Gabriel – SPD – meldet sich zu Wort zu Fragen der Sicherheit

Zu Gabriels Papier „Sicherheit ist soziales Bürgerrecht“ (Veröffentlicht z.B. in „FAZ“ v. 09.01. 1017)

Der SPD-Vorsitzende scheint mit diesem Papier antworten zu wollen auf einen Vorstoß des Innenministers de Maizière (CDU), der kürzlich eine Reihe von Vorschlägen zum Asylrecht, zur Migration und auch zur Zentralisierung des deutschen Verfassungsschutzes unter der Bundesregierung gemacht hat (bisher unterhalten die Bundesländer bekanntlich ihre jeweils eigenen VS-Ämter und betrachten diese Kompetenz offenbar als einen Hauptinhalt der föderalen Machtteilung, d.h. der eigenen Machtmittel gegenüber dem Bund).

Ich möchte de Maizières Vorschläge hier nicht im einzelnen zitieren und kritisieren, was zweifellos erforderlich ist. Aber Gabriels Papier ist von einer derartigen Verschweigung wesentlicher Sachverhalte im Zusammenhang mit dem (islamistischen) Terrorismus und auch gerade der Verantwortung der SPD für bestimmte Fehlentwicklungen der Vergangenheit geprägt, dass einem die Galle hochkommen kann, und hier soll sie es in ein paar Absätzen auch dürfen.

Über die Ursprünge und aktuellen Hintergründe islamistischer Terrorakte (bzw. als islamistisch bezeichneter Terrorakte) weiß man längst Vieles, was Herrn Gabriel offenbar völlig entgangen ist. Er schreibt:

„Es geht beim Kampf gegen Gewalt und Terror nicht um Religionszugehörigkeiten, sondern um die Verteidigung unserer Idee vom Zusammenleben in unserer Gesellschaft. Wir sind konfrontiert mit einer Ideologie, die alldem entgegensteht, was unsere freie und demokratische Gesellschaft ausmacht. Dieser Kampf gegen ‚den Westen‘ ist seit Jahrzehnten vorbereitet worden. Seine Bedingungen haben sich mit jedem autokratischen System verbessert, das in der islamischen Welt die Entwicklung einer Zivilgesellschaft unterdrückt hat. Statt bürgerliche Freiheiten zuzulassen, wurden sie unterdrückt und zerstört. Statt Aufklärung, freie Medien und eine weltoffene Kultur zu fördern, wurden diese Länder durch islamistische Prediger und salafistische Eiferer geprägt. Und wir haben lange Zeit unterschätzt, mit welcher Härte und Unerbittlichkeit dieser Kampf gegen „den Westen“ geführt wird. Es ist ein Machtkampf unter dem Deckmantel der Religion. Und es ist ein internationalistisch angelegter Kampf, denn am Ende erreichte die Faszination dieser kompromisslosen ‚Reinheit‘ und ‚Klarheit‘ ja nicht nur den Maghreb, sondern auch Sauerländer, Wolfsburger und Saarländer.“ (Danke für die letztere Bekundung von Volksnähe, Herr Gabriel)

Meint Gabriel tatsächlich, einige „autokratische Systeme“  in der islamischen Welt mit ihren „islamistischen Predigern und salafistischen Eiferern“ bedrohten „den Westen“?

Mal abgesehen davon, dass es dort in der Tat solche islamistischen Eiferer und auch Regierungen gibt, die gern einen fundamentalen Kampf gegen die Errungenschaften führen würden, die in der geschichtlichen Entwicklung vieler Jahrhunderte vor allem „westlichen“ Ländern einen großen Vorsprung hinsichtlich Aufklärung, bürgerlicher Freiheiten und „weltoffener Kultur“ verschafft haben – sollen wir ernsthaft annehmen, solche Bestrebungen seien eine wirkliche Gefahr für unsere Gesellschaften? Alle Kraft dem Kampf gegen den Terror, den ein Saudi-Arabien oder Katar gegen die Gesellschaften Europas, Nordamerikas und anderer Weltregionen entfesselten?

Der islamistische Terror ist in Wirklichkeit namentlich von den US-Regierungen (und einigen anderen in ihrem Schlepptau) unter Zuhilfenahme solcher Regime wie Saudi-Arabien, Pakistan etc. ideologisch ermuntert, praktisch finanziert, organisiert und militarisiert worden im Kampf um die geostrategische Dominanz, und diese Konstellation gilt heute weiterhin.

