Momentaufnahme – zur Lage der EU

Wesentliches Ergebnis der letzten Monate für Europa: diejenigen Parteien haben deutliche Niederlagen kassiert, die gegen die  europäische Integration arbeiten. Wilders in den NL, Le Pen in Frankreich dürften in der nächsten Zeit eher als abschreckende Beispiele dastehen, wie man die Kritik an der EU und die Anbindung an äußere Mächte nicht anlegen darf, wenn man Zustimmung gewinnen will. Dementsprechend haben in anderen ähnlichen Strömungen wie der AfD oder der FPÖ schon länger diejenigen ihre Stimmen gedämpft, die direkt auf Auflösung der EU oder auf Austritt aus der Eurozone hinarbeiten.  Der FN zerstreitet sich nach der Wahlniederlage über eine mögliche Änderung seiner EU-Politik

Während vor den letzten Wahlen in den Medien die Drohungen mit dem Zerfall der EU permanent groß aufgemacht wurden, ist jetzt eher der Lobpreis der engeren Zusammenarbeit angesagt, zumal zwischen Frankreich und Deutschland und Polen. Merkel, die eben noch wegen ihrer Flüchtlingspolitik beschuldigt worden war, die EU zu spalten, ist jetzt everybody‘s darling. Führende Persönlichkeiten in den USA oder Großbritannien oder anderswo, die sich längere Zeit bei Äußerungen ihrer Wünsche keine Zurückhaltung auferlegt hatten, die EU zu spalten, scheinen derzeit eher mit anderen Problemen beschäftigt.

Der Zusammenhalt der europäischen Staaten ist angesichts der Großmachtpolitik der USA, Chinas und ähnlicher Tendenzen in Russland ein Muss. Wird er nicht weiterentwickelt, z.B. auch auf militärischem Gebiet, droht ihnen, drastisch ausgedrückt,  das Abrutschen in halbkoloniale Abhängigkeiten von solchen größeren  Imperialismen, der innere Zerfall und die Vernichtung. Parteien und Persönlichkeiten, die die Bedeutung des Zusammenhalts nicht erkennen oder ihm sogar direkt entgegenarbeiten, sind als politische Kräfte  entweder unfähig, nicht ernst zu nehmen, oder sogar Agenten der genannten Äußeren.

Europa ist ein Zusammenschluss kapitalistischer Staaten und Gesellschaften. Zur Euphorie besteht kein Anlass.

Sie unterscheiden sich untereinander zwar erheblich aufgrund unterschiedlicher Geschichte und Kultur – nehmen wir einmal den bekannten Nord-Süd-Gegensatz als Beispiel  -,  in kapitalistischen Grundstrukturen jedoch unterscheiden Staaten wie Deutschland und Frankreich, selbst Spanien, Italien und die Niederlande usf. sich nicht prinzipiell untereinander.

Hier wäre zuvörderst zu nennen die Dominanz des finanzkapitalistischen Sektors, die Abhängigkeit der politischen Apparate vom Großen Geld und die Abhängigkeit der europäischen Volkswirtschaften von der internationalen Ausbeutung schwächerer Länder, von der Plünderung von deren Naturschätzen und der Ausbeutung ihrer billigen Arbeitskräfte.

In solchen Grundstrukturen unterscheiden sie sich prinzipiell  auch nicht von den kapitalistisch-imperialistischen Grundstrukturen der USA und des entstehenden Imperialismus Chinas. Der Unterschied liegt hier eher in der unterschiedlichen ökonomisch-politischen Stärke und dem ungleich größeren imperialistischen Potential der USA und Chinas. Über die bisherige imperialistische Stärke der USA und das Ausmaß ihrer Welt-Ausbeutung braucht man wohl kaum noch viele Worte zu machen. Für das aufsteigende China ist ein Programm wie OBOR („One Belt One Road“, oder auch „Neue Seidenstraße“ genannt)  in seinen Ausmaßen und seinem Anspruch charakteristisch. Es zielt auf die Erschließung und Kolonisierung der größten Teile Asiens und auch Afrikas für das chinesische Kapital. Mit einem solchermaßen beherrschten „Eurasien“ (Russland und Europa sollen abhängige Bausteine bilden) gedenkt die chinesische Bourgeoisie die USA endgültig ins zweite Glied zu zwingen.

