Eine unfachmännische Bemerkung zur Debatte um KI

[Fassung vom 29.5.18, ergänzt um einen abwägenden Abschnitt; danke an eine kritische Leserin!]

Wenn ich das, obwohl  IT-Ignorant, richtig verstehe, liegt seit langem (1950) ein Vorschlag des britischen Mathematikers Alan Turing vor, wie man testen könne, ob eine IT-Maschine (ein Computerprogramm) Intelligenzleistungen vollbringen kann, die menschlichen Intelligenzleistungen gleichwertig wären.

Turing dachte sich das damals vorerst nur theoretisch aus – Computer waren erst in den Anfängen ihrer Entwicklung. Er konzipierte, dass man einen Menschen und eine Maschine in eine Unterhaltung mit einem menschlichen Fragesteller verwickeln könnte.

Im Wiki-Artikel wird der Testablauf so geschildert:

„Im Zuge dieses Tests führt ein menschlicher Fragesteller über eine Tastatur und einen Bildschirm ohne Sicht- und Hörkontakt mit zwei ihm unbekannten Gesprächspartnern eine Unterhaltung. Der eine Gesprächspartner ist ein Mensch, der andere eine Maschine. Wenn der Fragesteller nach der intensiven Befragung nicht klar sagen kann, welcher von beiden die Maschine ist, hat die Maschine den Turing-Test bestanden, und es wird der Maschine ein dem Menschen ebenbürtiges Denkvermögen unterstellt.“

Anscheinend gibt es seitdem ein ganzes Forschungsgebiet aufbauend auf dieser Idee. Man versucht einerseits, die Programme so zu perfektionieren, dass es immer schwieriger wird, ihre Produktionen von denen lebender Menschen zu unterscheiden. Als vorgeblich erfolgreiches Beispiel erwähnt der Wiki-Artikel u.a. folgendes:

„Im Sommer 2017 haben Forscher der Universität von Chicago eine KI vorgestellt, die eigenständig Rezensionen verfassen kann. Diese maschinell erzeugten Rezensionen wurden zusammen mit von Menschen verfassten Rezensionen 600 Versuchspersonen zur Beurteilung vorgelegt. Diese beurteilten die von der KI erstellten Rezensionen im Blindtest durchschnittlich ähnlich nützlich wie die von Menschen verfassten Rezensionen. In dieser Versuchsanordnung wird der Turing-Test somit bestanden, da für die Menschen nicht mehr erkennbar war, welche Rezensionen maschinell erstellt waren und welche von Menschen.“  

Andererseits sind auch die Kritiker nicht untätig und arbeiten bspw. heraus, dass menschliche Intelligenz wohl doch ein wenig komplexer ist, als dass sie sich mit noch so viel Rechenleistung zuverlässig simulieren ließe. Die Rezensionen, die die Universität von Chicago mittels ihrer Maschinen verfasst hat, und die Objekte, die da renzensiert wurden, möchte ich gern einmal sehen.

Die Entwicklung immer leistungsfähigerer Programme wird dem menschlichen Wissen und der menschlichen Produktivität neue und stärkere Kräfte zuführen. Das möchte ich keinesfalls verneinen. Programme werden immer größere Datenmassen erfassen, analysieren und nutzen können, in einem Umfang und einem Tempo, wie sie ohne die sog. KI undenkbar wären. Maschinen werden viele Verstandesleistungen, die bisher menschlichen Hirnen abverlangt werden, übernehmen können, verbessert übernehmen können  –  und die Hirne vielleicht auf diese Weise für Höheres, Kreativeres frei machen.

Die Anstrengungen, Leistungen menschlicher Organismen auf Maschinen zu simulieren, werden zu einem besseren Verständnis mit beitragen, wie Menschen erkennen und handeln; sie werden, denke ich, aber auch die spezifischen Begrenzungen deutlicher machen, die die KI von menschlichen Erkenntnis- und Handlungsfähigkeiten unterscheiden.

Für diejenigen, die KI vor allem unter bestimmten kapitalistischen Aspekten entwickeln, z.B. dem Aspekt der besseren Kontrolle menschlichen Verhaltens im Interesse der kapitalistischen Bereicherung, hätte ich einen Vorschlag, ausgehend von Turings Schema:

Wenn es stört, dass noch immer gelegentlich die Überlegenheit und Andersartigkeit menschlicher Intelligenz gegenüber Euren Herrschaftskonzepten hervortritt, könnte man doch vielleicht in der Weise rangehen, dass  die Erkenntnisfähigkeiten der Menschen systematisch heruntertrainiert werden. Trainiert die Menschen so herunter,  dass ihre Intelligenzleistungen endlich nicht mehr besser und unvorhersehbarer als die Produkte Eurer KI sind!

Trainiert sie so, dass ihre Meinungen, ihr Wissen, ihre Neigungen, ihre Sympathien und Antipathien beschränkt genug werden, um einigermaßen hineinzupassen in Eure gesellschaftssteuernden KI-Algorithmen. Trainiert sie so herunter, schablonisiert ihre potentiellen Reaktionen auf das Maß dessen, was Googles oder Amazons Maschinen oder Cambridge-Analyticas Wahlsteuerungsprogramme bewältigen, oder auch ihre chinesischen Gegenstücke wie Tencent, Baidu oder Alibaba mitsamt den social-credit-Programmen der chinesischen Machthaber – und die Maschinen werden alle Turing-Tests bestehen.

Damit wären dann auch die Problem grundsätzlich gelöst, die die heutigen kapitalistischen und politischen Eliten (in altertümlicher Terminologie: die herrschenden Klassen) mit der Beherrschung großer Menschenmassen noch immer haben.

Die Massen wären endlich den Arbeits- und Konsumgeboten des heutigen Kapitalismus voll kompatibel, und, noch viel besser; ihr soziales und politisches Verhalten ließe sich vorhersagen und bei Bedarf umsteuern. Zahllose KI-Programme, immer intelligentere Apps verhülfen endlich Google und ähnlichen Institutionen zur Verwirklichung des allgemeinen Glücks, genauer gesagt: der Verewigung der kapitalistischen Herrschaft.

Vielleicht ist mein Vorschlag gar nicht besonders neu oder originell, vielleicht können wir schon an einem Teil unserer Zeitgenossen beobachten, wie sie sich in die vielfältigen digitalisierten  – die immer differenzierteren und gleichwohl nach wie vor armseligen –  Wissens- und Glücksversprechen des heutigen Kapitalismus einigermaßen reibungslos einfügen und die Widersprüche der heutigen Weltordnung verdrängen?

 

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Ich verspreche jede sachlich irgendwie relevante Zuschrift dann im Anhang zu dem betr. Beitrag zu veröffentlichen, auch wenn sie mit meinen Ansichten garnicht übereinstimmen kann.

 

 

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