Dieser Kampf richtete sich,  erstmals gut sicht-und durchschaubar, in Afghanistan seit 1979 gegen die damalige Sowjetunion und war insofern sogar erfolgreich, als die von den USA zusammen mit Saudi-Arabien, Pakistan etc. organisierten Mudjaheddin die sowjetische Besatzung des Landes zum Zusammenbruch bringen konnten. Die USA landeten mittels ihrer islamistischen Hilfstruppen hier auch einen wesentlichen Schlag gegen die konkurrierenden globalen Supermachtsansprüche dieser Sowjetunion. Der Schlag trug auch bei zur finalen Erosion des sowjetischen, längst  degenerierten „Sozialismus“ und zur schließlichen Auflösung dieses Staates (1991).

Im weiteren ist die Liste der internationalen Operationen der USA unter Zuhilfenahme islamistischer Kämpfer und Terroristen unabsehbar lang geworden, von Tschetschenien (gegen Russland), dem Balkan (bosnischer Krieg 1992-95, dann 1999 Kosovo-Albaner : gegen Serbien und  mittelbar gegen Russland sowie mittelbar auch gegen die Einheit der europäischen Länder), Libyen, Syrien (gegen „die Achse des Bösen“: Russland, Iran, Assad und die Hizbollah in Libanon; mittelbar ebenfalls gegen Europa). Mittlerweile sind auch die Fundamentalisten uighurischen Ursprungs willkommene Werkzeuge der USA im Kampf gegen Chinas Herrschaft in Xinjiang und gegen die weitreichenden Pläne Chinas zur Ausdehnung seiner Herrschaft nach Zentralasien. Heute ist es so, dass es kaum ein Land sich gegenüber islamistischen Umtrieben sicher sein kann, und immer muss man fragen: sind es außer Fanatismus auch Motive der Außenpolitik der USA im Spiel? Das simpelste Muster ist jedenfalls das typisch mafiotische: ich stifte Ärger in deinem Laden, wenn Du nicht nach meiner Pfeife tanzt. Das Muster lässt sich mE auch in Europa wiedererkennen, wenn insbesondere Deutschland und Frankreich den USA Schwierigkeiten machen, bspw. in der Ukraine-Frage (Verhältnis zu Russland), in der Syrien- und der Türkei-Politik.

Es ist unmöglich, dass ein langjähriger führender SPD-Politiker, Minister und Vizekanzler von diesem Zusammenhängen nichts weiß. Dass er öffentlich nicht darüber reden mag oder darf, mag sein; aber sich vor die Öffentlichkeit hinstellen und erzählen, der  uns verunsichernde Terrorismus sei die Angelegenheit einiger autokratischer islamischer kleiner Ländchen, das ist zu viel der Zumutung. Es ist auch zu viel der Abhängigkeit von den USA. Hoffentlich verliert die SPD bei den nächsten Wahlen noch mehr.

Gabriel fordert: „Salafistische Moscheen müssen verboten, die Gemeinden aufgelöst und die aus dem Ausland kommenden Hassprediger ausgewiesen werden. ‚Ihr gehört nicht dazu‘ ist hier die richtige Botschaft.“

Da kann man ihm nur zustimmen. Aber muss auch die Frage stellen, wieso diese Erscheinungen – salafistische Moscheen und Hassprediger – seit Jahrzehnten in Deutschland unbeeinträchtigt haben ihr Wesen treiben dürfen, nicht erst seit dem Auftreten manifesten Terrors auch gegen die deutsche Bevölkerung in den letzten Jahren. Welche Regierungen, an denen die SPD und insbesondere ihr Lieblings-Koalitionspartner, die Grünen mit ihren beschönigenden kulturrelativistischen Tiraden, beteiligt waren und sind, tragen hier die Verantwortung? Warum können diese Moscheen und ihre einschlägigen Prediger bis heute, von Regierungsseite weiterhin fast unbehelligt, immer weitermachen? Wir dürfen gespannt sein, ob auf diesem Gebiet Gabriels Forderung überhaupt nennenswerte Aktivitätsschübe auslösen wird, z.B. bei den Regierungen in NRW, in Berlin usf.

