Das angekündigte Treffen zwischen Trump und Putin führt zu ernsten Befürchtungen in Europa

In zwei Wochen werden sich Trump und Putin in Helsinki treffen, und europäische Regierungen haben offenbar Anlass, von diesem Treffen enorme Probleme für die europäische Sicherheit zu erwarten – auf die sie nicht vorbereitet sind.

Die „FAZ“ hat hierzu bisher keine eigene Analyse und beschränkt sich fürs erste auf die Wiedergabe von Behauptungen der britischen „Times“, die wiederum „anonyme Regierungsquellen“ anführt, d.h. Leute aus der Regierung May.

Wenn auch eine derartige Zitiererei ohne klare Verantwortlichkeiten mit großer Vorsicht zu benutzen ist, zeichnen sich doch in dem Artikel der „FAZ“ bzw. der „Times“ mögliche Verhandlungsgegenstände zwischen Trump und Putin ab, die in der Tat auch unabhängig von dem, was „Times“ und „FAZ“ schreiben, schon länger in der Luft liegen – seitdem die USA unter Trump neue geostrategische Prinzipien und unerwartete Manöver erkennen lassen.

Ich habe schon mehrfach die Ansicht vertreten, dass die USA unter der Trump-Regierung in der zunehmenden Rivalität  mit China um die Hegemonie im Weltkapitalismus versuchen werden, Russland von einer möglichen strategischen Allianz mit China abzubringen und daher vieles unternehmen werden, um Russland Vorteile zu versprechen und zu verschaffen, falls es den Wünschen der USA mehr Entgegenkommen zeigen würde.

Russland mit seinem riesigen Territorium, das großenteils nur schwach besiedelt und ökonomisch kaum erschlossen ist, mit seinen nur etwa 150 Millionen Einwohnern ist im Vergleich mit den USA, mit China und auch mit der EU ein politischer Zwerg, der nur durch seinen enormen militärischen Apparat  vor allem auf dem Gebiet der nuklearen Raketen und der Atomsprengköpfe weltpolitisch etwas auftrumpfen kann. Sollte dieses Russland sich militärstrategisch mit China fester zusammenschließen, dann hätten die USA in einem möglichen großen militärischen Konflikt mit China es mit einem doppelten Gegner zu tun, der dann nicht nur von der industriellen Kraft, von der Bevölkerungsmasse und der Landmasse her, sondern auch von einer immer noch annähernd ebenbürtigen atomaren Potenz her kaum zu bezwingen wäre.

Die Obama-Administration hatte wohl versucht, einem solchen Szenario auszuweichen. Ich vermute, dass sie die alte internationale Konstellation hatte irgendwie verlängern wollen, die sie aus dem Zusammenbruch der alten Sowjetunion und der zunächst extremen internationalen ökonomischen Abhängigkeit des heraufkommenden chinesischen Kapitalismus ererbt hatte. In dieser Konstellation hatten die USA, solange China noch zu keiner offenen Herausforderung der Welthegemonie der USA fähig war, noch die Stellung der Spinne im Netz, die alles und jeden gegeneinander ausspielen konnte.

Diese Zeiten sind vorbei, seitdem die ökonomische Potenz Chinas sich in ein offen bekundetes Streben umgemünzt hat, die USA von ihrer bisherigen Position zu verdrängen und mit einer zunehmend ebenbürtigen militärischen Hochrüstung sowie dem Hereinziehen  zahlreicher Länder weltweit in die Abhängigkeit von China oder zumindest in diplomatische Allianzen den USA den Boden ihrer bisherigen Hegemonie zu entziehen.

Trump unterscheidet sich von  Obama  mE vor allem eben in dem Punkt, die Potenz dieser Herausforderung erkannt zu haben und nicht nur eine weitere Perfektionierung des militärischen Apparats anzustreben (die selbstverständlich auch unter Friedensfürst Obama stets in Gang war), sondern gerade auch mittels neuartiger weltweiter Allianzen China zu kontern. Der Versuch, Korea mit dem Versprechen der Wiedervereinigung aus den chinesischen Abhängigkeiten herauszumanövrieren, den USA dort eine viel stärkere Stellung gegenüber China zu verschaffen, als sie die in Südkorea allein haben konnten, ist ein Beispiel. Nun scheint die Annäherung Russlands an die USA bzw. an Trumps Vorstellungen als ein zentraler Punkt der USA-Diplomatie sich herauszukristallisieren, und das Treffen in Helsinki am 16. Juli soll wohl  in Trumps Planung dieser Annäherung einen Durchbruch verschaffen. Ob und wie weit Russland dem entgegenkommen wird, muss sich zeigen.

