Ein Auszug aus einem geplanten Buch der Soziologin Yana Milev beleuchtet am Beispiel schwerer sozialer Verfallserscheinungen in der Stadt Chemnitz und generell in den Neuen Bundesländern bestimmte katastrophale Folgen der Politik der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der seit 1990 angegliederten früheren DDR. Insbesondere der räuberkapitalistische Kahlschlag durch die Treuhand, der die industrielle Basis fast völlig zerstört hat und bis heute für mangelndes Angebot an halbwegs anständigen Arbeitsplätzen in großen Teilen des Ostens verantwortlich ist, wird in Milevs Beitrag mit deutlichen Worten „gewürdigt“.
Die hier angesprochene tiefe Enttäuschung der früheren DDR-Bürger durch das bundesrepublikanische System ist in den letzten Jahren bereits hin und wieder öffentlich behandelt worden- bei weitem aber nicht ausreichend. Man sorgte sich vor allem um die zerbröckelnde Bereitschaft der Wähler, ihre Stimmen noch immer den Parteien (CDU, SPD usf.) zu geben, die für die Misere verantwortlich sind, und stattdessen irgendwelchen populistischen Bauernfängern Mandate zu verschaffen. Weder aber sind mittlerweile genügend Initiativen zur Verbesserung des ökonomischem und sozialpolitischen Feldes feststellbar noch ausreichende Vermittlung des gesamten Problemkomplexes an die allgemeine deutsche Öffentlichkeit durch die Medien.
Die „Berliner Zeitung“ ist ein – relativ neues – Zeitungsunternehmen, das, soweit ich das bisher verfolgt habe, gelegentlich aus dem mainstream von Selbstgerechtigkeit und Seichtheit der führenden Blätter ausschert und insofern, z.B. indem es solche Artikel bringt, beachtet, gelesen und unterstützt werden sollte.
Gegenwärtig werden die sozialen Verfallserscheinungen in den USA medial ausgiebig beleuchtet. Das ist berechtigt und in gewissem Sinn aufklärend, indem nun auch am Beispiel der Führungsmacht selbst deutlich wird, welcher gesellschaftlicher Zerstörungen ein Kapitalismus fähig ist, der sich seit dem Ende der Sowjetunion und dem Kapitalistisch-Werden Chinas, etwa seit 1990, für den unanfechtbaren Chef hielt. Das hat sich inzwischen allerdings geändert, bspw. wird die Chefposition mittlerweile von einer anderen, gleichfalls kapitalistischen Macht beansprucht, die allerdings in ganz andersartigen geschichtlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Bedingungen am Entstehen ist. Auch Europa ist nun gezwungen, sich von den USA in vieler Hinsicht abzusetzen und zwischen den beiden Hegemonie-Aspiranten einen eigenen Weg zu suchen.
In diesem Ablösungsprozess kommt es nun zwangsläufig zu einer Flut kritischer Beleuchtungen der inneren Verhältnisse der USA und ihrer internationalen Politik.
Wenn es dabei um massenweisen Drogenkonsum, soziale Abgehängtheit vieler Bürger, hohe Selbstmordraten und sinkende Lebenserwartung geht, muss man den Medien allerdings dringend empfehlen, auch einmal in die deutsche Gesellschaft von heute hineinzuleuchten, insbesondere auch in die spezifische Problematik des Ostens. Dabei dürften erschreckende Parallelen sichtbar werden.