Gabriel nimmt für seine SPD in Anspruch, überhaupt erst das Konzept der „inneren Sicherheit“, der sozialen und  rechtlichen Fundamentierung der demokratischen Rechte des Bürgers, in die deutsche Politik eingebracht zu haben. Namens dieses Konzepts mache er jetzt seine Vorschläge. Er schreibt:

„Eine Politik der ‚inneren Sicherheit‘ im umfassenden Sinne gibt es erst seit der sozialliberalen Koalition von 1969. Die Regierungschefs vor Willy Brandt betrachteten die öffentliche Ordnung – ein Erbe noch des deutschen Obrigkeitsstaates – als eine isolierte Aufgabe von Polizei und Justiz. Bundesjustizminister Hans-Jochen Vogel erklärte sie 1976 hingegen zum Merkmal sozialdemokratischer Sicherheitspolitik, dass sie ‚im Kern Gesellschaftspolitik‘ sei, und zwar ‚als Teil der am Bürger zu gewährleistenden Freiheitssphäre und ebenso als ein Teil seiner konkreten Lebensqualität‘.“

Ein interessantes Detail zu dieser Politik der SPD ab Ende der 60er Jahre ist die Personalie Horst Herold, der seit 1971 durch die SPD Chef des Bundeskriminalamtes wurde. Herold ist für seine unermüdlichen Anstrengungen bekannt, die Polizei zu einer „modernen“ gesamtgesellschaftlichen Überwachungsbehörde auszubauen – während in der gleichen Zeit die Überwachung der sog. RAF entweder nicht stattfand oder sich als wirkungslos erwies. Die „RAF“ hatte geheimdienstliche connections, auch internationale, und wirkte relativ erfolgreich an der damaligen „Strategie der Spannung“ mit, die den USA und ihren Spießgesellen in den europäischen Staaten, vor allem den Geheimdiensten und dem Militär, die Kontrolle der innenpolitischen Entwicklungen garantieren sollte (Stichwort: Gladio). Eine ganze Reihe von nicht einverstandenen oder politisch nicht einpassbaren Persönlichkeiten wurde von der „RAF“ oder was später so bezeichnet wurde, umgebracht, vom Arbeitgeberpräsidenten Schleyer über den Generalbundesanwalt Buback bis hin zu dem Chef der Deutschen Bank, Herrhausen, der in den ersten Monaten nach dem Mauerfall 1989 es gewagt hatte, mit bestimmten Ideen die internationale Dominanz der angelsächsischen Finanzmafia  und damit der USA anzukratzen. Der Popanz „RAF“ diente darüberhinaus der Verdächtigmachung aller genuin revolutionären politischen Ansätze unter der damaligen Jugend.

Soviel zur „Sicherung der Demokratie“ unter Brandt, Genscher, Herold etc. in diesen Jahren. Selbstverständlich gab es auch reichlich berechtigte Kritik der SPD an den autoritären, antidemokratischen und gesellschaftspolitisch reaktionären Zügen der CDU-CSU. Aber immer und noch heute dient der SPD das Aufgreifen solcher Kritik auch zur Bemäntelung der eigenen Formen der Diktatur des Kapitalismus.

Und noch eine Erinnerung zu allgemeineren Fragen des Kampfes gegen politische Gewalt:

Gabriel schreibt:

„Sozialdemokraten haben nie irgendeine Rechtfertigung für Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen akzeptiert. Sie haben Gewalt als Mittel, der Geschichte auf die Sprünge zu helfen, immer bekämpft.“

Mag sein, dass die SPD eine solche durchaus ehrenwerte Bilanz der Ablehnung von „Gewaltandrohung oder Gewaltanwendung aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen“ aufzuweisen hat. Aber wie steht es mit Gewalt, politischer und militärischer Gewalt, die mit anderen Gründen legitimiert werden soll, bspw. mit dem sog. Kampf für „Menschenrechte“, einem Konzept der Welt-Vorherrschaft des westlichen Kapitalismus ? Gegenüber solchen Schemata hat sich die SPD bisher als recht aufgeschlossen erwiesen, nehmen wir nur das Beispiel des Angriffskriegs gegen Serbien in 1999.

Darüberhinaus muss man sagen: in der modernen Welt stehen hinter religiösen oder weltanschaulichen Gründen immer materielle Interessen als die eigentlichen Triebkräfte. Gegen Gewalt oder Gewaltandrohung aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen lässt sich leicht Stellung beziehen, weil man in dieser Weise die wahren Triebkräfte zu verdecken versuchen kann.

