Bilanz Merkel

Es werden nun bald 15 Jahre, vielleicht sogar noch 16, dass Angela Merkel als Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland fungiert hat, in wechselnden Parteienkoalitionen.

Niemand bestreitet, dass sie die politische Entwicklung seither stets deutlich geprägt hat, dass es eine Agenda Merkel, ein persönliches politisches Profil dieser Politikerin gibt.

Die innere Entwicklung Deutschlands weist mittlerweile derartige Defizite, derartige Sackgassen auf, dass nunmehr alle Welt davon redet, das Ende der Ära Merkel sei unausweichlich.

In der Öffentlichkeit allerdings werden bisher nur einzelne Aspekte kritisiert und einzelne Änderungswünsche angedeutet, ohne dass die wesentlichen bestimmenden Züge dieser Politik analysiert werden. Das liegt möglicherweise auch an den eigenen Schwächen der Kritiker und der potentiellen Nachfolger – soweit sie bisher innerhalb der CDU/CSU als solche kenntlich werden -, aber man sollte sich auf diesen Umstand nicht als den entscheidenden einschießen.

Der entscheidende Grund der langjährigen Unanfechtbarkeit von Merkels Kanzlerschaft und auch der Profilschwäche der Kandidaten liegt mE in der Konformität Merkels und anderer mit bestimmten übergeordneten Interessen und Forderungen des kapitalistischen Systems. Wenn diese nicht ins Zentrum der Kritik gestellt werden, und nicht so sehr die persönlichen politischen Profile der Kandidaten, kann es leicht so etwas wie eine Nach-Merkel-Ära von Merkel-Clons geben.

Der Verfall von wesentlichen Teilen der ökonomischen Infrastruktur in Deutschland, bspw. im Verkehr,  ist inzwischen weit fortgeschritten und gibt europäischen Nachbarn Grund zu  Sorgen und Spott. Andere Verfallserscheinungen, bspw. im Bildungssystem, in den Schulen und Hochschulen sind mE noch viel ernster zu nehmen, denn hier genügt es nicht, Geld, Planer und Arbeitskräfte einzusetzen; hier sind mittlerweile Kultur und eine positive Mentalität Mangelware.

Andererseits hat sich bis heute der Kapitalismus in Deutschland als dauerhaft profitabel erwiesen, der Massenkonsum floriert noch, und nur ein nicht so sehr ins Gewicht fallender Teil der Gesellschaft hat bisher Grund, über drückende Not zu klagen.

Die Profitabilität des deutschen kapitalistischen Systems während der Ära Merkel hat mannigfaltige Gründe, darunter die außerordentlichen Erfolge vieler Unternehmen, vor allem industrieller Unternehmen, im europäischen und globalen Rahmen. Deutschland ist bekanntlich Sitz sehr vieler sog. hidden champions, meist im Privatbesitz befindlicher (und meist industrieller) Unternehmen, die im Rahmen der Globalisierung der vergangenen Jahrzehnte ihre internationale Stellung ausbauen konnten; auch einige Konzerne wie VW konnten an der Weltspitze sich halten.

Aber darauf allein ist die relative Prosperität dieser Zeit nicht zurückzuführen; ein ganz andersartiger Faktor, die Ökopolitik, spielt ebenfalls eine große Rolle. Seitdem Merkel 2005 Kanzlerin wurde, haben sich, unter ihrer Führung, enorme neue kapitalistische Profitfelder entwickelt, die unter dem label „ökologischer Umbau der Energiewirtschaft“  zahllosen Menschen Arbeit, zahllosen Finanziers und Spekulanten goldene Zeiten und vielen, gerade kleineren und mittleren Firmen bspw. des Bauwesens, Existenzmöglichkeiten eröffnet haben, die sonst weggefallen wären. Ohne diese staatlich erzwungene „disruption“ des Energiewesens, die sich besonders in der Stromerzeugung abspielt, hätte das kapitalistische Gesamtsystem des Landes sich keineswegs so „akzeptabel“ präsentieren können, wäre die relative politische Friedhofsruhe schon viel früher von schärferen Auseinandersetzungen abgelöst worden.

