Mit einer interessanten Überschrift:
“ Are Europe’s Muslims America’s problem? – Sind Europas Muslime Amerikas Problem?“
wartete am 26. 01. 2012 Al-Jazeera auf.
http://www.aljazeera.com/indepth/opinion/2012/01/201212110539569620.html
Der Autor Hishaam Aidi gibt einen Einblick in die Bemühungen der USA, Muslime in Europa für die sog. menschenrechtliche Politik der USA zu gewinnen und sie innerhalb der europäischen Gesellschaften zu Werkzeugen der US-Politik heranzubilden. (Er konzentriert sich auf Frankreich, erwähnt Großbritannien; für andere Staaten dürften sich ähnliche Erscheinungen beobachten lassen.) Wenn ich das, was er durchblicken läßt, auf den Punkt bringen darf: die USA betreiben u.a. Programme zur Herausbildung zukünftiger politischer Führer islamischer Separatgesellschaften in europäischen Staaten, massive politische Subversion.
Zweifellos durchdringen sich bspw. in der Frage der französischen Banlieue-Unruhen mehrere Widersprüche: es geht im Kern um die Unfähigkeit und Unwilligkeit des kapitalistischen Systems, der Gesamtheit der Jugend akzeptable Lebensperspektiven, Ausbildung und menschenwürdige Arbeitsplätze zu bieten. Nach der kapitalistischen Logik sind 20-, 30- oder sogar bis zu 50% der heutigen Jugend in Europa, insbesondere in den südlicheren Staaten, überflüssig und es darf nicht in ihre Bildung und Integration in die moderne Gesellschaft investiert werden – sollen sie sehen, wie sie sich durchschlagen. (In Deutschland mag das Problem zahlenmäßig geringer sein, weil die deutsche Politik seit Jahrzehnten dafür steht, die jüngeren Generationen immer kleiner werden zu lassen und auf die Vergreisung der Gesellschaft hinsteuert.)
Auf der Grundlage der sozialen Perspektivlosigkeit und ihrer Konzentration in bestimmten benachteiligten Quartieren der Städte finden Islamismus, Kriminalität und Käuflichkeit – darunter, wie es scheint, gerade auch politische Käuflichkeit bspw. im Interesse der USA – offenkundig reichliche Nährböden. Das dürfte nicht nur in Frankreich zu beobachten sein.
Die kulturellen und zivilisatorischen Nachteile, denen bspw. in Frankreich zahlreiche Abkömmlinge aus Nord- oder Schwarzafrika (ohne eigene Schuld) unterliegen, werden von manchen Politikern und rechten Ideologen in Anwürfe gegen diese Menschen umgemünzt, um von der zerstörerischen Politik des Kapitalismus abzulenken, der diesen Massen keine soziale Perspektive bieten kann und will und darüberhinaus selbst durchaus daran interessiert sein mag, tiefe kulturelle und soziale Gräben in der Bevölkerung zu haben, um die Teile gegeneinander ausspielen zu können.
Selbstverständlich sind die USA über diese Fragen auch und gerade in Europa bestens informiert, massiv untergründig engagiert und wahrscheinlich nicht ohne Erfolge.
Zurück zur Al-Jazeera:
Man fragt sich natürlich, was deren Interesse an solchen Teil-Enthüllungen betreffs der US-Aktivitäten unter europäischen Muslimen ist. Leider muß man als Tenor der Artikels von Hishaam Aidi feststellen, daß es ihm keineswegs um grundlegende Verbesserungen der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungsmöglichkeiten der europäischen Muslime geht. Ich bin so frei davon auszugehen, daß die nur auf dem Wege der graduellen Überwindung der mittelalterlichen und vormittelalterlichen islamischen gesellschaftlichen Vorstellungen, die insbesondere in der sog. „Scharia“ konzentriert sind, und auf dem Wege der graduellen Integration in eine moderne zivilisatorische Entwicklung erreicht werden können. Frauendiskriminierung, klerikale Rationalitätsverbote und Hochmut gegenüber nicht-islamischen oder gar a-religiösen kulturellen Standards; animistischer Aberglaube, afrikanische Vielweiberei etc. (wie z.B. in Banlieues zutage getreten), nationale Chauvinismen wie bspw. der türkische gegenüber den Mehrheitsbevölkerungen Europas sind ihrerseits schwere Hindernisse für die Emanzipation der benachteiligten Bevölkerungsteile. Die aber interessieren einen Autor wie Aidi nicht. Im Gegenteil: er plädiert mehr oder weniger direkt für die Aufwertung der Scharia innerhalb der westlichen Zivilisationen, wenn er am Ende seines Artikels bestimmte Tendenzen in den USA angreift. So ist es für ihn unakzeptierbar, daß, wie er schreibt, „dreizehn [Bundes-] Staaten Gesetze zum Verbot der Scharia erlassen haben.“ Wenn er schreibt, „amerikanische Muslime sehen sich einer ansteigenden Flut der Diskriminierung gegenüber“, meint er offensichtlich Opposition gegen islamistisches Denken und den entsprechenden Herrschaftsanspruch, nicht die soziale Benachteiligung großer Teile der – keineswegs nur der islamisch geprägten – Jugend im Kapitalismus der USA und Europas. Er zielt ab auf die Vertiefung der Spaltungen innerhalb der Jugend und der Bevölkerungen insgesamt, nicht auf ihre Überwindung.
Die – zweifellos interessanten – Aufdeckungen über die subversive Rolle der USA in Europa zielen nicht auf Kritik an Kapitalismus und reaktionärem Gedankengut, sondern nörgeln an bestimmten Tendenzen in der US-Gesellschaft herum, sich der islamistischen Arroganz in ihrer eigenen Mitte wenigstens teilweise zu erwehren.