Zu Libyen

Das Vorgehen gegen Libyen muß vom Prinzip her verurteilt werden. Ganz offensichtlich wird hier versucht, mit brutaler miltärischer Übermacht die Kontrolle über einen Staat zu erreichen, der in mancher Hinsicht sich nicht unterordnet, und dort höchst zweifelhafte „Rebellen“ an die Macht zu bringen, die mit großer Sicherheit weit reaktionärer sind als das Ghaddafi-Regime, von denen man sich aber mehr erwartet in Hinsicht auf Gehorsam oder Verwendbarkeit für Intrigen und Komplotte. Die islamistische Komponente ist unübersehbar.

Man sollte allerdings die Interessenidentität der Staaten, die derzeit Libyen bombardieren – Frankreich, USA, Großbritannien – nicht überschätzen. Beim Vorpreschen Frankreichs ist es mE möglich, auch andere Motive als die sog. „Einheit der NATO“ zu unterstellen. Das libysche Territorium – als Staat ein bloßes Konglomerat -, der ganze nordafrikanische Raum und das Mittelmeer selbst sind über mehrere Jahrhunderte und bis heute Zonen der imperialistischen Rivalität zwischen Frankreich, Großbritannien, Italien, früher auch den Osmanen  und später zeitweilig in erheblichem Maße auch Deutschland (das im 1. und 2. Weltkrieg dort militärisch massiv agiert hat) gewesen. Diese Rivalität bezieht sich unmittelbar vor allem auf Nordafrika, aber – wichtiger noch – auf viel weiterreichende Zonen, die bspw. durch die internationale Transportroute Suezkanal oder die kontinentalen Verbindungen über die Türkei, die Levante etc. repräsentiert werden. Es geht um die Kontrolle der Handelsverbindungen nach Asien, insbes. Japan und China, um das Erdöl vom Golf etc.pp.

Interessanter noch als die Rivalität der europäischen Staaten ist die Rolle der USA, die auch im Mittelmeer spätestens seit dem 2. Weltkrieg  die dominierende militärische Macht ist. Es wäre naiv, die seitdem etablierte militärische Kooperation Frankreichs, Italiens, Griechenlands, der Türkei etc. mit den USA bloß als eine Bündelung gemeinsamer Interessen gegenüber Gegnern zu sehen; das Moment der Kontrolle der zweitrangigen Bündnispartner wie Italien und Frankreich durch die USA ist mindestens ebenso wichtig. Ein Motiv Sarkozys könnte es bspw. sein, nach dem Motto ‚so intitiativ und so früh wie möglich bomben‘, im weiteren mehr politische Mitsprache zu bekommen bzw. eigene claims in Nordafrika besser sichern zu können.

Als Ende 2008 die sog. Anti-Piraten-Manöver im Golf von Aden, dem Eingangstor zum Suezkanal, anliefen, mußte man die internationale Rivalität um den Bereich arabische Halbinsel, Ostafrika, Ägypten, Suezkanal und mittelbar auch das Mittelmeer bereits als wichtigsten politischen Hintergrund unterstellen, s. u. a. meinen Beitrag „Die sogenannte Piratenjagd vor Somalia – Rivalitäten und Krise des Kapitalismus“ (IS 2008-54 auf www.neue-einheit.com). Jetzt erschien auf den chinesischen Internetportal „ Global Daily“ ein bemerkenswerter Beitrag über die wachsende Zusammenarbeit der Kriegsmarinen Chinas und Japans, die sich  ausgerechnet im Golf katalysiert. Der Titel „Quake offers fresh chance for naval relations“ (http://en.huanqiu.com/opinion/commentary/2011-03/637843.html) lenkt die Aufmerksamkeit zwar hauptsächlich auf die chinesische Hilfe für Japan wegen der Tsunami-Katastrophe, behandelt aber tatsächlich mehr die miltärische Kooperation und die weiteren Kooperationsmöglichkeiten im Golf und in den ostasiatischen Gewässern selbst. Das stellt in der Tendenz das traditionelle Miltärbündnis Japan-USA in Frage. Wenn derzeit im Mittelmeer und darüberhinaus in Afrika die USA mit ihren Bündnissen und Militärstützpunkten Boden zu machen scheinen, so sieht es in Ostasien schon etwas anders aus, mit Auswirkungen bis an die ostafrikanische Küste. Das heißt aber auch, die Kontrolle Afrikas durch die USA ist auch von dieser Seite her in Frage gestellt, abgesehen von der schon seit langem etablierten starken ökonomischen und politischen Präsenz Chinas in Afrika.

Das in Kanada stationierte „Global Research Centre“ (Chossudovsky und andere) bringt zwar interessantes und wohl auch überwiegend wertvolles Material über die politische Natur der „Rebellen“ („Who are the Libyan Freedom Fighters and Their Patrons“, http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=23947) sowie über die strategischen Ziele der USA („War on Libya and Control of the Mediterranean“, http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=23940), insbesondere ihr „Africom“, verwendet aber leider, in der Linie des traditionellen revisionistischen Allmachtskults gegenüber den USA, keinerlei Energie auf die Analyse der imperialistischen Rivalitäten, die mE auch in den derzeitigen Kriegskoalitionen gegen Libyen innerhalb und außerhalb der NATO eine Rolle spielen.

Dieser Beitrag wurde unter Allgemein abgelegt und mit , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.