Solche imperialistischen Dimensionen sind für den europäischen Kapitalismus unerreichbar.

Die wesentliche institutionelle Klammer der EU ist bislang der Euro, auch wenn der Eurozone nicht alle Staaten der EU angehören. Der Euro ist ein finanzkapitalistisches Konstrukt, das finanzkapitalistische Interessen bündelt, bspw. das Funktionieren der Staatshaushalte in Abhängigkeit von den finanzkapitalistischen Geldgebern und Profiteuren. Wenn man anschauliche Beispiele für diese These braucht: die Stützung der finanzkapitalistischen Interessen durch den Rückgriff auf die ökonomischen Ressourcen der großen Masse der Bevölkerung, bspw. durch sog. Banken-Rettungen, durch die „Finanzkrise“ überhaupt mit ihrer Entwertung der Ressourcen mittlerer Verdiener und Eigentümer zwecks Steigerung der Masse und der Profite in den finanzkapitalistischen Führungsschichten, bspw. durch auch die Aneignung – und Schleifung  – der Altersvorsorge der großen Masse durch Finanzkonzerne bieten reichlich Anschauungsmaterial für diese Einschätzung.

Unter dem kapitalistischen Regime in Europa gedeihen unvermeidlich wie überall auf der Welt solche gesellschaftlichen Phänomene wie Abwertung der Arbeitskraft (Billiglöhne, prekäre Arbeitsverhältnisse, Massenarbeitslosigkeit insbesondere unter Jugendlichen), Korruption und organisierte Kriminalität, kultureller Verfall (bspw. so wie ihn viele Privat-Fernsehfirmen, aber auch andere Teile des kulturellen Apparats propagieren) und Abdrängung eines Teils der Bevölkerung in den gesellschaftlichen Bodensatz der Abgehängten, Perspektivlosen und tendenziell Kriminellen. Es existiert und vergrößert sich ein Mob, ein überreichliches Rekrutierungsfeld für Kriminalität, miserable politische und soziale Bewegungen, Terrorismus etc.  Dieser Mob ist ein wichtiges Herrschaftsvehikel  der Mächtigen. Es gibt keine essentiellen Versuche der herrschenden Kreise, der Ausbreitung derartiger Phänomene entgegenzuwirken – im Gegenteil.

Es ist allerdings Blödsinn, wenn man sich, wie die sog. Populisten, einzelne solcher gesellschaftlicher Phänomene herauspickt und „die EU“ oder „Merkel“ verantwortlich macht. Gäbe es die EU nicht, dann müsste man diese Phänomene ebenso auf der Ebene der einzelnen Gesellschaften konstatieren, weil es eben typische Phänomene des Kapitalismus sind. Den aber wollen die Populisten nicht zum Thema machen. Mit ihrer drastischen Verurteilung von Einzelheiten lenken sie vielmehr  vom entscheidenden kapitalistischen Hintergrund ab und stützen die Ordnung, die genau das reichlichst hervorbringt, wogegen sie Sturm laufen.

Die Kritik an den kapitalistischen Verhältnissen weltweit und natürlich auch in der EU kann nicht verstummen. Sie muss jedoch, anders als seitens der Populisten, auf grundsätzliche Weise entwickelt werden. Es gilt die kapitalistischen Grundstrukturen zum Thema und zum Ziel gesellschaftlicher Veränderungen zu machen. Dem Stumpfsinn der herrschenden Parteien in ihrer Verteidigung des Kapitalismus und ihrer Abhängigkeit von ihm allerdings, einem Stumpfsinn, der die Populisten ständig begünstigt, kann nicht mehr die Vorherrschaft über die öffentliche Meinung überlassen werden.

