der kapitalistischen Produktivität, letztlich um die etablierten Eigentums- und Profitstrukturen aufrechzuerhalten. Die Natur und die Auswirkungen der Ökopolitik werden in der öffentlichen Auseinersetzung  noch wenig grundsätzlich thematisiert, sodaß der Unmut sich auf das Euro-System konzentriert bzw. konzentrieren soll. Doch die Abzocke, die „planwirtschaftliche“ Erstickung, die Mißwirtschaft und die Begünstigunge der faulen Elemente, die am Euro und am Brüsseler Regierungssystem beklagt werden, sind mindestens in gleichem Maße Eigenschaften der Ökopolitik, die in Deutschland schon vor dem Euro massiv Fuß gefaßt hat, und daher macht es schon einmal überhaupt keinen Sinn, den Euro „abschaffen“ zu wollen, es aber bei der deutschen finanzkapitalistischen Öko-Dauerkrisen-Abzocke zu belassen. Es charakterisiert solche Initiativen wie die „Alternative für Deutschland“, daß sie zwar beispielsweise die hohen Energiepreise beklagt und damit Stimmen zu fangen hofft, aber keine Auseinandersetzung über Motive und Profiteure, über die kapitalistische Logik der „Energiewende“ öffentlich wagt. Vielleicht ist sie mental auch dazu nicht fähig.

 

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

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Apple, Foxconn und das moderne Proletariat in China

In einem längeren, 5-teiligen Artikel der „Asia Times Online“ erfährt man Genaueres über bestimme Züge der Erfolgslogik von Apple, über die Bedeutung der Verlagerung fast der gesamten industriellen Produktion von Apple nach China, hauptsächlich zu dem Fertigungsunternehmen Foxconn, und über die extreme Ausbeutung der chinesischen Arbeiter und Arbeiterinnen in den Foxconn-Werken, erzwungen durch Apple.

Diese fast durchweg sehr junge, hauptsächlich aus Wanderarbeiter/innen, die meisten zwischen 16 und etwa 26 Jahren alt, bestehende Belegschaft von 1.5 Millionen beginnt, nach Darstellung der drei Professoren, die den Artikel verfaßt haben, des Drucks sich zu erwehren und entwickelt entsprechende Widerstandsformen.

Der Artikel schildert zwar keine nicht schon länger im Grundzug bekannten Dinge über die kapitalistische Entwicklung in China, hat aber den Vorteil, viele Details zu bringen und über bestimmte Zusammenhänge zu sprechen.

http://www.atimes.com/atimes/Japan/JAP-01-290813.html

[Daß der Artikel in der „AToL“ unter „Japan“ getagt ist, kann nur ein Fehler sein. Japan wird darin überhaupt nicht erwähnt.]

 

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Die Landesregierung von NRW zielt auf Bekämpfung – ach nein, Förderung der kommunalen Korruption

 

Der Innenminister der rot-grünen Landesregierung von NRW, Jäger, schreckte jüngst die Öffentlichkeit mit einem Gesetzesvorhaben namens „Kommunal-Soli“ auf. Es sollen künftig denjenigen Städten und Gemeinden, deren Haushalte rechnerisch Überschüsse aufweisen, Millionen abgezwackt werden. Die Rede ist von einem dreistelligen Millionenbetrag jährlich. Diese Mittel sollen denjenigen Kommunen zugewiesen werden, die im – offiziellen – Minus herumwirtschaften.

Wenn ein solches Gesetz gültig würde, könnte man nur von gezielter Förderung der kommunalen Korruption und Mißwirtschaft sprechen. Die Landesregierung ( Hannelore Kraft, Sylvia Löhrmann) zeigt, wo sie mental beheimatet und wählermäßig gestützt ist.

Man könnte zwar versuchen das Gesetzesvorhaben zu verteidigen mit dem Argument, daß das Schicksal nun einmal Kommunen geschaffen habe,  die ohne ihre Schuld in ein strukturelles Defizit geraten seien, wie z.B.  mehrere Städte im Ruhrgebiet, wo die De-Industrialisierung und die schwache Einkommenslage vieler Bürger zu ungerechten überproportionalen Belastungen geführt hätten, und auf der anderen Seite manche Kommunen mit wenig Armut,  hohem Anteil an Reichen etc., deren Haushalte entsprechend günstiger aussähen.