1914 gab die SPD grünes Licht für den Eintritt Deutschlands in die von allen damaligen Imperialisten betriebene Entfesselung des 1. Weltkriegs, der „Urkatastrophe“ der Zivilisation des 20. Jahrhunderts. Im Verlauf dieses Krieges kam dann auch das heute noch bestehende internationale System der Vorherrschaft des US-Kapitalismus und des US-Militärs in der Welt auf.  1919 schlugen SPD-Regierungen in Koalition mit den ganz Rechten die Arbeiteraufstände in Deutschland, die aus dem Desaster des 1. Weltkriegs hervorgingen, kompromisslos nieder. Auch hier lägen relevante Ansätze, wenn man das Verhältnis von Gabriels Partei zur politischen Gewalt klärend zu diskutieren versuchte, ausgehend von historischen Fakten und durchaus im Widerspruch zu solchen billigen und auf Ignoranz setzenden Papierchen, wie Gabriel hier eines vorlegt.

De Maizière hat mit seinem Vorstoß, den Verfassungsschutz unter Verantwortung des Bundes zu zentralisieren, gleichfalls einen Beitrag zur Vernebelung der Frage geleistet, was staatlicherseits gegen die aktuellen terroristischen Bedrohungen zu geschehen hätte. Seit den „RAF“-Zeiten und der Verknüpfung der damaligen sog. Linksterroristen mit Kräften des Verfassungssschutzes  reiht sich eine ähnliche Affäre des Verfassungsschutzes an die andere, in der letzten Zeit wurde vor allem die des sog. NSU bekannt. Jahrelang haben anscheinend solche Typen ungehindert einen Mord nach den anderen begehen können, indem Verfassungsschutzbehörden immer wieder polizeiliche Ermittlungen behindert, Akten unterschlagen und vernichtet haben, usf. Die Tätigkeit dieser Mörder – und ihrer Hinterleute – mag unterschiedlichen Motiven entsprungen sein; jedenfalls schlug sie massiv in die – verleumderische – Propagandarichtung ein, Rassismus und Nazi-Gesinnung lebten „in der Mitte der deutschen Gesellschaft“. Diese Propaganda wurde intensiv u.a. von der SPD betrieben und korrespondiert außerdem einem Lieblingsschema der Propaganda von Medien der USA und Großbritanniens, die immer wieder gerne die „Nazikeule“ herausholen, wenn Deutschland Schwierigkeiten macht.

Der Verfassungsschutz muss nach alledem  generell unter die Verdachtsfrage gestellt werden, ob er „die Verfassung“ schützt (was auch immer das konkret bedeuten mag) – oder subversive Bestrebungen. Terrorakte müssen unter die Frage gestellt werden, wem sie politisch nützen, und wer möglicherweise sogar die Tätigkeit bzw. die Nichttätigkeit des Verfassungsschutzes für seine politischen Ziele instrumentalisiert. Das können äußere Supermächte sein, die naturgemäß die Geheimdienste schwächerer Länder unterwandern und instrumentalisieren; das können auch innenpolitische Kontrahenten sein. Wer kann ausschließen, dass Verfassungsschutzämter in SPD-Grün-regierten Ländern ihrer Tätigkeit im Sinne  der Diskreditierung bspw. der CDU verstehen, oder selbstverständlich auch umgekehrt? Wenn heute „islamistische“ Terrorakte in Deutschland oder Frankreich usf. passieren, muss sich immer auch die Frage stellen, ob nicht Kräfte in den Geheimdiensten oder der Polizei mit einem gewissen Interesse beteiligt waren, solche Dinge sich ereignen zu lassen.

Wenn de Maizière den Verfassungsschutz zentralisieren will, zielt er möglicherweise auf die Verminderung seiner föderalen Zersplitterung, die jedenfalls Anreize zu seiner parteipolitischen Verwendung bietet, z. B. in der Situation SPD-Grüne kontra Merkel. Das viel allgemeinere Problem aber des immer wieder auftauchenden merkwürdigen Verhältnisses der Geheimdienste zu terroristischen Ereignissen spricht de Maiziére ebensowenig wie Gabriel an, und das dürfte Gründe haben.

 

 

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