Erdogan in Brüssel – EU-Mitgliedschaft der Türkei trotz allem weiterhin ein Thema

Einem dpa-Bericht zufolge hat der türkische Präsident Erdogan anlässlich eines Besuches in Brüssel zwecks Treffens mit EU-Spitzenvertretern sehr deutlich gesagt, dass die Türkei weiterhin die Mitgliedschaft in der EU anstrebe.

In früheren Jahrzehnten konnte man denjenigen, die eine EU-Mitgliedschaft der Türkei  verlangt haben, nur freundlich, aber bestimmt erklären: kommt nicht in Frage. Nicht umsonst waren es damals auch immer wieder die USA, die die Mitgliedschaft der Türkei verlangten, um einen Staat in die EU zu bringen, der ihnen jahrzehntelang immer bedingungslos politisch gefolgt war. Die damalige EU hätte sich damit in zusätzliche Schwierigkeiten verwickelt und nur Schaden geerntet.

Die heutige Situation ist allerdings anders. Die Türkei  hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich modernisiert und nimmt heute eine andere geostrategische Stellung ein; ihr Verhältnis zu den USA hat sich deutlich gelockert, insbesondere seit ihrer Trennung von der Gülen-Clique, die wesentlich als ein Instrument der von den USA betriebenen, islamisch getönten  Subversion im vorderorientalischen und zentralasiatischen Raum zu betrachten ist. Es klingt etwas paradox, ist aber Tatsache: unter der Herrschaft der Generäle, die sich als laizistische Erben des Modernisierers Atatürk zu geben gewohnt waren, hat die Türkei wirtschaftlich, kulturell und ökonomisch kaum je Fortschritte gezeigt, während sie ausgerechnet unter der Führung einer islamischen Partei, der AKP unter Erdogan, sich sehr verändert, in vieler Hinsicht zum Positiven.

Das verbale Rabaukentum Erdogans und seine autoritären Regierungsformen sind unerfreulich; allerdings sollte man vielleicht auch bedenken, dass die Generäle bestimmt nicht weniger autoritär regiert haben. Wenn die Demokratie in der Türkei zu stark ihr Haupt erhob, haben sie geputscht wie 1981, Zehntausende hinter Gitter gebracht und viele demokratische Aktivisten ermordet. Und turko-chauvinistische und islamistische Donnerworte eines Erdogan, die er wohl zur Propaganda nach innen für notwendig hält und vielleicht sogar selbst ein wenig glaubt, haben bisher die wachsende Kooperativität gegenüber Deutschland und der EU nicht wesentlich beeinträchtigt. Wenn man die Bindungen zu den USA oder Russland seitens der EU nicht gefährden will, wozu man nach wie vor einigen Grund hat, lässt man sich ja von den Absurditäten und Feindseligkeiten eines Trump oder Putin auch im Kern nicht beirren.

Die EU sollte das Verhältnis zur Türkei mit großer Aufmerksamkeit und großer Gewichtung weiterhin zum Positiven ihrerseits zu entwickeln trachten. Ein gutes Verhältnis zur Türkei, einem im Vergleich mit den arabischen Staaten relativ stabilen, modernen und geordneten Staat,  wäre ein ganz großes geostrategisches Pfund angesichts des Chaos in der Region. Dass eines ferneren Tages tatsächlich ernsthaft eine Mitgliedschaft angegangen werden kann, sollte man nicht ausschließen.

 

 

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