Zu Ägypten

“Asia Times Online” bringt einen zumindest lesenswerten Beitrag zum ägyptischen Militärputsch.

Der Ansatz des Artikels des palästinensischen Journalisten Ramzy Baroud, daß die Niederwerfung der Präsidentschaft Mursi und seiner Partei, der Muslimbrüder, mit den Klassengegensätzen der ägyptischen Gesellschaft zu tun hat, sollte zumindest beachtet werden.

http://www.atimes.com/atimes/Middle_East/MID-03-210813.html

Vielleicht sieht Baroud die islamische Partei der Muslimbrüder zu undifferenziert. Aber man sollte auch bedenken: Ägypten ist ein sehr altes, sehr traditionsgebundenes Land, in dem moderne Entwicklungen bisher große Teile der Gesellschaft bestenfalls oberflächlich erreicht haben, ähnlich wie in einer ganzen Reihe anderer wichtiger Länder der früheren kolonialen Welt. In solchen Gesellschaften ist es unvermeidlich, daß die politischen Artikulationsformen der unteren Schichten, vor allem der ländlichen arbeitenden Bevölkerungsteile und überhaupt der Armen, mit traditionellen religiösen Ideen vermischt auftreten. Man sollte sich das Verständnis für soziale Kernfragen nicht verstellen mit dem ausschließlichen und oberflächlichen Argument, daß da ja die Scharia gefordert werde.

Überhaupt fehlt in den – mir zugänglichen – Medien das Interesse, die Forderungen und Vorstellungen der verschiedenen Strömungen überhaupt darzustellen, geschweige denn umfassend und objektiv und in ihren gesellschaftlichen Triebkräften darzustellen.

Es werden jetzt von den Befürwortern des Putsches zahlreiche Anschuldigungen vorgebracht wie die, daß unter Mursi die ägyptischen Christen besonders unter terroristischen Akten wie Kirchenverbrennungen zu leiden gehabt hätten. Nun, solche Bedrohungen gab es durchaus schon seit längerem, unter dem Mubarak-Regime, dem vorigen Regime, das ja faktisch das vorige Militärregime war. Man sollte auch solchen Berichten Aufmerksamkeit nicht versagen, die darauf hinweisen, daß Geheimdienstoffiziere des Militärregimes schon lange inoffizielle Terror-, Mord- und Brandstiftertrupps unterhalten, mit denen sie falsche Fronten aufreißen, und mit denen sie logischerweise in politischen Situationen, die ihnen gefährlich erscheinen, verstärkt operieren, um im Volk Teile gegen andere aufzubringen, um Verbrechen ihren Gegnern in die Schuhe zu schieben, und was es alles an standardmäßigen subversiven reaktionären Taktiken solcher Kräfte gibt. (z.B. http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/port-said-tage-der-gewalt-12040510.html) (interessant auch ein Artikel der Al-Jasira,http://www.aljazeera.com/indepth/features/2013/07/2013710113522489801.html, in dem u.a. über derartige ägyptische Geheimdienstler im Sold der USA berichtet wird.)

 

 

 

 

 

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Zu Ägypten

Indonesien, die gesellschaftlichen Nachwirkungen der Massaker von 1965-66 und ein Film, der die öffentliche Diskussion anregt

“Asia Times Online” bringt eine Interview mit dem Filmemacher Joshua Oppenheimer, der über die Massenmorde an den Mitgliedern der Kommunistischen Partei Indonesiens in den Jahren 1965-66 durch den Putschisten General Suharto und seine Killertruppen einen Film geschaffen hat, zusammen mit Christine Cynn („The Act of Killing“).

http://www.atimes.com/atimes/Southeast_Asia/SEA-02-090813.html

Oppenheim berichtet, wie im Laufe eines anderen Filmprojekts in Indonesien er und Cynn nach und nach auf die allgegenwärtigen Spuren dieses größten und brutalsten reaktionären Umsturzes der Zeit nach dem zweiten Weltkrieg gestoßen sind.