Wenn die europäischen Länder eine Zukunft haben wollen, müssen sie gesellschaftliche Kräfte entwickeln, die die Herausforderungen eines überlebten Kapitalismus annehmen und neue Lösungen entwickeln. Dass dies nur europäisch-gemeinsam möglich sein wird, wurde bereits gesagt. Die europäischen Länder sind die Ursprungsländer einer Kultur und Zivilisation, die heute trotz aller Schattenseiten weltweit übernommen, weiterentwickelt, mit Eigenem – bspw. Asiatischem – integriert und noch immer als führend empfunden wird. Die europäischen Länder enthalten weiterhin eine enorme kulturelle Vielfalt, ein Bewusstsein von Gemeinsamkeit, gemeinsamer Geschichte und gemeinsamer Verantwortung. Sie bilden auch mit 450 Millionen Menschen und großenteils entwickelten Volkswirtschaften ein beträchtliches ökonomisches globales Kraftzentrum, das eigentlich zur besseren Entwicklung in anderen Teilen der Welt Beiträge liefern könnte und sollte.

Nachsatz: außer den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich haben auch die letzten Regionalwahlen in Deutschland interessante Ergebnisse geliefert. Die SPD befindet sich auf dem Weg nach unten, die Grünen ebenfalls. Dass solche Parteien nur noch wenig Sonne sehen, die wie keine anderen – unter täuschenden „sozialen“ und „umweltschonenden“ Parolen – seit jeher besonders eng mit dem Finanzkapitalismus und bürgerfeindlichen Tendenzen der Bürokratie verbunden sind, ist auch kein schlechtes Zeichen.

 

 

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

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Strukturveränderungen im Finanzkapitalismus

Interessanter Artikel über Strukturveränderungen  im Finanzkapitalismus. In den USA besitzen die 3 größten „Vermögensverwalter“, die Indexfonds Blackrock, Vanguard und State inzwischen an die 50% der Aktien der  in den USA registrierten Firmen, seien es Fluggesellschaften oder Banken usf.  Warum und wie eine solche Entwicklung die Herrschaftsverhältnisse innerhalb des Kapitalismus und die ökonomischen Umgangsformen verändert, versucht der Artikel  anzudeuten.

Ursprünglich erschien der Artikel in dem britischen Blatt The Conversation.

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Das Debakel der sog. schulischen Inklusion in NRW

In einem Artikel der „Welt online“ zur Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 17.Mai  wird das Thema der sog. schulischen Inklusion aufgegriffen. Der Autor meint, dass die Unzufriedenheit in der Bevölkerung über die Schulpolitik der Regierung Kraft-Löhrmann und insbesondere deren besonderes Steckenpferd, die Inklusion, mit wahlentscheidend sein könnte.

Die Zustände in vielen Schulen des Landes NRW sind ohnehin schon seit langem sehr kritikbedürftig, und die Inklusion hat massiv zu weiteren pädagogischen Negativ-Entwicklungen beigetragen – so der Tenor des Artikels.

Leider kommt ein Blättchen wie die „Welt“ erst jetzt, mehrere Jahre nach dem Inkrafttreten des Inklusions-Gesetzes, auf die Idee, die Politik der sog. Inklusion zum Thema zu machen.  Es steht eine Wahl an, und man sammelt anscheinend Negativa, um der Kraft-Löhrmann-Jäger-Regierung möglichst noch ein paar Wähler abspenstig zu machen. Als aber das Gesetz seiknerzeit angekündigt und beschlossen wurde, als dringend die Aufmerksamkeit der großen Öffentlichkeit auf dieses Vorhaben hätte gelenkt werden müssen, das in jedem Fall eine wüste Attacke auf die Qualität des Bildungssystems darstellt, waren die kritischen Stimmen in sog. Qualitätsmedien kaum zu hören. Es gibt auch reichlich CDU-Politiker, die eine derartige Politik unterstützen und sich in ihrer Bejahung der „Inklusion“ wenig von SPD und Grünen unterscheiden.

Jetzt also werden desaströse Auswirkungen dieser Schulpolitik benannt, aber die waren bei der Initiierung des Gesetzes bereits glasklar abseh- und vorhersagbar. Ich hatte seinerzeit einen entsprechenden Artikel geschrieben – den kann man ja bei Interesse einmal mit dem vergleichen, was jetzt über die Resultate geschrieben wird.