Eine solche Sicht hätte wäre nicht völllig falsch, hätte aber den großen Nachteil, wesentliche Ursachen der Haushaltsdefizite bedeutender Städte auszublenden und einer Besserung im Wege zu stehen. Die Mißwirtschaft, die Inkompetenz und die eingefressene Korruption der Verwaltungen in nicht wenigen Städten stinken doch zum Himmel. In einer Stadt wie Dortmund beispielsweise mußten in letzter Zeit die Verwaltungsspitzen u.a. eingestehen, daß ein Stadtamt, das Jugendamt, in den letzten Jahren –zig Millionen an Zahlungsverpflichtungen eingegangen ist, über die angeblich niemand Bescheid wußte und die jetzt plötzlich aufgebracht werden müssen; daß aufgrund von Stellenstreichungen das Personal fehlt, um auf Millionen an Mitteln, die der Stadt eigentlich von anderen staatlichen Stellen her zustehen, die Anträge zu stellen; daß so wenig Kassenkontrollen bestehen, daß Mitarbeiter sich offenbar jahrelang unbemerkt die Hunderttausender und Millionen aus Stadtkassen in die eigenen Taschen abzweigen konnten.

Wenn solche Verhältnisse eingerissen sind,  dann führt das Gesetzesvorhaben dazu, andere Kommunen, in denen es vielleicht nicht so hanebüchen zugeht, in denen vielleicht sogar eine leistungsfähigere politische Verwaltung Mittel erwirtschaftet hat, die für Infrastruktur etc. vorgesehen sind, zu beklauen, damit auf der anderen Seite die Korrupten noch mehr Geld zugeschoben bekommen und weitermachen können. Die Folge müßte ja unter anderem auch sein, daß Kommunalverwaltungen das Bemühen um solide Haushalte einstellen, weil sie unter der rot-grünen Regierung sowieso nichts davon haben, oder ihre Mittel verstecken, was im übrigen auch eine Form der Korruption wäre.

 

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Giftgas, Obama, die anderen und die EU

 

Mit dem behaupteten neuerlichen Giftgas-Einsatz in Syrien verbinden sich massive politische Propagandawellen.

Eine davon scheint darauf aus zu sein, die USA-Regierung in Richtung  bestimmter militärischer Aktionen zu drängen. Es gibt aber auch die Variante, die USA der Handlungsunfähigkeit aufgrund eines strategischen Dilemmas zu überführen und sie international weiter zu diskreditieren.

Es scheint mir vernünftig, an übergeordnete internationale Trends zu erinnern, die den Rahmen und die Grundbedingungen der syrischen Konflikte setzen.

An erster Stelle möchte ich hier den fortschreitenden Kontrollverlust der USA im Raum des gesamten Mittleren Ostens anführen. Was ist darunter zu verstehen?

Es ist noch nicht so lange her, daß die meisten Länder und Regierungen der Region in erster Linie von den USA abhängig waren. Ihre Konflikte, die Konflikte zwischen den Staaten wie auch die sozialen Konflikte innerhalb der Gesellschaften, waren jahrzehntelang von einem letztlich US-geführten Kombinat daran gehindert worden, revolutionär oder zerstörerisch auszubrechen.

Dieses Kombinat – um nur die wichtigsten Partner zu nennen – bestand aus politischer, geheimdienstlicher und militärischer US-Einflußnahme, saudischem Geld und israelischer Politik (diese ihrerseits militärisch, geheimdienstlich und kapitalmäßig international organisiert). Es hielt z.B. Ägypten unter Kontrolle, beherrschte die Palästinenser, zählte Gebilde wie Jordanien unter die festen Vasallen, zerschlug Ansätze zu einem selbständigeren arabischen Weg wie im Falle Irak und hatte in der Weltpolitik kein geringes Gewicht.