(Für meine Leser rekapituliere ich hier ganz kurz die wichtigsten historischen Fakten, die hierzulande noch immer kaum bekannt sein dürften:

In Indonesien bestand bis 1965 eine Regierung unter dem Präsidenten Sukarno, die aus dem Freiheitskampf gegen den niederländischen Kolonialismus hervorgegangen war, sich auf erhebliche Teile der indonesischen Gesellschaft stützen konnte und eine Politik der Blockfreiheit, des Zusammenschlusses mit anderen Befreiungsbewegungen der Dritten Welt und u.a. auch mit der Volksrepublik China betrieb. Die Regierungskoalition Sukarnos stützte sich u.a. auch auf die Kommunistische Partei Indonesiens, die damals rund 3 Millionen Mitglieder zählte. Die USA und andere stifteten 1965 eine  Generalsclique unter einen gewissen Suharto zu einem bewaffneten Umsturz an, in dessen Zuge viele Hunderttausende Mitglieder der Kommunistischen Partei sowie viele andere politisch und gesellschaftlich aktive Menschen brutal umgebracht wurden, durch paramilitärische Organisationen und  u.a. auch durch aufgehetzte islamische Gruppen.  „Amnesty International“ spricht von bis zu einer Million Massakrierter. Viele Morde geschahen nach Listen, die der CIA erstellt hatte. Das Regime Suharto konnte sich danach halten, bis es 1998 im Zuge großer Unruhen in der indonesischen Gesellschaft gestürzt wurde.)

Oppenheimer erläutert zunächst einmal die ungewöhnliche Methode des Films, nämlich Killer von 1965-66 selbst ihre Taten filmisch nachspielen zu lassen, derer sie sich bis dahin stets nur gerühmt hatten, und wie sie nach und nach mühe- und schmerzvoll zu einer anderen Bewertung ihrer Taten kommen. Er erwähnt auch die Allgegenwart der Killer von 1965-66 noch in der heutigen indonesischen Gesellschaft, die Angst der Menschen, sie könnten eine Neuauflage der Ereignisse von 1965-66 erleben müssen, wenn sie sich auch nur gewerkschaftlich organisieren würden, den Karrierismus und die Korruption, die auf den damaligen Taten aufgebaut wurden. Schließlich weist er darauf hin, daß fast alles, was heute aus dem „globalen Süden“ an Waren zu uns kommt, unter Bedingungen produziert wird ähnlich denen, die Putsche wie der  indonesische geschaffen haben. Letzteres mag zwar einiger historischer Differenzierungen bedürfen, aber ein Kern Wahrheit ist darin.

Dieses Interview ist mE lesenswert.

[Kleine Nachbesserungen 10.08.2013]

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Indonesien, die gesellschaftlichen Nachwirkungen der Massaker von 1965-66 und ein Film, der die öffentliche Diskussion anregt

Die deutsche Nachhaltigkeitsgesellschaft, Szene Nr. 10: Bahn fährt nicht mehr im Mainzer Hauptbahnhof, und anderswo auch nicht mehr so recht

Einer von zahlreichen Artikeln zu dem jüngsten Fall:

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/stillstand-am-hauptbahnhof-mainz-wird-zur-blamage-fuer-die-bahn-12475477.html

Wie gut angesichts solcher Lamentos  es doch zu wissen tut, daß, wenn die Bahn überhaupt noch fährt, sie es jedenfalls mit Ökostrom tut.

Die zahlreichen Leserzuschriften, die weitere Erfahrungen mit der Bahn schildern, vergessen offenbar ganz das überragende Positive!

 

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

 

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , | Kommentare deaktiviert für Die deutsche Nachhaltigkeitsgesellschaft, Szene Nr. 10: Bahn fährt nicht mehr im Mainzer Hauptbahnhof, und anderswo auch nicht mehr so recht

Das Geld ist weg, bzw. woanders

Vielfältig sind in der letzten Zeit die Meldungen zu dem Thema, wie man sein Geld – wenn man welches hat – verlieren kann, schon verloren hat oder demnächst  verlieren wird, unter dem in unserem Land herrschenden System einer korrupten Finanzbranche und einer politischen Kaste, die diese Finanzbranche stützt, aber auch mit Steuererhöhungen und Öko-Abgaben den Bürger noch zusätzlich kräftig zur Kasse bittet.