Noch einmal muss auch betont werden, wie luschig die Lehrerschaft auf die Gefahr reagiert hat. Viele waren zwar dagegen, weil sie zumindest Teile dieses Umbaus des Schulsystems negativ eingeschätzt haben, zu Recht, aber nennenswerte öffentliche Gegenstimmen aus Pädagogenkreisen hat es anscheinend nicht gegeben. Sonst wäre das Gesetz nicht so locker durch den Landtag gegangen.

 

 

 

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Zeit der Ungemütlichkeit II – neue Unverschämtheiten und Drohungen der USA

 

Kaum ist Merkel zurück vom Treffen mit Trump, landen die USA auf zwei empfindlichen Gebieten erneut  Tiefschläge gegen Deutschland und indirekt auch die EU: beim Militär und dem sog. „Freihandel“.

Deutschland soll die „Schulden“ an die USA bezahlen, die es aufgehäuft habe, indem es sich von den USA habe militärisch verteidigen lassen.

Und auf der G20-Konferenz der Finanzminister etc. haben die USA sich offenbar keine Verpflichtung abringen lassen, auf die angekündigte protektionistische Politik, bspw. in Form von Importzöllen auf Waren aus Deutschland, zu verzichten.

Es gibt hier mindestens zwei Seiten, die näher zu beleuchten wären: die Absichten der USA, die mit der neuen Regierung nach und nach deutlicher werden, und die Situation der europäischen Länder, genauer gesagt der EU, und Deutschlands im Besonderen.

Zunächst nur kurz und allgemein zu den USA: zweifellos haben die USA seit dem 2. Weltkrieg im NATO-Bündnis den betr. europäischen Staaten viele militärische Aufwendungen erspart, indem sie deren Schutz vor etwaigen Angriffen der früheren Sowjetunion und deren Nachfolgestaat Russland versprochen haben. Es ging dabei allerdings, vor allem in den Jahrzehnten bis etwa 1970, durchaus nicht immer und grundsätzlich nur um Schutz vor Aggressionen aus dem Osten, sondern gleichzeitig auch um den Aufbau eines eigenen aggressiven Potentials „gegen den Kommunismus“. Auch später war in der militärischen Politik der USA und ihrer europäischen Bundesgenossen immer ein merkwürdiges Gemisch zu beobachten zwischen Vorkehrungen, welche Aggressionen der Sowjetunion (die jedenfalls nach 1970 durchaus im Bereich des Möglichen lagen) vorbeugen sollten, und Rüstungen, welche eigene aggressive Potentiale der USA gegenüber der Sowjetunion und Russland in Europa und mittels der Bündnisverpflichtungen europäischer Staaten aufbauen sollten.

In den letzten Jahren ist klargeworden, dass die USA weniger denn je auf die Einkreisung Russlands verzichten, die von europäischem Territorium über den Vorderen Orient bis nach Afghanistan reicht. Mit  Deutschland und Frankreich sowie anderen europäischen Ländern hat diese Einkreisungspolitik spätestens in der Ukraine-Frage zu Zusammenstößen geführt, da diese Länder eine derartige von den USA gesteuerte Politik der militärischen Konfrontation mit Russland nicht mehr verkraften können und auf Kompromisse mit Russland aus sein müssen. Dies alles auch im Zeichen des Aufstiegs Chinas, das mittlerweile die internationale Vorherrschaft der USA programmatisch herausfordert und im Bündnis mit Russland ein militärisches Potential entfalten könnte, das den USA fundamental gefährlich würde.  Die ökonomischen Beziehungen mit China und die Erhaltung eines einigermaßen von Großmachtkriegen verschonten eurasischen Raumes sind für Europa essentiell.

Das NATO-Bündnis ist seitens der USA bereits in Gestalt des Brexit faktisch aufgekündigt, und es bleibt den Europäern nichts übrig, als eine möglichst geschickte internationale Diplomatie mit dem Aufbau eigener militärischer Stärke zu kombinieren, die nicht von heute auf morgen zu haben ist. Man darf es sich in der heutigen Situation weder mit Russland zu sehr verderben, noch kann man ganz auf militärische Kooperation mit den USA zur Abwehr gewisser Aggressivitäten verzichten.