Auch erklärte Feindschaften wie gegenüber dem Iran wurden bis dato relativ kontrolliert  und nicht offen kriegerisch behandelt. Das ist von verschiedenen Grundmotiven her verständlich – so hatten die USA und Israel selbst ja schon keinen geringen Anteil am Zustandekommen des iranischen klerikalen Regimes und seiner weiteren Aufrechterhaltung im Jahre 1979 und danach gehabt. Der Irak wurde allerdings im weiteren exemplarisch fertiggemacht, weil man dadurch nicht nur größeren Einfluß bei Teilen der irakischen Bevölkerung, sondern auch engere Komplizenschaften mit anderen arabischen Regimes zu schmieden hoffte. Dies übrigens auch mit der damaligen syrischen Führung unter dem Vater des jetzigen Präsidenten, die den Krieg gegen den Irak damals guthieß.

Auch zur Demonstration der sog. „Neuen Weltordnung“ unter der angemaßten alleinigen Führung der USA nach dem Ende der Sowjetunion sollte dieses Verbrechen (1991) dienen.

 

Kennzeichnend war vor allem, daß die USA wohl mit fast allen konkurrierenden oder verfeindeten Akteuren der Region jahrzehntelang mehr oder weniger intensive Beziehungen unterhalten konnten. Die USA brachten es lange Zeit fertig, mit nahezu niemandem völlig zu brechen und durch die Ausspielung aller gegen alle noch immer und immer wieder die Situationen herzustellen, die für die USA selbst den größten politischen und wirtschaftlichen Nutzen brachte. Israel war immer der wichtigste Bündnispartner, aber die Palästinenser setzten spätestens seit 1982 gleichfalls mehrheitlich auf die USA in ihren Hoffnungen auf eine Verbesserung ihrer Lage. In Ägypten stützten die USA das Militärregime unter Mubarak, hatten aber auch wohl die meiste Zeit recht gute Kontake zu den Muslimbrüdern wie auch zu nicht-islamischen Akteuren, im Irak konnte sowohl die schiitische klerikale Opposition wie auch die kurdische sich Vorteile vom Eingreifen der USA sich versprechen, etc. pp.

Dieses Kombinat zeigt in den letzten Jahren Verfallserscheinungen. Namentlich unter dem label des „Arabischen Frühlings“ war zu beobachten, wie die USA den Versuch unternahmen, dem Druck der Massen gegen diese versteinerten Verhältnisse, die unhaltbar geworden waren, einen Kanal zu eröffnen, allerdings mitnichten wegen der Ideale der Demokratie, sondern weil die Fortdauer der Kontrolle der USA gesichert werden sollte –  wenn auch teilweise mit anderen Methoden und anderen bevorzugten Partnern.

Doch vor dem Hintergrund der Machtabnahme der USA im globalen Rahmen, des Heraufkommens neuer globaler Machtzentren wie Chinas, des wieder zunehmenden Spielraums für Akteure wie Russland oder auch die EU, erweist sich der Versuch als im Scheitern begriffen – wenn es auch ein Hin und Her zu beobachten gilt. Der Einflußgewinn, den die USA vielleicht auf einer Spielwiese wie Libyen verbuchen konnten, auch um stärker in die afrikanische Entwicklung, zu Ungunsten bspw. Chinas, eingreifen zu können, wird mehr als wettgemacht beispielsweise durch das Debakel in Ägypten.

In Ägypten dürfte der Militärputsch die mittlerweile für die USA höchst verfahrene Lage deutlich gemacht und auch noch verschärft haben. Die USA betrieben bisher Balancepolitik zwischen Militärregime, den Muslimbrüdern und anderen Kräften.  Daß die Muslimbrüder dort ihre Regierungsgewalt hätten konsolidieren können, als unmittelbares Ergebnis der sog. Demokratisierungsimpulse aus den USA, paßte aber anscheinend weder dem Militär noch den Saudis (i.Ggs. zu Katar, der Türkei, und sicher noch weiteren Kräften) noch bestimmten Kreisen in den USA selbst, und zwar paßte es so wenig mehr, daß es jetzt dort zum Bruch gekommen ist. Die USA sitzen zwischen den Stühlen, und die Militärregierung flirtet offenbar nicht nur mit den Saudis, sondern auch den Russen, von den Chinesen wird nicht gesprochen, aber die sind ja dezent.

