Ein Stück Architektur- und Kapitalismuskritik

 

Ein weiteres Stück schwungvoll geschriebener Architekturkritik mit interessanten Angaben zum Überhandnehmen der kapitalistischen Idiotie in Städtebau und Eigenheim.

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/trostlose-bauwelt-architekten-auf-die-barrikaden-11542119.html

Der Autor, Niklas Maak, läßt seine Kritik am Hamburger Hafencity-Projekt in dem Satz kulminieren:

„Dem ökonomischen Desaster wird mit der optischen Ruine ein Denkmal gesetzt“

Den zweiten Teil bildet eine Auseinandersetzung mit architektonischen und urbanistischen Fehlentwicklungen der Wohnsiedlungen außerhalb der Stadtzentren.

Trotz interessanter Einzelanalysen greift der Autor hier mE prinzipiell zu kurz. Daß das  Einfamilien-Eigenheim und seine Reihung in den Wohnquartieren im praktischen Ergebnis von vielen Mängeln ästhetischer und lebenspraktischer Art behaftet ist – kein Zweifel.  Er schildert genug davon und macht interessante Analysen von Hintergründen. (Maaks  Propaganda für das Solardach wirkt allerdings peinlich, weil er hier die ökonomischen Zusammenhänge offenbar nicht sehen will. Das ist aber nur eine Nebenseite.)

Als Hauptschwäche  sehe ich, daß auch bei diesem Autor, jedenfalls in diesem Beitrag, keine Andeutung von Konzepten zu finden ist, die über das mehr oder weniger kleine Eigenheim hinausgehen. Sollte man nicht auch nachdenken bspw. über Konzepte größerer und großzügigerer Anlagen nicht nur mit  mehreren oder mit zahlreichen Wohnungen, sondern auch vielfältigen Räumen, indoor wie outdoor,  die zu gemeinschaftlichen Nutzungen geeignet sind und einladen; die Anregungen zu gemeinsamen Lebensformen geben, z.B. bei der Betreuung von Kindern, Behinderten  und Alten, die eventuell auch mit Versorgungseinrichtungen wie Mensen usf aufwarten, die geeignet wären, einen Teil der unrationellen und kulinarisch beschränkten Kleinproduktion in der Eigenheim-Küche überflüssig zu machen…  ?

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Eine Leserzuschrift:

(3.12.2011)

Sehr geehrter Herr Grobe,

 

es sei noch zu ergänzen, dass auch Gremien und Verfahren die Entstehung von Städtebau und Architektur mitgestalten. Gremien sind oft von der ängstlicheren versorgungsabhängigen verbeamteten Garnitur besetzt (dies betrifft oft Bauausschüsse in Gemeinden und Landratsämtern) oder wie bei Wettbewerben korrupten Bedingungen unterworfen (man kennt sich in den Preisgerichten, auch wenn die Entwurfszeichnungen entpersonalisiert sind). Verfahrenstechnisch sind das Baugesetzbuch, die Baunutzungsverordnung und die Landesbauordnungen zu nennen. Mit diesen Methoden von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen werden auf bestimmten Grundstücken die Profite geregelt. Man kann dann z.B. in sog. reinen Wohngebieten nur Einfamilienhäuser bauen oder in Kerngebieten von Innenstädten Wohnungen verbieten. Hier haben sich die Kapitalisten bereits ein ansehnliches Instrumentarium zur Steuerung ihrer Interessen und Klassifizierung der Bevölkerungsteile und Schichten zusammengebastelt. Nicht zuletzt wurden nach dem Verbot durch die Siegermächte 1945 die Architekten und Ingenieurskammern Anfang der 1970iger Jahre wieder eingeführt. Ich hätte mir einen Architektursaal statt einer Kammer gewünscht, aber das war wohl zu großzügig gedacht.

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Ergänzung, 04.01.2012:

Niklas Maak bespricht in der heutigen online-Ausgabe der FAZ japanische Architekturmodelle unter dem Titel:

http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/japanische-architektur-als-vorbild-der-fluch-des-eigenheims-11590530.html

 

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