Wenn chinesische Milliardäre, die Financial Times und T. Konicz vom Kommunismus schwärmen

 

Vor kurzem fand sich in der „Telepolis“ ein Artikel  des dort oft präsenten Autors Tomasz Konicz, der sich selbst als Kommunist versteht. Die Überschrift: „Kommunismus = Internet und Räte“.

Die Inspiration und wesentliche Kategorien für das, was Konicz für  Kommunismus   hält, stammte interessanterweise aus chinesischen kapitalistischen Quellen und der britischen „Financial Times“. Zwei staatliche Theoretiker aus China wie auch die FT hatten kürzlich das Thema „Big Data, Planwirtschaft und ‚Kommunismus‘“ behandelt, der chinesische Multimilliardär Jack Ma gleichfalls. Hier finden sich weitere Zitate aus dieser Gedankenwelt. Auf Ma und die FT bezieht sich Konicz mit direkten Zitaten, auf den chinesischen Aufsatz nur indirekt.

Konicz umreißt in ihrem Gefolge eine Planwirtschaft, die über restlose Erfassung aller Bedarfs- und Verbrauchsdaten mittels moderner IT-Systeme in Echtzeit sowohl die Schwächen früherer Planwirtschaften wie auch die Grundmängel der kapitalistischen Marktwirtschaft überwinde:

„Letztendlich zeichnet sich hier das Potential einer kommunistischen Echtzeit-Ökonomie ab, in der der Bedarf an Gütern sofort lokalisiert und befriedigt werden kann. Das immer dichtere Netz an internetgebundenen Geräten ermöglicht den Aufbau nahtloser Produktionsketten, die ohne die blindwütige “unsichtbare Hand” des Marktes auskommen würden: vom Feld über die Produktion und die Distribution bis zum Kühlschrank.

Es zeichnet sich ein neues Paradigma ab: Produktion zwecks Bedürfnisbefriedigung – und nicht um der uferlosen Kapitalverwertung willen, bei dem Bedürfnisse nur ein Mittel zum irrationalen Selbstzweck der Akkumulation von Geldwerten sind. Die Rechenkapazitäten, um das System in Echtzeit zu betreiben, sind schon längst gegeben. Es ist nur noch die kapitalistische Produktionsweise, die diese ihrem Schoss herangereiften Produktivkräfte fesselt, an ihrer freien Entfaltung hindert.“ (Konicz)

Es gibt hier mehrere kleinere Problemchen, die bei Konicz entweder gar nicht oder gerade so eben am Rande erwähnt werden.

Dass diese Planwirtschaft in der Hand von Milliardären und eines Staates wäre, dem die kapitalistische Bereicherung seiner eigenen hohen Funktionäre ebenso essentiell ist wie einem Jack Ma und vielen weiteren neuen Milliardärs-Genossen in China, und dass diese Klasse, mit ihren zahlreichen weiteren Mitgliedern auf weniger hohen Ebenen von Einkommen und Rang, wohl kaum ihre Positionen räumen würde, damit alle Chinesen künftig gleich arm bzw. reich wären, erledigt Konicz hier mit dem letzten Satz. Nur die kapitalistische Produktionsweise muss eben mal verschwinden, dann sind wir im kommunistischen Big-Data-Paradies. Vielleicht kommt ja in China die Phönixfee des himmlischen Ostmeeres herabgeschwebt und fegt sie mit ihrem glitzernden Fächer weg.

Ein weiteres Problemchen: Ökonomie besteht nicht bloß und nicht vorwiegend aus so einfachen und kurzzügigen Zusammenhängen wie „vom Feld über die Produktion und die Distribution bis zum Kühlschrank.“ Ökonomie muss sich nicht nur in der Versorgung einer regional kompakten Bevölkerung mit ein paar Grundlebensmitteln bewähren, sondern in so komplexen und kontroversen Feldern wie: Strategien für die Zukunft  in mehreren Jahren und Jahrzehnten entwickeln, wobei die entsprechenden kontroversen Vorstellungen und Interesse über die Gesamtentwicklung der Gesellschaft, nicht bloß die ökonomische, in Kampf geraten. Sie muss politische Kämpfe, Revolutionen, Kriege bewältigen, sowohl im eigenen wie im internationalen Rahmen.  Ob das Fragen sind, die die besten KI-Apparate auch nur zu konzeptualisieren in der Lage wären, geschweige denn zu bewältigen? Hat sich Konicz darüber einmal Gedanken gemacht?