Soviel nur zur Verdeutlichung des Kontrollverlustes der USA und ihres weiteren Kampfes um ihren Einfluß.

 Die Frage nach der Stellung der europäischen Staaten

Der zweite Gesichtspunkt bei Versuchen, so etwas wie die syrische Entwicklung zu vestehen, muß mE bei der Rolle der europäischen Staaten oder, wenn man so will, bei der Frage der internationalen Stellung der Europäischen Union ansetzen.

Die europäischen Staaten spielen in den derzeitigen mittelöstlichen und afrikanischen Verwicklungen, wenn man von Frankreichs Eingreifen in Mali absieht, offensichtlich nur eine sekundäre Rolle; in den Augen mancher Schreiber überhaupt keine –  was aber nicht stimmt. Im Falle Libyen war es allerdings ziemlich deutlich, daß Frankreich und Großbritannien hier in Abstimmung und unter letztlicher Oberlenkung durch die USA gehandelt haben, eine erbärmliche Rolle einnehmend. Die Töne, die man von diesen Staaten zu Syrien zu hören mitterweile schon fast ekelnd gewohnt ist, liegen anscheinend in dieser schönen Tradition. Großbritannien, möglicherweise auch Frankreich, mischt bei den Waffelieferungen an die sog. Rebellen jedenfalls mit. Zeitweise sah man auch die deutsche Bundesregierung aktiv bei so etwas wie der Schulung von Politikern, die Assad ablösen sollten; das hat aber anscheinend inzwischen stark nachgelassen.

Aber solche Einzelentwicklungen zu kritisieren ist das Eine, die globalen Widersprüche das Andere.

 

Entscheidend sind zumindest zwei Konflikte: erstens kämpfen die europäischen Staaten um die internationale Selbstbehauptung inmitten der globalen Rivalitäten, bspw. der Rivalität zwischen den USA und China, und sie riskieren mit dem drohenden Verlust ihres politischen Zusammenhalts, wie schwach und problematisch der immer beurteilt werden mag, weiteren Bedeutungsverlust und den schließlichen Untergang als selbständige Akteure.

Zweitens liegen die mittelöstlichen Konflikt- und Kriegsschauplätze direkt vor der europäischen Haustür und wirken in einem ganz anderen Umfang und Intensität in die Gesellschaft hinein als bspw. in die US-Gesellschaft oder die russische oder gar die chinesische. Die europäischen Staaten haben ein Interesse an der Bewahrung und Verbesserung ihrer eigenen politischen Einheit, aber auch an fortschrittlichen Entwicklungen in Gesellschaft und Kultur im Mittleren Osten wie auch in Nordafrika. Im Umkehrschluß bieten sich diese Regionen als erstklassige trouble spots zur negativen Einflußnahme auf und in Europa geradezu an, für diejenigen internationalen Kräfte, denen ein zu selbständiger und starker europäischen Zusammenschluß keine wünschenswerte Perspektive sein kann, jedenfalls auf längere Sicht.

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Im Folgenden möchte ich, mit dem soeben Skizzierten als Ausgangspunkt verfahrend, einige Fragen zu der syrischen Entwicklung formulieren.

Es wird derzeit in den deutschen Medien, hauptsächlich in Form von Leserzuschriften,  heftig gestritten, ob der behauptete Giftgas-Einsatz nicht viel eher von sog. Rebellenkräften ausgegangen sein müsse als von der nach bisherigem Medienstandard beschuldigten Assad-Regierung. Diese These hat nach früheren Enthüllungen einiges für sich, aber der jetzige Streit hat auch etwas Sackgassenhaftes und Inszeniertes. Man muß sich angesichts der offensichtlichen Probleme, in die an erster Stelle die Obama-Regierung mit dieser neuerlichen Propagandawelle geraten ist, eher und mit Gewicht fragen, ob die Propaganda nicht in erster Linie auf die US-Regierung zielt und deren wankende Stellunge mit Mittleren Osten weiter erschüttern soll.  Will man  erreichen, daß sie nunmehr direkt mit eigenem Militär in Syrien zu Ungunsten Assads eingreift? Es spricht vieles dafür, daß ihr das ziemlich quer kommt, ungeachtet ihrer bisherigen subversiven Rolle bei der Ausrüstung, Ermutigung und Förderung der sog. Rebellen.