Jedenfalls haben die europäischen Regierungen, die zumeist in der EU zusammengeschlossen sind, allen Grund zu befürchten, dass bei dem Treffen seitens der USA Putin freiere Hand auch gegenüber europäischen Interessen versprochen werden könnte. Befriedung des Ukraine-Konflikts in dem Sinne, dass die USA abrücken könnten von ihrer bisherigen Politik, eine aggressive Front in der Ukraine gegenüber Russland aufzubauen; Abrücken von dem Insistieren in der Krim-Frage; vielleicht sogar eine freiere Hand Russlands gegenüber den baltischen Staaten durch einen Rückzug der USA aus den NATO-Kräften an der europäischen Ostgrenze – dergleichen wird möglicherweise, lt. der „Times“, Gegenstand der Gespräche Trump-Putin. Das Frechste wäre es (wenn man das ernst nimmt, was die „Times“ unkt), wenn die USA Polen anbieten würden, angesichts einer völligen oder relativen Freigabe der baltischen Staaten für russische Interessen, eine eigene, von der NATO unabhängige Militärpräsenz in Polen aufzubauen, um Polen „Sicherheit“ vor weitergehenden russischen Aggressionen zu versprechen. Dergleichen wäre das formelle Ende der NATO und das faktische Ende der EU, jedenfalls soweit sie Polen und die baltischen Staaten umfasst, denn die EU kann aus eigener Kraft, ohne in einer NATO sich auf die US-Militärpotenz stützen zu können, kaum etwas militärisch gegen ein Russland aufbieten, das mit stillschweigender Duldung der USA in Osteuropa vorgehen könnte. Die EU wäre als politisch hohl und kraftlos erledigt.

Sollten in etwa derartige Verschiebungen tatsächlich in dem Katalog der Konzessionen figurieren, die die USA jetzt Russland andeuten könnten, um es von einer militärstrategischen Allianz mit China wegzuziehen, dann müssten alle EU-Beteiligten sich Einiges einfallen lassen. Bis eigene europäische militärische Potenz aufgebaut wäre, die die EU politisch ins Gewicht werfen könnte, werden noch mindestens ein paar Jahre benötigt, wenn nicht länger, wenn dies überhaupt politisch durchgesetzt werden kann.

So weit sieht es für die EU nicht gut aus. An Manövern, die EU zu schwächen und eventuell zu sprengen, wird es seitens der USA nicht fehlen. Die USA könnten bspw. Russland geradezu einladen oder hintenherum anstacheln, gegen die Integrität der EU mit irgendwelchen Aggressionsakten vorzugehen, um deren Machtlosigkeit zu demonstrieren und  ihren Zerfall zu provozieren. Auch könnte es in Russland selbst aufgrund innerer Kämpfe um die Fortdauer des putinistischen oligarchischen Systems zu Momenten kommen, wo man einen kriegerischen chauvinistischen Ausgriff nach Westen zwecks innerer Stabilisierung ins Auge fassen würde –  wie das eben für kapitalistische Mächte immer wieder einmal als vorteilhaft erscheint.

Andererseits ist es für Russland hochgradig unattraktiv, es sich mit der EU grundlegend zu verderben oder gar die EU zu zerstören. Zwar ist es für das Regime in Russland nicht unbedingt vorteilhaft, neben sich eine stärker und einheitlicher werdende EU aufkommen zu sehen, die zumindest ökonomisch auch in Russland immer größeren Einfluss hätte und auf die eigene Bevölkerung Einflüsse ausübt, die der Stabilität des Regimes nicht unbedingt zuträglich sind. Daher gibt es genug Bekundungen von russischer Seite, eine geschwächte oder gar gespaltene EU vorzuziehen. Aber es gibt auch massive entgegenstehende Interessen, nicht nur am weiteren möglichst umfangreichen Verkauf von Bodenschätzen an prosperierende EU-Länder oder am Partizipieren an europäischem Kapital und know-how. Russland gehört darüber hinaus  in mancher tiefgehenden Beziehung zu Europa, obwohl es geografisch und kulturell auch eine asiatische Dimension hat; aber die europäische kulturelle und ökonomische Zusammengehörigkeit ist ungleich wichtiger.

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat zweimal eine verheerende militärische Konfrontation Deutschlands mit Russland gezeitigt, die eine bereits 1914-1918, die andere, noch viel grundsätzlicher und verheerender für beide Seiten, 1941-1945. Beide Konfrontationen dienten keineswegs nur den Machtkalkülen der jeweiligen Staatsführungen auf deutscher und russischer Seite, sondern sie dienten den Interessen der damaligen wirklichen Weltmächte, zuerst Großbritanniens und später der USA, an der fundamentalen Spaltung des eurasischen Kontinents. Wäre es im 20. Jahrhundert statt zu den zwei großen Konfrontationen zwischen Deutschland und Russland zu einem Zusammengehen gekommen, dann wäre die Weltmachtstellung der Briten anfangs des 20. Jahrhunderts wesentlich eingeschränkt, wenn nicht sogar schon zerstört worden, und später wäre die Hegemonie der USA gar nicht erst zustande gekommen. Letztere hatte die Verfestigung der Rächer-Rolle Russlands gegenüber Deutschland und damit die Konfrontation an der europäischen Kalte-Kriegs-Grenze zur wesentlichsten Grundlage, abgesehen von den Verhältnissen im ostasiatisch-pazifischen Raum.