Die Ära der Ökopolitik ist gleichzeitig die der Vernachlässigung der Grundlagen, des Verfalls vieler wissenschaftlicher und bildungsmäßiger Potentiale,  und des Raubbaus auch an der Infrastruktur. Mit der Scheinblüte des Ökoprofits konnte das alles überdeckt werden. Gleichzeitig waren die globalen ökonomischen Beziehungen, bspw. zu China, ein Treibmittel, das nunmehr, fast gleichzeitig, zunehmend problematisch wird.

Mein hauptsächlicher Kritikpunkt an Merkel liegt hier.

Die Kanzlerschaft Merkel hat mittels der Ökopolitik dem Kapitalismus eine – aus dessen eigener Kraft nicht mehr leistbare – Profitabilität (auf Zeit) verschafft, eine Profitabilität, die nunmehr in schweres Gewässer steuert, aber gleichwohl 15 Jahre lang alternativlos schien, den Bürgern das kritische Denken und teilweise das Denken überhaupt (Schulen!) abgewöhnt hat, das sie eigentlich dringend bräuchten, um die komplizierte Lage zu verstehen.

Bevor ich auf diesen Zusammenhang noch etwas näher eingehe, müssen andere Seiten der Merkelschen Amtsführung erwähnt werden, die eine gewisse Anerkennung verdienen und hauptsächlich auf dem Feld der internationalen Beziehungen, der Europapolitik, aber auch dem schwierigen Feld der Sicherung und Behauptung des langsam zusammenwachsenden Europa gegenüber Mächten wie den USA und China liegen. Die höchst eigenmächtige Verfügung Merkels im Jahre 2015,  für einen gewissen Zeitraum eine große Zahl von Flüchtlingen aufzunehmen aus Ländern wie Syrien, Afghanistan und dem Irak, die von den USA und Spießgesellen (auch europäischen) in brutalster Weise verwüstet worden waren, hat mE einen Grundstein gelegt für eine zukünftige positivere Rolle der EU in diesem Bereich; sie hat zahllose menschliche Beziehungen zwischen der deutschen Bevölkerung und diesen Ländern entstehen lassen, die für beide Seiten produktiv sich entwickeln können. Bis heute wird dieser Merkelsche coup von allen möglichen Kritikern bemeckert, die von internationalen Fragen keine Ahnung haben und am liebsten in ihrer chauvinistischen Kleingartenidylle eines Tages noch beerdigt werden wollen.

In den Jahren seitdem hat Merkel zudem offenbar einige Energie auf die Entwicklung der Beziehungen zwischen der EU und Afrika verwandt, die zuvor ein ganz großer wunder Punkt waren (man erinnere sich an die trübe Rolle Frankreichs unter Sarkozy bei der Zerschlagung Libyens, um nur ein herausstechendes Beispiel zu nennen) – ob diese Anbahnungen sich positiv entwickeln werden, bleibt allerdings bisher offen.

Aber zurück zum Ruin Deutschlands, der nun langsam klarer hervortritt, und den ich in verschiedenen Beiträgen bereits seit 2011 zum Thema gemacht habe. Wie hängt der mit der Merkelschen, den Kapitalismus künstlich konservierenden, Ökopolitik zusammen? Ich wiederhole hier meine analytischen Bemühungen nicht, sondern nenne nur ein paar – zugegeben plakative, vereinfachte – Beispiele. Eine wirkliche Analyse müsste sich innere Widersprüche des Kapitalismus überhaupt vornehmen,  bspw. was unter „säkularer Stagnation“ firmiert.