Woher das Zögern?

Das strategische Dilemma der USA

Betrachten wir das Problem der sog. Iran-Hisbollah-Syrien-Achse und ihrer regionalen Gegenspieler, Israel und Saudi-Arabien (hinter dem noch einige arabische Potentaten sich gruppieren, wenn auch teilweise ziemlich gezwungen): Dieses Problem wurde bisher immer als der Hauptmotivator der US-Politik in der Syrien-Frage angegeben.

Die USA haben es allerdings bisher vermieden trotz jahrzehntelangen Säbelrasselns den Iran anzugreifen oder Israel dafür grünes Licht zu geben (vorausgesetzt, daß die israelischen Chefs das überhaupt tatsächlich wollen). Sie haben sich immer weiterhin die Möglichkeit offengehalten, das Verhältnis zu den Mullahs (die sie seinerzeit ja mit installiert haben und in vielerlei Abhängigkeiten verstrickt hatten, wohl noch immer verstrickt halten) wieder „zu verbessern“, d.h. statt einer Konfrontation gg. den Iran – und seine nicht wenigen möglichen Bundesgenossen sich wieder stärker auf die gemeinsame Ausbeutung der Region zu orientieren, weniger gegen das Klerikalregime  als  zusammen mit diesem. Gerade erst wurde im Zusammenhang mit der Wahl des neuen iranischen Präsidenten Rouhani diese Option öffentlich erörtert.

Eine direktere militärische Konfrontation der USA mit Assad könnte eine solche Option längerfristig blockieren, und wahrscheinlich auch andere. Die USA können aber kein Interesse daran haben, sich im Mittleren Osten stärker und ausschließlicher als bisher ausgerechnet auf die Saudis und vielleicht noch dies oder jenes Emirat plus deren Dschihadisten stützen zu müssen und entsprechend bei den anderen Emiren und Staaten ständig die Neigung zum Abdriften aus der US-Allianz zu verstärken. Die Anheizung der Konflikte zwischen „sunnitischen und schiitischen“ Kräften könnte im Zusammenwirken mit dem stärkeren Auftreten anderer internationale Akteure dazu führen, daß die USA über eine der beiden Seiten die Kontrolle noch stärker verlieren.

Die Saudis etc. haben anscheinend etwas Manövrieren gelernt, China ist ihr Hauptkunde geworden, und sie könnten in einer solchen Allianz etwas unzuverlässig gegen die USA werden, bzw sind es vielleicht schon geworden.

Die „Giftgas“-Propaganda könnte durchaus von bestimmten sog. Rebellen, die natürlich internationale Hinterkräfte haben, initiiert worden sein, um ihrerseits Obama als Weichei zu denunzieren, falls der sich nicht entschließen kann, gegen Assad militärisch direkt vorzugehen, bzw. um die USA in ihre eigene Schiene enger einzubinden im Falle daß er sich doch noch dazu entschließen sollte. Die USA würden dann künftig, statt mehr oder weniger alle an der Strippe zu haben, sich an bestimmte, und zwar explizit an wenig positiv zu beurteilende Kräfte enger binden und anderen die kalte Schulter zeigen müssen. Die „Giftgas“-Propaganda könnte also aus dieser Ecke kommen.

Es scheint nach den letzten Meldungen jetzt einen Trend der US-Regierung zu geben, sich an der Aufklärung, wer für das Giftgas verantwortlich sei, weniger interessiert zu zeigen. Daß sie es nicht längst genau weiß, nimmt ihr aber wohl kaum jemand ab. Gibt es ein Handy in der Region, das sie nicht abhören können?