Einer der Grundzusammenhänge moderner Ökonomie ist die globale Interaktion ganz verschiedener Gesellschaften mit ganz unterschiedlichen Entwicklungsstufen, ökonomischen Systemen und Interessen.

Selbst wenn China seine interne Produktion und seinen internen Konsum datenmäßig eines Tages ganz gut bewältigen würde, was vielleicht für ein paar Monate oder Jährchen denkbar wäre, allerdings ohne dass Umwälzungen in Techniken, Bedürfnissen und Interessen vorkommen, würde der internationale Zusammenhang weiter bestehen und seine Probleme den chinesischen Planern auf den Tisch werfen.

Ist die chinesische Ökonomie überhaupt nur denkbar ohne Rohstoffe aus der ganzen Welt, Absatzmärkte in der ganzen Welt? Sind Rohstofflieferungen aus anderen Ländern, die nicht der chinesischen Planung unterstehen und nicht unterstellt werden können, etwa krisen- und katastrophenfreie Felder? Im Kongo buddeln Massen von entrechteten Halbsklaven unter den Gewehren irgendwelcher warlords die seltenen Erden, das Gold und die Diamanten aus dem Grund, ohne die China nicht weitermachen könnte (nur als Beispiel für viele internationale ökonomische Zusammenhänge). Typisches Einsatzfeld für Jack Mas Algoritmen, oder?

Und wenn internationale Absatzmärkte für die chinesische Produktion unplanbar, wie sie nun einmal sind, sich drastisch verändern, wer trifft die politischen Entscheidungen, wie das Land darauf reagieren könnte? Irgendwelche Automaten? Oder interessengeleitete Menschengruppen?

Die übergeordneten Fragen: welche Klasse beherrscht die planenden Automaten? Wer trifft die  Entscheidungen  (denen dann die Automaten vielleicht passgenaue ökonomische Ausführungsmodelle zustricken könnten, und das sogar schnell –  so viel kann man Konicz wohl zugestehen)  kommen hier bei Konicz nicht vor. Er zitiert hier Fantasien gewisser oberster Geldsäcke der internationalen kapitalistischen Ökonomie (zu denen die chinesischen Bosse inzwischen gehören), über die Planbarkeit ihres Ausbeutungssystems, über die restlose Erfassung aller Aktivitäten ihrer Untergebenen, wie sie eben auch in Londoner Finanzkreisen, im Silicon Valley und an ähnlichem Orten anderswo in der Welt ausgesponnen werden, als Vorboten eines restlos planwirtschaftlichen „Kommunismus“.

Angenommen, Teile der Welt und vielleicht später sogar große Teile, kämen irgendwann politisch in die Hände der großen Masse der Produzenten. Grundbedingungen für die Entwicklung einer neuen, dem Gemeinwohl dienlichen Ökonomie und vielleicht im weiteren von so etwas wie Kommunismus wären also gegeben, einer Gesellschaft, in der die emanzipative Entwicklung aller auch das Ziel jedes Einzelnen wäre. Sowas Dummes und von wichtigsten gesellschaftlichen Problemen Absehendes wie Konicz das hier präsentiert, würde da bestimmt nicht als Kern der Sache gesehen. Weder für Marx und Engels, noch für Lenin und erst recht nicht Mao Zedong war „Planwirtschaft“ Kernkennzeichen der Revolutionen, die sie imaginierten bzw. praktisch führten. Freilich würde man versuchen zu planen, was planbar ist, und sich sämtlicher Mittel bedienen, die IT und KI bieten werden. Doch die gesellschaftliche Grundorientierung wäre eine ganz andere als die der reibungslosen Bedürfnisbefriedigung.

Kulturloses, antihumanes Geschwätz, was Konicz hier abliefert!

 

 

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.