Die Proteste in Europa und anderswo – das “Klima”

Das Wort Klima wird nicht erst seit heute in der Politik von Deutschland, anderen europäischen Ländern und auch bspw. in Australien vielfältig benutzt, aber mit „Fridays for Future“ bekommt es nun andere gesellschaftliche Bezüge und einen anderen emotionalen Gehalt.

Diese Bewegung drückt auf ihre Weise das Gefühl aus, dass der Kapitalismus die Lebensgrundlagen vernichtet. So war das von Frau Merkel, vom Club of Rome, von der grünen Richtung, von den führenden Medien etc. nicht gemeint.

Es gibt zwar eine starke Gemeinsamkeit zwischen der langjährigen amtlichen Klimapropaganda und den jungen „Klimaaktivisten“: die These, dass der Klimawandel menschengemacht sei und durch durchgreifende technische Umgestaltungen bspw. in der Stromproduktion, im Verkehrswesen und überhaupt in der Energiegewinnung und –nutzung aufgehalten werden sollte.

Aber die gesellschaftspolitischen Zielvorstellungen sind verschieden.

Ich spreche mich nicht gegen technische Weiterentwicklungen und Gesetze aus, die die natürlichen Ressourcen vernünftiger nutzen, die die Verkehrsteilnehmer, Stromverbraucher, Häuslebauer usf. veranlassen, auf Nachhaltigkeit zu achten.

Doch bleibt Kapitalismus Kapitalismus, selbst wenn er kein Gramm CO2 mehr ausstoßen sollte, und er bleibt eine Wirtschaftsform, in der der private Egoismus letztlich über alle Rücksichten auf Natur und Menschheit die Dominanz behält. In der Tat ruiniert er von seiner Grundkonstitution her die Grundlagen allen Lebens, wenn er nicht von starken gesellschaftlichen Bewegungen an die Kandare genommen bzw. auf längere Sicht durch andere, gemeinschaftlichere Wirtschaftsformen überwunden wird.

Seit längerem kann man beobachten, dass in Steuerungszentren des internationalen Kapitals, in den Finanzzentren wie London oder in den US-Zentren des Datenkapitalismus die Investitionen umgelenkt werden in Richtung carbon-free. Schon vor fast 15 Jahren haben die deutschen Regierungen unter Merkel die Grundrichtung der Energiepolitik definiert: alles auf „Erneuerbare“! Und das lange vor „Fridays“.

Man sollte sich angesichts dieser massiven und folgenschweren Umgestaltungen, die aus Kernzentren des Kapitalismus kommen – ohne dass bisher großer Druck aus den Bevölkerungen heraus bestand – nach den Triebkräften fragen.

Hier wird es kompliziert. Ich kann hier nur ein paar Stichworte nennen.

Meiner Ansicht nach krankt der Kapitalismus in den entwickelten Ländern an “säkularer Stagnation”, unter anderen Krankheiten. Damit ist u.a. die Unfähigkeit gemeint, aus der ständigen technischen Weiterentwicklung und der wachsenden Zentralisierung des Kapitals starke neue Impulse zu entwickeln, neue Produktionen  in großem Stil aufzuziehen, die den Menschen in ihren großen globalen Massen mehr tatsächlichen Nutzen und ein  besseres Leben ermöglichen. Das Smartphone im Slum, wo es nicht einmal sauberes Trinkwasser gibt, ist eine grausame Karikatur des versprochenen „Fortschritts durch Technik“.

Die dummdreiste, elementar dummkapitalistische Tendenz, die Zahl der Autos weiter zu steigern und Massen von protzigen SUVs auszustoßen, den kulturellen Schwachsinn bspw. im Massentourismus usw. usf. zu fördern, während erhebliche Teile derselben entwickelten Gesellschaften in eklatante materielle Mängel, prekäre Arbeitsverhältnisse, kulturelle Deprivation und Verblödung, ja in den Mob abgedrängt werden, eröffnet in der Tat auch keine Lösungsmöglichkeiten für die säkulare Stagnation. Um so weniger, als solches betrieben wird vor einem strukturierenden globalen Hintergrund der zunehmenden Spaltung, die die Welt in privilegierte konsumaktive kapitalistische Spitzenländer gegenüber einer riesigen Masse von Arbeitssklaven und Rohstoffgruben verwandelt, die bei aller Schufterei niemals sich hocharbeiten können – und das nach dem Willen der kapitalistischen Zentren auch gar nicht sollen (China bildet hier eine bemerkenswerte Ausnahme, wobei der Kapitalismus dort auch nach innen hin diesen Gegensatz ausbildet).

Die Lösungen können aber auch nicht gefunden werden, indem man Strom nur noch aus „Erneuerbaren“ gewinnt, SUVs verbietet oder was auch immer.

Man muss vielmehr die ökonomischen und politischen Grundstrukturen in den Fokus nehmen, die den Ausbeutungssystemen auch bei solchen “radikalen” Maßnahmen zuverlässig immer neue Schlupflöcher und Auswege garantieren.

Die Verengung des Problembewusstseins auf die CO2-Frage ist im Sinne dieses Kapitalismus. Er gewinnt riesige neue Profitquellen durch die staatlich erzwungenen Abwrackungen von Kraftwerken etc. und viele andere erzwungene Neuproduktionen, bspw. von Elektroautos.

Anstatt die Lebensgrundlagen der Menschheit zu schützen, werden hier die Profitgrundlagen des Kapitalismus erneuert. Sie werden technisch transformiert, aber eben damit erneuert.  Nach dem ökologischen Fußabdruck Zehntausender von Windrädern, der Rohstoffgewinnung für Batterien etc., nach den Arbeitsverhältnissen im Kongo dabei zu fragen ist unfein, das stört. Man darf sie schon mal  erwähnen, aber nicht in der Tiefe analysieren.

Es geht darum, letztlich die kapitalistischen Strukturen mittels „ökologischer“ Neuorientierungen zu retten. Das gesellschaftliche Bewusstsein in den entwickelten Ländern hingegen soll reduziert bleiben oder vielmehr noch weiter verschmälert werden.

Aber die Jugendlichen, die jetzt in die Öffentlichkeit gehen, spüren die Verlogenheit.

[Korrektur-Anmerkung 11.10.19: ich habe im ersten Absatz  die Erwähnung von “Extinction Rebellion” gelöscht, die ich zuerst unvorsichtigerweise  neben “Fridays for Future” gesetzt hatte, in der Meinung, das sei etwas Ähnliches. Ein interessantes Interview von Jutta Ditfurth hat mich belehrt, dass es sich um eine irrationalistische Sekte mit merkwürdigen Verbindungen handelt. Ich bitte die fehlende Recherche meinerseits zu entschuldigen.]

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