Eine solche Aktion seitens der „Rebellen“ könnte allerdings nur dann ernsthaft, d.h. mit einer realen Aussicht auf Erfolg in die Wege geleitet werden, wenn parallel in den USA selbst die Anti-Obama-Linie aktuell dringend nach oben zu kommen sucht. Die Auseinandersetzung in den USA selbst, keineswegs nur um Syrien oder den Mittleren Osten, sondern um die eigene Zukunft, verschärft sich. Die ökonomischen Probleme führen zu tiefgehenden Spaltungen in der US-Gesellschaft, die internationale Politik der USA kann weder mit dem einen noch dem anderen Design zum Mittleren Osten den Machtverfall wesentlich aufhalten. Vielleicht spielt die Syrien-Politik sogar in den USA hauptsächlich eine Rolle als Katalysator der inneren Auseinandersetzung.

Ist das nun der einzig mögliche Analysepfad?

Nicht völlig undenkbar scheint mir eine andere politische Deutung zu sein, nämlich daß hier ein Manöver vonseiten der Assad-Regierung und/oder internationaler Kräfte vorliegen könnte, die ihrerseits im Syrien mitmischen und nach Wegen suchen, die USA zu blamieren.

Zugegeben, das wäre  für jemanden wie mich, der bisher im Falle Syrien die Zerstörung eines weiteren arabischen Staates und die Aufhetzung und Instrumentalisierung des rückständigsten halsabschneiderischsten Fanatismus durch die USA angeprangert hat, eine unerwartete Variante, aber völlig unplausibel ist sie nicht. Angesichts des Dilemmas der Obama-Regierung könnte diese mit einem solchen Manöver nachhaltig politisch vorgeführt werden, etwa nach dem Schema: ‚jetzt wagt das Assad-Regime tatsächlich eine solche Aktion, wie sie die USA ihm mehrfach hatten in die Schuhe schieben wollen, und genau jetzt sind diese USA nach allen ihren großen Sprüchen nicht in der Lage, irgendwie stark darauf zu reagieren – also, liebe Freunde der USA im Mittelosten und anderswo in der Welt, es wird wohl Zeit, sich um andere Schutzmächte zu kümmern’.

 

Risse im „Westen“ – und neue Allianzen am Horizont?

 

Nun zurück zu den Fragen, was sich auf der obersten internationalen Ebene tut. Hier scheint es in ähnlicher Weise um Fragen der Kontrollverlustes der USA und die Bildung neuer Allianzen bzw. die Erstarkung von bisher schon existenten Allianz-Potentialen zu gehen, und die europäischen Staaten sind vital betroffen.

In Deutschland ist der Kampf in der Öffentlichkeit relativ deutlich. Im Zusammenhang mit mehreren Streitfragen der letzten Zeit – bspw. der groß aufgemachten Anprangerung der NSA-Schnüffelei, die allerdings eigentlich längst bekannt war, aber bisher beschwiegen worden war; der Frage der Freihandelszone EU-USA; der Rolle der US-Finanzwelt bei der internationalen  Krise und der versuchten Zerrüttung der Euroländer– wird von Bürgerlichen deutlich die Lösung aus der Vorherrschaft der USA gefordert, von „Besatzerregime“ etc. gesprochen. Bestimmte „neue“ internationale Konzepte, die von manchen Leuten in diesem Zusammenhang lanciert werden, enthalten charakteristischerweise die Formel von dem kontinentalen Block, hauptsächlich Deutschlands mit Russland., oder aber auch weiter gefaßt, den gesamten eurasischen Doppelkontinent mit China umfassend (Türkei mit dabei oder auch nicht).

Diese Debatte bringt manche lang beschwiegene Repression und Schurkerei insbesondere gegenüber Deutschland seitens der westlichen Siegermächte stärker ins Licht, insofern ist sie nicht schlecht –  aber die angedachten anderen Allianzen der Zukunft sind nicht wenig problematisch. Allianz mit Russland, diesem ewig zurückgebliebenen Riesen auf tönernen Füßen, dem angemaßten Imperator gegenüber nicht wenigen europäischen Nationen, auf deren Partnerschaft  Deutschland elementar angewiesen ist, wie Polen? Um dann eines Tages von den Russen, die mangels ausreichender eigener Substanz (bevölkerungsmäßig, kulturell, ökonomisch) ewig sich an den Stärksten anlehnen,  wieder an die USA oder China verraten zu werden?