Einer der Kanäle, über den in den letzten Jahren Hunderte von Milliarden Ersparnisse deutscher Bürger vernichtet wurden, ist nach der Darstellung des FAZ-Journalisten Gerald Braunberger die „Kapitalanlage im Ausland“.

http://www.faz.net/aktuell/finanzen/meine-finanzen/sparen-und-geld-anlegen/geldvermoegen-privater-haushalte-das-anlagedilemma-der-deutschen-12426972.html

Braunberger stützt sich auf eine Veröffentlichung des DIW (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung, Berlin), die von einer „Vernichtung“ von 600 Milliarden Euro deutscher Auslandvermögen in den letzten sechs Jahren spricht, im wesentlichen als Ergebnis der Tätigkeit der Finanzbranche, die den Anlegern zu den miesen Auslandsanlagen geraten hat bzw. die ihr anvertrauten Mittel (Lebensversicherungen, Pensionsfonds etc.) selbst so angelegt hat, daß sie jetzt perdu sind.

Der Ausdruck „Vernichtung“ ist wahrscheinlich nicht zutreffend:  ‚das Geld ist jetzt eben woanders‘, sprich in den Netzwerken derjenigen Firmen im In- und Ausland, die aus der sog. Finanzkrise zu profitieren verstehen, oder anders ausgedrückt: sie mit herbeigeführt haben. Unter anderem – dieser Aspekt ist vielleicht anschaulicher, wenn auch weniger wichtig – ist es auch auf  den Konten der unfähigen oder korrupten Banker, Versicherungsvertreter etc., die die Provisionen für ihre betrügerische Tätigkeit bekommen. Mögen diese vom Standpunkt ihrer Kunden auch als Nieten erscheinen, angesichts ihrer eigenen Gewinne dürften viele dieser Personen sich selbst wohl kaum als „unfähig“ sehen.

Braunberger spricht auch andere Aspekte der ökonomischen Entwicklung an, z.B. wie es sein kann, daß trotz solcher Verluste das private Geldvermögen in Deutschland noch gewachsen ist, wenngleich in sehr bescheidenem Ausmaß.

Interessant ist auch die Überlegung, daß die 600 Milliarden, die ins Ausland verbracht worden sind, der Höhe des Überschusses der deutschen Leistungsbilanz entsprechen. Er formuliert das so:

„Etwas frei ausgedrückt: Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ist das etwa so, als hätte Deutschland für 600 Milliarden Euro Exportgüter hergestellt, um sie anschließend auf dem Grund eines Ozeans zu versenken. Es ist daher wenig erstaunlich, wenn Deutschland in internationalen Vermögensvergleichen nicht so gut aussieht wie vielleicht erwartet.“

Ich vermute – als wirtschaftswissenschaftlicher Laie – daß die Beziehungen nicht ganz so einfach sind. Wenn es aber so ist, wie schon vielfach geschrieben wurde, daß die deutschen Niedriglöhne – und eben nicht nur die eine oder andere Qualität der Ware – eine wesentlicher Faktor der permanenten deutschen Exporterfolge sind, dann müßte man seine Passage vielleicht noch etwas umschreiben, etwa so:

‚Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht hat das deutsche Kapital durch Niedriglöhne (denen Altersarmut und weitere Verluste sozialer Ansprüche auf dem Fuß folgen) Exporterfolge erzielt und in anderen Ländern, bspw. auch gerade der EU, die Konkurrenz an die Wand gedrückt. Und dann hat es diejenigen Teile der Bevölkerung, die aus den Exporterfolgen finanziell mitzuprofitieren gedachten, um diese Anteile gebracht.‘

 

Technischer Hinweis zur Kommentarfunktion auf diesem Blog:

Bitte richten Sie Kommentare, Hinweise, Kritiken und alles Relevante an meine e-mail-Adresse wagrobe@aol.com. Die direkte Kommentarfunktion auf diesem Blog mußte ich, vor längerer Zeit bereits, leider abschalten, weil sie zur Abladung von  Massen von Webmüll mißbraucht wurde, der mit den Beiträgen absolut nichts zu tun hatte.

Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

Veröffentlicht unter Allgemein | Verschlagwortet mit , , , , , , , , , , | Kommentare deaktiviert für Das Geld ist weg, bzw. woanders