Die Forderung der USA an Deutschland nach Zahlung von angeblichen NATO-Schulden ist abwegig und unverschämt, weil das militärische Bündnis der USA mit europäischen Staaten immer alles andere als uneigennützige Verteidigung „gemeinsamer Werte“ gewesen ist und weiterhin ist. Der Aufbau von USA-Militärmacht in Europa und mittels europäischer Bundesgenossen diente zu allen Zeiten den Weltherrschafts- und Welt-Ausbeutungs-Interessen der USA. Im Zeichen der weltweiten Hegemonie des USA-Kapitalismus sind diesem auch aus Europa unermessliche Profite zugeflossen und fließen ihm noch immer zu.

Um sich nur einen kleinen Bruchteil dieser Beziehungen zu vergegenwärtigen, denke man nur einmal an die lange Zeit völlig unangefochtene Dominanz der USA in der europäischen Energiewirtschaft („Ölmultis“) und in der internationalen Finanzwelt. Die Dollar-Hegemonie allein schon bedeutet für das US-Kapital seit vielen Jahrzehnten eine Quelle von Extraprofiten, d.h. für die meisten anderen mit den USA ökonomisch verknüpften Länder einen ständigen Abzug von deren Volkseinkommen. Hinzu kommt der noch immer ungebremste Zufluss internationalen Kapitals, gerade auch europäischen, in die immensen Schuldensümpfe der US-Regierung, direkter gesprochen: in den Miltärapparat, mit dem wiederum alle Staaten, einschließlich der „in  gemeinsamen Werten verbundenen“ entwickelten kapitalistischen Staaten in Europa, in Botmäßigkeit gehalten werden sollen. Die Schutzleistungen der USA für Europa wurden längst von Europa – und vielen anderen in der Welt – doppelt und dreifach bezahlt, und wenn das nicht so wäre, hätten die USA sie längst eingestellt. Im Gegenteil haben sie jedoch immer alles dafür getan, dass die Schutzbedürftigkeit der Bundesgenossen erhalten blieb, und das wird in der Zukunft eher noch schärfer werden. Wer schützt die Europäer bspw. davor, dass die USA unterderhand russische Aggressivitäten ermuntern, um den Europäern erneut als einzigen Ausweg die Flucht unter den US-Schutzschirm erscheinen – und sie dafür noch mehr bezahlen zu lassen, in Geld und in politischen Konzessionen.

Seit der sog. Finanzkrise hat sich der US-Finanzsektor auf Kosten gerade auch des europäischen erneut gestärkt. Die US-Banken wie GoldmanSachs stehen heute, wie jedenfalls in den Medien behauptet wird, international stärker da und die europäischen schwächer, obwohl das US-Finanzkapital der Hauptursprung der Krisenmomente war (man fragt sich, ob die Entfesselung der Krise nicht ein solches Kalkül im Hintergrund hatte). Die US-Regierung hat ihnen in allem sehr tatkräftig geholfen, und nun verspricht Trump ihnen noch weitere Entfesselungen – zweifellos um sie im Kampf gegen europäische Finanzstrukturen zur Mäßigung anzuhalten, oder was? Gleichzeitig übrigens mit erheblichen weiteren Steigerungen des Militäretats. Wenn die Europäer nunmehr auf den Schutz durch das US-Militär verzichten müssen, fragt es sich umso mehr, auf wen die gesteigerte Militarisierung zielt.