Die Syrien-Frage führt in Deutschland mittlerweile ähnlich wie die Snowden-Enthüllungen zu heftiger Animosität gegenüber den USA. Sie könnte, wenn die USA hier erneut zu desperaten Militäraktionen greifen würden, die Spaltung zwischen Deutschland und den USA verstärken, vielleicht sogar wichtige Schritte auf diesem Gebiet herbeiführen. Aber nicht nur das Verhältnis Deutschlands zu den USA wäre betroffen, auch das zu Frankreich, das Kernverhältnis der EU. In Frankreich bricht anscheinend immer wieder die Neigung durch, aus dem alten kolonialen Dominium, wozu sie ja auch Syrien rechnen, Stückchen sich wiederanzueignen. Man liebedienert vor allem gegenüber den USA, spielt aber möglicherweise auch in Kollusion mit Großbritannien in einer gewissen Absetzung von den USA.  Die Visionen der französischen Führung sind eine Katastrophe.

 

Wenn man das kritisiert – diese Nebenbemerkung ist unerläßlich – sollte man allerdings den Charakter der deutschen politischen Klasse, der sich hauptsächlich in anderen Formen ausdrückt, nicht unkritisiert lassen. Meines Erachtens ist das Üble hier (der Ökologismus und die militärische Nulligkeit) mit dem Üblen jenseits des Rheins auf verzwickte Weise verkoppelt. Die Position, die die französische herrschende Klasse letztlich zu Syrien beziehen wird, ist allerdings mE noch offen.  Hier wird die EU aufs Spiel gesetzt. Nicht zu vergessen dabei, daß die „eurasischen“ bzw. „mitteleuropäischen“ Neigungen der deutschen Bourgeoisie gleichfalls EU-sprengend wirken würden bzw. jedenfalls viel Sprengkraft enthalten.

 

Für die im Gang befindliche starke Veränderung der internationalen Machtverhältnisse ist mE die Frage der EU nicht unwesentlich. Sie ist  mE viel wesentlicher als hierzulande zugegeben werden darf.

 

Geschichtliche und kulturelle Grundströmungen, wahrscheinlich auch ein Gutteil ökonomische Rationalität, führen zu einer stärkeren europäischen Einheit und stärkerer Selbstbehauptung und –verteidigung nach außen, damit zur einer Akzentuierung des Moments „Zweite Welt“, damit zu größerem Manövrierraum für viele Staaten und Nationen der Welt gegenüber den „ganz Großen“. Ich kann dazu keine Alternative erkennen, die im Sinne des Fortschritts, hier vor allem kulturell und emanzipatorisch verstanden, gleichwertig oder gar überlegen wäre. Natürlich sind internationale Beziehungen nur eines von mehreren Kampffeldern; was gesellschaftlich und ökonomisch sich innerhalb der Gesellschaften entwickelt, ist ein anderes, noch grundlegenderes. Aber man sollte jedenfalls festhalten: eine Zersetzung des europäischen Zusammenhalts, getrieben von übertriebenen Anlehnungen der einen oder anderen wichtigsten europäischen Nation, d.h. v.a. Frankreichs, Deutschlands, Italiens, Polens, an äußere Mächte, verlagert die noch vorhandenen Potentiale aus Europa noch weiter heraus zugunsten Anderer. Unter dem Aspekt des globalen und des menschheitlichen Fortschritts – wäre es etwa verlockend, die Zukunft noch ausschließlicher der Dominanz von USA und China überlassen zu sehen? Wie sollte man eine weitere Vergrößerung der Abhängigkeit der Weltentwicklung von der Rivalität zwischen China und den USA bewerten?

Vielleicht muß man in der jetzigen Lage, v.a.mit Blick auf Syrien und die Mittelostfragen, unter den hauptsächlichsten globalen Gesichtspunkten verlangen, daß die EU ihre Einheit, verbunden mit der Präsentation einer vertretbaren Perspektive für Syrien, verstärkt. Das würde die USA vielleicht sogar zwingen, bei der Anstachelung der Massakrierungsmentalität und –praxis im Mittleren Osten zurückzustecken. Die USA riskieren sonst  selber noch mehr an den Rand gedrängt zu werden, und auch die Spaltung mit den Europäern in einer – wenigstens derzeit noch – für die USA wenig wünschenswerten Weise zu verschärfen.

