Zur weiteren Diskussion über Griechenland und den Kreditbedarf

Auf FAZ-Net haben sich zahlreiche Leser zum Slogan „Sparkommissar für Griechenland“ (auf den inzwischen Merkel verzichtet haben soll) geäußert.
http://www.faz.net/aktuell/forderung-nach-sparkommissar-athen-verlangt-respekt-vor-seiner-wuerde-11630513.html#comments
Leider überwiegen zahlenmäßig solche Zuschriften, die politisches Verständnis vermissen lassen und durch billige Schemata wie ‚warum sollen wir tüchtigen sparsamen Deutschen die griechische Pleite aus Faulheit und Lügen bezahlen?‘ ersetzen.
Immerhin finden sich aber doch eine Reihe von Zuschriften, die so oder so daran erinnern, daß es sich um Zuspitzungen innerhalb von Klassengesellschaften handelt.
Ein Leser weist darauf hin, daß bei der Griechenland-Frage

„sicherlich die wirtschaftlichen Interessen derjenigen, die aus dieser Staatspleite ein ertragreiches Geschäftsmodell gemacht haben, die entscheidende Rolle (spielen), ein Gesichtspunkt, der natürlich dem gemeinen Volk nicht rüber gebracht wird“.

Ein anderer führt aus, daß die Maßnahmen der „Troika“ (IWF, EU, Europäische Zentralbank) das finanzielle Wohlergehen derjenigen in keiner Weise beeinträchtigen. die für die Misere Griechenlands verantwortlich sind.

„Den korrupten Beamten und Politikern, die sich von (meistens deutschen) Großunternehmen haben schmieren lassen, den Steuerhinterziehern, den Wirtschafts- und Parteibonzen und Ihrer Gefolgschaft geht es nach wie vor prächtig. Betroffen sind diejenigen, die bisher ohnehin mit Mühe und Not überlebt hatten: Menschen mit befristeten 600-Euro Jobs, Rentner die nichts mehr zu essen haben, Familien, die Ihre Kinder nicht mehr ernähren können.“

Eine Zuschrift weist u.a. darauf hin, daß reiche Griechen Vermögen in Höhe von 700 Mrd. € in die Schweiz transferiert hätten.
Ein weiterer Leser äußert sich angewidert über die Zustände in EU-Ländern einschl. Deutschland so:

„Seit 40 Jahren betrügen Ober- und Mittelschicht den Staat, der das Gesundheitswesen, Schulen, Straßen usw. macht, und behalten ihm Geld vor. Die nichtgezahlten Steuern in Griechenland, Italien, Deutschland usw.-EU betragen sicherlich 500 Milliarden und mehr. Im Jahr! Dazu kommen Mafia und Graue Geschäfte. Die Bigotterie kotzt mich an. Die Selbstgerechtigkeit ist einfach obszön.“

Ein anderer findet es ebenfalls angebracht, die eigene Oberklasse mit in den Fokus zu nehmen, statt bloß auf Griechenland zu schauen:

„Venizelos soll froh sein, daß die deutsche Regierung noch immer nicht alle notwendigen Lehren aus dem Fall seines hoffnungslos korrupten Staates gezogen hat.
Möglicherweise hat diese Zurückhaltung ja mit den gierigen Wölfen im eigenen Land zu tun. Ob es das ist, was Merkel unter innereuropäischer Annäherung versteht? Allein das, was im zurückliegenden Jahr ans Licht gekommen ist, läßt mich kaum noch daran zweifeln, daß wir auf dem besten Weg sind, bald mit Italien und Griechenland mithalten zu können: Schamlose Klientelpolitik, auf Lügen, falsche Doktortitel und Schmiergelder aufgebaute politische Karrieren, das Ausspionieren politischer Gegner durch staatliche Organe, Staatskriminalität bis hinein in den heimischen PC der Bürger…“

Hier noch ein paar zusammenfassend kommentierende Sätze meinerseits:
Der griechische Bankrott hat innere Gründe, z.B. mangelnde Industrialisierung, Klientelpolitik, Korruption, sowie äußere: finanzkapitalistische Akteure haben an der Überverschuldung des Landes längst riesig verdient und sind dabei, an der Pleite noch mehr zu verdienen, indem aus den Staatshaushalten anderer Länder wie z.B. Deutschland neue Finanzflüsse generiert werden, die dann letztlich bei ihnen landen sollen. Diejenigen Regierungen, die die entsprechenden „Hilfsprogramme“ für Griechenland lancieren, praktizieren Korruption auf einer noch viel höheren Ebene als in Griechenland selbst. Die Merkel-Regierung hat wegen der massiven inneren Kritik an der mit ihrer Politik unvermeidlichen weiteren Ausblutung der öffentlichen und privaten Mittel Deutschlands mittlerweile in dieser Hinsicht etwas Zurückhaltungs-Makeup aufgelegt und wird nun international gedrängt, beschimpft, aber auch umworben, von anderen Regierungen und Medien, sich dem finanzkapitalistischen mainstream wieder besser einzuordnen und die Schleusen noch weiter zu öffnen. Dem sollte das Land mE nicht folgen.

 
Man sollte sich aber auch von den Lobsprüchen über die angebliche Wirtschaftskraft Deutschlands und die angebliche Solidität seines Finanzregimes, die jetzt von innen wie von außen laut ertönen, nicht täuschen lassen. Deutschlands jetzt noch vorhandene ökonomische Stärken sind unter seinem politischen Regime zur Abwicklung verurteilt, und seine Gegner wissen das (ausführlicher dazu mein Beitrag v. 10.Juli 2011 „Der Ruin Deutschlands – System und Ziel“). Die Desindustrialisierung wird in weiteren großen Schüben kommen, die energiepolitische Abhängigkeit und internationale Erpressbarkeit werden weiter steigen, die Probleme mangelnden jugendlichen Nachwuchses, mangelnder Bildung und Ausbildung, d.h. fallender Produktionspotentiale bei ständig wachsenden Rentnerzahlen werden zunehmend an den ökonomischen Bilanzen fressen und ihre jetzige – angebliche – Prallheit Lügen strafen.
Im Kampf gegen dieses System der deutschen Politik ist auch die Solidarität mit den anderen europäischen Völkern gefragt, wenn es überhaupt einen Kampf geben soll.

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