Von dieser grundlegenden Konstellation des 20. Jahrhunderts her ist es sicher nicht verkehrt, bei den Briten und später vor allem bei den USA ein ständiges Schüren der Konfrontation innerhalb Europas, d.h. vor allem zwischen Deutschland und Russland zu argwöhnen. Es scheint im 21. Jh. ähnlich weiterzugehen.

 

Man sollte allerdings nun davon ausgehen, dass in Russland die Gefahren zumindest teilweise gesehen werden, die sich aus einer zu engen Anlehnung an China sowohl in militärisch-strategischer Hinsicht wie auch hinsichtlich einer Eingliederung in das chinesische „Eurasia“-Konzept ergeben. Ähnlich gefahrvoll könnte sich eine Kumpanei mit den USA bei Plänen zur Zerrüttung und Zerstörung der EU erweisen. Die potentielle Aggressivität der USA gegenüber Europa darf nicht unterschätzt werden, und ich halte einen Trump bzw. seine politische Gruppe nicht nur für geschichts- und kulturlos genug, um hier Hand anzulegen, sondern habe auch im Auge, dass für die USA bis auf weiteres noch immer gegenüber China auch die gegenteilige Option besteht, nämlich nicht, oder zumindest zunächst nicht,  einen Entscheidungskampf um die hegemoniale Stellung auszutragen, sondern sich mit dem Rivalen zu verbünden, um gemeinsam andere bluten zu lassen. Diese Anderen wären dann vorrangig Europäer.

Die Frage, warum in den USA, verkörpert in Trump und seinen Leuten, sich eine derartige Feindseligkeit und auch potentielle Aggressivität gegenüber der europäischen Entwicklung, insbesondere dem Zusammenstreben in der EU zeigt, woher diese Verachtung, dieser Hass rühren, ist sicher sehr komplex. Ich kann mich hier nicht dazu äußern, weil das noch analysiert werden muss. Die Tatsache als solche lässt sich allerdings kaum übersehen.

Wenn Russland sich zu sehr China angliedert, verliert es auf die Dauer die staatliche Selbständigkeit, wenn es sich zu sehr den USA ausliefert, verliert es die Kraftquellen, die es aus einer engeren Verbindung mit Europa gewinnen könnte, und riskiert gleichfalls die eigene relativ eigenständige staatliche Existenz.

Wenn die Europäer es jetzt nicht verstehen, eine zu starke Hereinziehung Russlands in die Intrigen der USA zu kontern mit eigenen politischen Angeboten an Russland und stabilere, von den USA und ihrer Militärmacht unabhängigere Beziehungen mit Russland aufzubauen, müssen sie der grundsätzlichen Abwertung des gesamten Projekts Europa bzw. EU entgegensehen. Ich halte dieses Projekt jedoch historisch für berechtigt und notwendig, auch wenn die inneren kapitalistischen Strukturen nicht viel anders oder besser sind als die der USA, Chinas oder auch Russlands, und auch wenn die Beteiligung des europäischen Kapitalismus an der internationalen Ausbeutung kaum hinter der der USA zurücksteht.  Berechtigt ist es u.a. deswegen, weil der europäische Zusammenschluss wesentlich defensiv ist gegenüber den Stürmen und Verwüstungen, die aus einer Rivalität wie zwischen den USA und China zu entstehen drohen; und auch weil die europäische Kultur, die bisher keineswegs nur Kolonialismus, sondern wesentlichste Beiträge zum Fortschritt der gesamten Menschheit hervorgebracht hat, erhalten und weiterentwickelt werden muss.

 

Ich habe bis jetzt nur sehr undifferenziert bestimmte Ja-Nein-Alternativen geschildert und bin mir bewusst, dass in der Politik in Wirklichkeit meist alle möglichen Dinge gemixt und verknüpft werden, dass es meist von Kompromiss zu Kompromiss irgendwie weitergeht. Außerdem gibt es nicht nur die USA, China, Russland und die EU als Kraftzentren der heutigen internationalen Politik, sondern es müssen auch solche wie Indien, Japan und zahllose mittlere Mächte berücksichtigt werden, die das Ganze noch viel komplexer machen.

 

Wie welche Interessen der USA und Russlands bei dem anstehenden Treffen Trump-Putin verknüpft und wie weit sie in Realität umgesetzt werden können, ist nicht vorhersehbar; aber die oben geschilderten Alternativen werden mE bestimmt eine Rolle, wahrscheinlich eine sehr große Rolle spielen.

 

 

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