Wahrscheinlich müßten europäische Staaten dazu etwas deutlicher werden. Zweifellos nutzen Russland und China die, bisher wesentlich unter Verantwortung und zu Nutzen der USA, geschaffenen elenden Verwicklungen des Mittleren Ostens ihrerseits aus, und sind möglicherweise selbst an der Perpetuierung und sogar Intensivierung der Verhältnisse interessiert. Sie achten, dessen muß man sich bewußt sein, natürlich auch auf den Drift der europäischen Staaten im Zusammenhang mit den Entwicklungen im Mittleren Osten, und fördern sowohl die Vertiefung der Gegensätze der europäischen Staaten untereinander als auch gegenüber den USA.

In diesem Zusammenhang ist es eben nicht völlig undenkbar, daß die jetzige Giftgas-Propaganda auch noch andere Hinterleute hat als die üblichen Propagandisten von Militäraktionen „des Westens“ in der Region. Würden die USA nunmehr diese „Option“ wählen, hätten sie wahrscheinlich den größten Schaden dadurch, auf der höchsten Ebene der  internationalen Beziehungen, der Beziehungen USA – EU – Russland – China.

Eine stärkere Rolle der EU kann allerdings nur gefordert werden im Zusammenhang mit der Kritik an den inneren antidemokratischen und selbstzerstörerischen Tendenzen des kapitalistisch- bürokratischen und weitgehend ökologisierten, d.h. auf Selbstabbau orientierten EU-Regimes selbst, und unter dem Vorbehalt, daß dieses nicht auch noch im Zusammenhang mit einer internationalen Positionierung der EU verstärkt würde.

 

 

Update 28.8.2013, 22.30h:

Nach drei Tagen unerhörten Klamauks über sofortigen Raketenangriff der USA und Großbritanniens, der Donnerstag 29.8. starten soll, stellt sich heraus, daß Großbritannien nicht mitmacht, jedenfalls nicht gleich. Offenbar aufgrund von Druck von Teilen der Labour-Opposition. Ob sich Cameron so völlig ungern von Labour hat „erpressen“ lassen, darf gefragt werden. Die USA dürften ohne die Briten ungern allein losschlagen. Vielleicht gab es sogar Kontakte zwischen Obama und Miliband? Spitze Fragen lassen sich hier zahlreich formulieren….

Was in der nächsten Woche von der ganzen Propaganda übrigbleibt, wird sich zeigen.

http://www.telegraph.co.uk/news/worldnews/middleeast/syria/10272339/Syria-Cameron-forced-to-drop-timetable-for-strikes-by-Miliband.html

 

Weiteres Update, 23.15h:

Der “Guardian” meldet nun auch seinerseits um 21h36:  “Strike against Assad regime stalled by British political rows” – „Schlag gegen Assad aufgehalten durch britischen politischen Streit“.

Inzwischen habe sich die britische Regierung verpflichtet, auf den Bericht der UN-Inspektoren zu warten. Der aber werde wohl kaum bereits am Dienstag, 3.9.,  vorliegen, so der „Guardian“, dem Tag, zu dem das britische Parlament zu seiner zweiten – entscheidend sein sollenden Abstimmung – zusammengerufen ist.

Die UN-Inspektoren, so hat es in anderen Berichten allerdings geheißen, hätten einen Auftrag festzustellen, ob überhaupt Giftgas eingesetzt worden sein. Ihr Auftrag sei nicht und könne nicht sein, den Urheber eines ggf. festgestellten Giftgaseinsatzes zu identifizieren. Was soll also ein UN-Bericht, wenn er denn dem britischen Parlament eines Tages vorliegen sollte, überhaupt zu einer Entscheidung, gegen die syrische Regierung loszuschlagen oder auch nicht, beitragen können? Die Pudel-Rolle, die Blair seinerzeit seinem Land gegenüber den USA beim Krieg 2003 gegen den Irak eingebrockt hatte, funktioniert offenbar bis zur Lächerlichkeit nicht mehr.

http://www.theguardian.com/world/2013/aug/28/strike-assad-regime-british/print

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

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