  1. Es kann einer Nation wie Deutschland, deren ganze ökonomische Existenz nach zwei verlorenen Weltkriegen immer wieder wesentlich auf der Grundlage wissenschaftlich-technischer Exzellenz (und geschickten internationalen politischen Lavierens) wiederaufgebaut werden konnte, nicht gut bekommen, wenn sie willkürlich Spitzentechnologien wie die nukleare samt den dazugehörigen Forschungszweigen verbietet und behauptet, die sog. erneuerbaren Energien mit ihrem höchstens mittelmäßigen technischen Niveau und ihrem absurd hohen Ressourcenverbrauch seien ökonomisch und ökologisch besser. Was für ein Schwachsinn!
  2. Es kann einer Nation wie Deutschland mental nicht bekommen, wenn die Predigt, Deutschland sei berufen die Welt vor dem Klimawandel zu retten, zur alleinseligmachenden erklärt wird. Selbst wenn man felsenfest davon ausginge, der Klimawandel sei entscheidend menschengemacht und könne durch Dekarbonisierung entscheidend gebremst werden, könnte Deutschland mit seiner Ökopolitik nur minimale Anteile des weltweiten CO2-Ausstoßes einsparen. Und wenn die Verfechter dieser Politik antworten, das internationale Vorbild Deutschlands und vielleicht sogar der gesamten EU werde die anderen viel größeren Emittenten wie die USA, China und viele andere, vor allem bis jetzt unterentwickelte Länder, schließlich nach sich ziehen, deswegen sei das deutsche Engagement letztlich doch wirksam, dann kann man nur fragen, welche Art von Welt sich diese Leute in ihren Köpfen zurechtmachen. Pippi Langstrumpf war eine größere Realistin im Vergleich zu ihnen.

Ich möchte hier ausdrücklich, wie bereits mehrfach in den vergangenen Monaten, Teile der Jugend positiv ausnehmen, deren Denken sich von den kapitalistisch-ökologischen Machenschaften der offiziellen Politik, gerade der Merkelschen Politik, abzusetzen beginnt und den weltweiten kapitalistischen Ausbeutungszusammenhang kritisch zu thematisieren beginnt.

  1. Es kann der deutschen Ökonomie praktisch nicht gut bekommen, wenn die Ökoabgaben, beginnend bei den Strompreisen, über zahllose Extrasteuern und bürokratische Hindernisse, alles überwuchern, alles teurer machen und jegliches Neue massiv verzögern. Wir haben hier mittlerweile eine Absurdwirtschaft, wo die Existenz des wichtigsten Industriezweigs, der Autoindustrie, vom massenweisen Absatz spritfressender SUVs abhängt (und vom Wohlwollen der chinesischen Machthaber) und sich genügend egoistisch-idiotische Mitbürger finden, die es nicht unter zwei, wenn nicht vier demonstrativen Auspuffrohren machen, während andere nicht wissen, wie sie die Stromrechnungen und die zwangseingeführten extrateuren ökologischen Autos bezahlen sollen. Wie unter derartigen Widersprüchen es weitergehen kann und soll, das könnten Spahn, Merz, Söder und Laschet langsam mal zu erklären anfangen (- diese Aufforderung richtet sich natürlich gleichermaßen an die Führungen der anderen Parteien, einschl. der gleichfalls völlig kapitalismushörigen AfD).

Ich denke, dass Deutschland und die EU als Ganze noch immer enorme  wissenschaftliche und kulturelle Potentiale mobilisieren können, dass auch die sozialen Fragen nicht derart unter dem Diktat des primitiven Profitinteresses bleiben müssen wie wir das in der Ära Merkel und natürlich schon zuvor haben miterleben müssen. Vielleicht befreit sich unsere Gesellschaft wenigstens teilweise von den Denkverboten und den wohlhäbigen spießigen Gewohnheiten, die mit der Ära Merkel und ihrem Politikverständnis einher gegangen sind. Glückauf!

 

 

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