Nun noch ein paar Bemerkungen zum „Freihandel“. Mit diesem Wort ist eigentlich die in den letzten Jahrzehnten besonders intensivierte internationale Beweglichkeit des Kapitals, vor allem der großen Konzerne und des Finanzkapitalismus gemeint, die zu ungeahnten Profitmassen geführt hat. Man konnte sich relativ „frei“ auf die Ausbeutung vieler hunderter Millionen rechtloser Arbeitskräfte, z.B. in China, auf die in erheblichem Umfang auch ruinöse Ausbeutung von Naturschätzen werfen – und gleichzeitig die Stammländer, die USA selbst und auch in gewissem Maße europäische Länder, von produktiver Arbeit entleeren, viele Menschen entwurzeln, Infrastrukturen und Bildung verschlechtern, ja regelrecht verkommen lassen. Wenn Trump tönt, Deutschland, China, Mexiko etc. bluteten die USA aus,  dann „vergisst“ er, dass die USA selbst, US-Konzerne, das US-Kapital insgesamt der Haupttreiber und Hauptprofiteur dieser „Freizügigkeit“ gewesen sind und noch immer sind. Daran soll sich auch garnichts ändern, aber andere Staaten, die bisher mitprofitiert haben, sollen nun wohl künftig noch mehr von ihren Profiten an die USA abgeben müssen und an Freizügigkeit einbüßen. Ob die inneren Verhältnisse der USA sich im Zeichen vermehrter internationaler Ausbeutung verbessern werden, die Trumps Politik dem US-Kapital anscheinend verspricht, kann man mit drei Fragezeichen versehen. Der Appell und das Versprechen an die US-Arbeiter“klasse“, ähnlich wie schon in der Brexit-Propaganda das an die britische, sind lächerlicher kaum denkbar.

Und ob die neue chinesische Macht sich solche Trumpschen Herabstufungen  bieten lässt, ist mehr als fraglich. Selbst die Europäer sind zum Widerstand gezwungen. Dabei birgt die noch stärkere Anbindung an China, wie sie jetzt hier als eine Idee in Umlauf gesetzt wird, für Europa ihrerseits große Gefahren.

An Trumps Anschuldigung, Deutschland dumpe seine Exportpreise, ist andererseits auch etwas Wahres. Wenn man auch den USA ihrerseits unfairen Wettbewerb, brutalen internationalen Monopolismus etc. (s.o.) vorwerfen kann, muss man bei den deutschen Exporterfolgen, neben der anscheinend international beliebten und immer noch bestehenden Qualität deutscher Exportwaren, auch konstatieren, dass diese Waren konkurrenzfähig auch nur deshalb angeboten werden können, weil Deutschland seine eigenen Arbeitskräfte skrupellos entwertet, inzwischen ganze Heere von Unterbezahlten, Prekären, Illegalen beschäftigt, soziale Sicherungssysteme wie die Rente in die Katastrophe steuert, die Bildungssysteme unverantwortlich verbilligt, usw. Und das deutsche Kapital profitiert auch erheblich von der Billigarbeit, die es sich in anderen Ländern, bspw.  Osteuropas, aneignet und deren Produkte es in die eigenen Fertigungen integriert.

Praktiken wie diese muss man selbstverständlich den USA nicht erklären, die darin seit vielen Jahrzehnten die unangefochtenen internationalen Meister sind und sie ihren „in gemeinsamen Werten verbundenen“ Bundesgenossen nicht nur erlauben, sondern sogar aufgrund ihrer bisherigen internationalen Hegemonie und des bisherigen „Freihandels“-systems überhaupt erst richtig ermöglichen. Sollten die USA nunmehr tatsächlich und einigermaßen konsequent daran gehen, dieses ökonomische Modell im eigenen Interesse und zum direkten Schaden Deutschlands, Chinas und anderer zu überarbeiten, hätte das vielleicht auch gute Seiten. Vielleicht müsste Deutschland, müsste Kontinentaleuropa auf Teile der internationalen Ausbeutung verzichten, die bisher unter  dem Schirm der USA so „billig“ zu haben war, und sie müssten Anstrengungen machen, die innere ökonomische Kraft wieder zu heben. Das wäre ein komplexes Unterfangen, das außer Löhnen und Infrastruktur bspw. auch Kultur und Bildung beträfe, an denen im Zeichen der bisherigen internationalen Freizügigkeit des Kapitalismus nicht nur Raubbau, sondern geradezu gezielter Abbau betrieben wird.

 

 

 

 

 

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